Die Geschichte der
Juden
in Deutschland V
1157 aZ:
Kammerknechtschaft und Pogrome zu Ehren der
"Heiligen Hostie" |
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1157: Erstmalig werden die Juden zu
Kammerknechten, also zum direkten Eigentum des Römischen Kaisers erklärt. Es
gibt zunächst wenig unmittelbare Auswirkungen.
1179: Das dritte Laterankonzil verbietet Juden, christliche Dienstkräfte
zu beschäftigen oder unter Christen zu leben. Bis ins 16.Jahrhundert wird aber
die letztere Bestimmung nur wenig beachtet. Das Konzil schützt Juden aber auch
vor erzwungener Taufe.
1182: Die
französischen Juden werden enteignet und aus Frankreich vertrieben.
1215: Das vierte Laterankonzil schreibt Juden besondere Kleidung vor;
dazu gehören der spitze Judenhut und der gelbe Fleck, der auf dem Gewand zu
tragen ist. Auch wird die Geistlichkeit angewiesen, Geschäfte mit Juden zu
vermeiden. Die Lage der Juden wird weiter dadurch erschwert, dass die
Zinsenzahlung auf alle Darlehen an Christen, die sich an den Kreuzzügen
beteiligen, eingestellt wird. Auf diesem Konzil wird auch die lnquisition
gegründet.
1235: Der ersten offiziellen Beschuldigung wegen eines Ritualmordes in
Fulda folgen in ganz Deutschland weitere Anklagen wegen Hostienschändung und
Ritualmord gegen jüdische Gemeinden. Solche Behauptungen führen oft zu
Massakern, Vertreibungen, der Beschlagnahme von jüdischem Eigentum und anderen
Gewalttaten gegen Juden. Die Ritualmordbeschuldigung besagt. dass Juden das Blut
von geschlachteten Christenkindern für die Zubereitung von Mazzoth, ungesäuertem
Brot für die Pessachfeier - oder für andere religiöse Zwecke verwendeten. In der
immer wieder behaupteten Schändung der geweihten Hostien sollte, nach
kirchlicher Lesart, der Mord der Juden an Jesus wiederholt werden. Sowohl
päpstliche als auch weltliche Autoritäten haben sich wiederholt gegen diese
Verleumdungen ausgesprochen, aber der letzte Ritualmordprozess in Mitteleuropa
fand vor weniger als hundert Jahren statt. (Ritualmordlegende
von Manau,
Der Anderle Kult mobilisiert noch immer Tausende)
1236: Unter Berufung auf das alte römische Recht erklärt Kaiser Friedrich
II. die Juden mit allen Konsequenzen zu "Kammerknechten". Das gewährleistet den
Juden zwar unter dem erneuerten Reichslandfrieden einen gewissen kaiserlichen
Schutz, reduziert ihren rechtlichen Status aber zu dem von Leibeigenen des
römischen Kaisers. Als während des Interregnums von 1254 bis 1273 kein Kaiser
gewählt wird, eignen sich einzelne deutsche Fürsten dieses Recht auf die Juden
und ihre Steuern an.
1273-1291: Der Habsburgerkaiser Rudolf I. will das Recht auf jüdische
Steuerzahlungen von den Fürsten zurückgewinnen; er erklärt die Juden wieder zu
Kammerknechten und besteht auf dem einzig kaiserlichen Recht, sie zu besteuern.
Or haGolah
1286: Rabbi Meir ben Baruch aus Rothenburg (1215-1293) gilt ebenso wie
Gerschom ben Judah vor ihm als "Licht des Exils"; er bestreitet den kaiserlichen
Anspruch und versucht, mit tausenden Anhängern das Reich zu verlassen, um sich
im Gelobten Land anzusiedeln. Er wird aber in Norditalien gefangen genommen und
bis zu seinem Tod als Geisel des Kaisers festgehalten. Selbst seine Leiche wird
nicht beerdigt und erst 1307 freigegeben, als Alexander ben Salomon Wimpfen
dafür ein riesiges Lösegeld bezahlt, unter der einzigen Bedingung, nach seinem
Tod an der Seite von Rabbi Meir begraben zu werden. Rabbi Meir verbietet während
seiner Geiselhaft, für ihn Lösegeld zu zahlen, weil das eine Anerkennung der
Knechtschaft der Juden bedeuten würde. (Siehe zB im "Reiseführer durch das
jüdische Deutschland" unter Rothenburg und Worms).
Vor und während seiner Gefangenschaft dient Rabbi Meir seinem Volk in
Deutschland als hoch angesehener Lehrer, Gelehrter und oberster Schiedsrichter
in Fragen des Ritus, des Gesetzes und der Angelegenheiten der jüdischen
Gemeinden. Seine etwa tausend erhaltenen Entscheidungen und Gutachten gelten im
Leben der Gemeinschaft noch durch viele Generationen.
1290: Nach einem Jahrhundert der Verfolgungen und Repressalien werden die
letzten Juden aus England vertrieben.
1298: Ein fränkischer Ritter aus Röttingen namens Rindfleisch führt nach
der Beschuldigung, Hostien seien entweiht worden, eine Privatarmee gegen
jüdische Gemeinden in Franken und Sachsen. In weniger als einem halben Jahr
werden mehr als 140 jüdische Gemeinden vernichtet.
1306: Fast alle Juden werden aus
Frankreich vertrieben, nachdem der König von Frankreich überzeugt wird,
dass alle Juden Kammerknechte und damit Besitz des Römischen Kaisers seien.
1337: Im Gefolge einer Hostienschändungs-Anklage in Deggendorf werden
viele jüdische Gemeinden in Niederbayern vernichtet.
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