Freiburger Kaffeehaus-Szenen (Teil II):
Denkwürdiges in unserer Zeit
Gestern traf ich, hier in der Stadt eine
ehemalige Arbeitskollegin meiner Mutter. Wir gehen einen Kaffee trinken und
sie erzählt mir, da sie ja jetzt auch in Rente sei und, da sie Zeit habe,
engagiere sie sich bei der Kirchengemeinde in der Hilfe für die dritte Welt,
denn man müsse ja etwas für die Menschen dort tun. Sie helfe zwar nur
"verwaltungsmäßig", aber das müsse ja auch gemacht werden. Ich dachte so bei
mir, ganz positiv und locker, daß die evangelische Kirche mit ihr perfekt
bedient sei, eben gerade in Papierkriegsstrategie - 45 Jahre Erfahrung in
der Postverwaltung - na besser kann es kaum kommen und für sie ist es eine
gute und sinnvolle Beschäftigung. Voller Anteilnahme fragt sie mich dies und
jenes, auch ob ich mittlerweile wieder verheiratet sei (ich war es schon
einmal). Als ich bejahe, meint sie: "Dann hast Du also doch noch die
Richtige gefunden, ein anständiges Mädchen, daß Du Jude bist macht ja heute
in der aufgeklärten Zeit, auch nichts mehr..." Ich denke ich spinne und
halte mich am Henkel meiner Tasse fest. Jovial fährt sie fort: "...na ja
diese Türkin war ja auch nichts". Ohne, daß ich antworten kann, geht es
weiter "Mit solchen von da unten kann man auf Dauer doch nichts anfangen,
stimmts?" Als ich Luft geholt hatte antwortete ich präzise, daß ich
tatsächlich eine großartige Frau gefunden habe, die sei auch richtig
anständig und so, aber leider eben 'nur' genau die jenige welche von da
unten - ganz genau diese eine''. Ich legte das Geld für den Kaffee auf den
Tisch, stand auf und ging ohne ein Wort. Was soll da noch helfen? Immer
wieder bin ich erstaunt, was die Menschen so denken, die wir gemeinhin als
"Otto Normalverbraucher" bezeichnen, Leute die diese Genereation groß
gezogen habent, die heute das Sagen in diesem Land hat - und für die das
alles vollkommen normal ist. Am Abend: Das Telefon läutet. Meine Mutter.
Warum ich denn zur Frau Schenderer so "unhöflich" gewesen sei. Ich erkläre
es. "Aber die hat das sicher nicht so gemeint, Du weißt doch wie das ist." -
"Bei Gelegenheit solltest Du Dich entschuldigen....". Wofür? Ich habe schon
geschwiegen, das war doch für mich eine ganz beachtliche Leistung an
Selbsbeherrschung in diesem Szenario. Ich steh' da und mache, wie immer in
solch paradoxen "Situationen", ein dummes Gesicht. ... Ich hab' doch kein
Wort gesagt, nichts bestellt, nichts herauf beschworen, nichts provoziert.
Man könnte mir das ja ohne weiteres unterstellen, es ist ja nicht so, daß
ich das nie mache. Aber jetzt war nicht einmal ein Gedanke daran beteiligt.
Meine Frau baut sich vor mir auf: "was ist?"... Ich erzähle es. Eigentlich
ist das ganze sogar lächerlich, nur niemand lacht. Wer in aller Welt haut
mir all diese "plastischen" Beispiele um die Ohren? Ich trotte durch diese
Welt und "falle" unablässig über solche Sachen. Nein, sag' ich mir
(wiedereinmal), das ist alles nur Zufall, du must realistisch sein. Ich
denke an Mathematik - Wahrscheinlichkeiten - 100% Zufall? Ich denke an
Albert Einstein und an ein dämliches Zitat welches ihm irgendwo
untergejubelt worden war... Versiegte Quellen... Nein, nein, nein - Ich
wache gleich auf - alles nur ein böser Traum..."
haGalil onLine -
Donnerstag 26-11-98 |