(als Stadtrundgang oder Tagesseminar mit Führung, Vortrag und
Gesprächsimpulsen)
GROSSE HAMBURGER STRASSE
ODER DIE STRASSE MIT DEN NEUN DENKMÄLERN
Einst wurde sie "Toleranzstraße" genannt, weil hier jüdische
(Schule, Friedhof, Altenheim), evangelische (Kirche, Dienstmädchenverein)
und katholische (Krankenhaus) Einrichtungen nebeneinander existierten.
Heute befinden sich in dieser Straße auf 300 Metern 9 Denkmäler, denen
unterschiedliche Konzeptionen in unterschiedlichen Entstehungszeiten
zugrunde liegen. An wen erinnern diese Denkmäler, was ver-schweigen oder
verschleiern sie? Welche Geschichtsbilder bringen sie zum Ausdruck und
welche Aussagen transportieren sie?
Exkurs: Denkmäler, Museen und Gedenkstätten als öffentliche
Inszenierungen
ORTE JÜDISCHEN LEBENS UND IHRE RELIGIÖSEN WURZELN
Was sagt die Hebräische Bibel (5 Bücher Mose und Propheten)
sowie der Talmud (ursprünglich die mündl. Lehre) zu Begräbnisplatz
(Sterben, Tod, Trauer), Altenheim (Wohltätigkeit), Schule (Lernen,
Lehren), Mikwe (rituelles Tauchbad) etc.? Auf Wunsch werden exemplarisch
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Talmud und den Evangelien
berücksichtigt.
LEBENSLÄUFE JÜDISCHER AUTORINNEN AUS SCHÖNEBERG
Unterschiedliche Erfahrungen werden durch Biographien und
Texte/Gedichte folgender Personen erschlossen:
- Inge Deutschkron: im "Judenhaus" - später als Untergetauchte
überlebt
Emigration und Rückkehr
- Judith Kerr: Emigration als Kind nach England
Entwurzelung und die Spätfolgen
- Gertrud Kolmar: in Auschwitz umgekommen
- Ilse Blumenthal-Weiss: Emigration - Deportation - Überleben in
Auschwitz - Amerika
- Hertha Nathorff: Emigration nach USA und Neubeginn
Im Führungsteil werden Schilder aus dem Denkmal von Renata Stih
und Frieder Schnock mit Lebensläufen und literarischen Texten früherer
jüdischer Bewohner dieses Viertels kombiniert: Erweiterungsmöglichkeit:
Vergleich unterschiedlicher Denkmalskonzeptionen anhand des Vergleichs
zwischen de-zentralem Denkmal und anderen vorhandenen Gedenksteinen: Was
zeigen sie und was verschleiern sie mit welchen sprachlichen Mitteln? Auch
an traditionellen Denksteinen werden wir über Sinn, UnSinn, Strukturen,
Wirkungen und Funktion von Gedenkveranstaltungen ins Gespräch kommen.
AUF DEN SPUREN VON NESTHÄKCHEN-AUTORIN ELSE URY IN
CHARLOTTENBURG
Generationen von Mädchen sind mit den Nesthäkchen-Büchern groß
geworden, die eine nahezu heile Welt spiegeln. Jüdische Kinder oder
jüdische Feste kommen in ihnen nicht vor, obwohl bzw. gerade weil die
Verfasserin einen relativ typischen Lebenslauf für jüdische Frauen aus der
bürgerlichen Schicht um die Jahrhundertwende hat. Auch auf den Büchern -
immer noch Auflagenrenner - sowie in den Filmen fehlt jeder Hinweis
darauf, daß die Autorin als Jüdin im Konzentrationslager Auschwitz umkam.
Wie sah die Welt der assimilierten Jüdinnen, für die Else Ury ein Beispiel
ist, aus?
Weiterführende Fragestellungen
- Welche Kinderbücher haben die Kindheit unserer Mütter und
Großmütter geprägt; warum kamen Serien wie Nesthäkchen so gut an, was
vermittelten sie für ein Frauenbild?
- Else Ury hat uns keine autobiographischen Aufzeichnungen
hinterlassen. Es bietet sich aber an, begleitend von Angelika
Schrobsdorff Auszüge aus "Du bist nicht wie andere Mütter" zu lesen.
Hier beschreibt Angelika Schrobsdorff die Lebensstationen ihrer Mutter,
die aus dem gleichen Milieu wie Else Ury kommt; da einige Lebensorte
sich auch in Charlottenburg - sogar in örtlicher Nähe zu solchen von
Else Ury liegen, könnten hier auch auf der Führung Querverweise
eingebaut werden.
- Thema Müttergeschichten - ein Vergleich: Die Mutter von
Angelika Schrobsdorff wurde 1896 geboren und wuchs in bürgerlichen
Lebensverhältnissen auf, wobei sie bestrebt war, alles, was mit ihrer
jüdischen Herkunft zu tun hatte, hinter sich zu lassen. Ebenfalls 1896
wurde Scheindl G. geboren, allerdings in Lemberg. Sie emigrierte nach
dem ersten Weltkrieg nach Berlin um ein neues Leben zu beginnen. Ihr
Leben wurde ebenfalls von ihrer Tochter beschrieben (vgl. Spaziergang zu
ostjüdischen Frauen). Durch die Nazis wurden beide Frauen zur Emigration
gezwungen: die eine ging nach Sofia, die andere nach Melbourne.
Interessant sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede auch im Hinblick auf
das unterschiedliche Herkunftsmilieu und die unterschiedlichen
finanziellen Möglichkeiten.
(Kombination mit einer Autorinnenlesung mit Salomea Genin ist
möglich)
SPUREN DES ANTISEMITISMUS EINST UND JETZT
Was bedeutet Antisemitismus? Welche Erscheinungsformen gab und gibt es
zu unterschiedlichen Zeiten?
Wir gehen an Plätze, die antisemitische Aktivitäten verbaler
oder tätlicher Art repräsentieren: Bücherverbrennung, antisemitische
Tiraden des Hofpredigers Stöcker, pogromartige Ausschreitungen im
Scheunenviertel, Deportationssammellager bis zur Neuen Synagoge, die durch
Polizeibewachung geschützt werden muß.
REGINA JONAS:
AUF DEN SPUREN DER ERSTEN RABBINERIN
1902 in Berlin geboren, studierte
Regina Jonas an der liberalen Hochschule für die Wissenschaft des
Judentums.1935 erhielt sie eine Privatordination. Da durch Emigration von
Rabbinern während der Nazizeit viele Kleingemeinden verwaist waren, wurde
Regina Jonas mit deren Betreuung beauftragt. Ab 1942 mußte sie
Zwangsarbeit leisten. Sie wurde in Auschwitz ermordet. Danach gab es vier
Jahrzehnte keine Frauen als Rabbinerinnen. Erst 1972 wurde in der
amerikanischen Reformbewegung die erste Nachkriegsrabbinerin ordiniert
Außerdem wird die Situation von jüdischen Frauen heute thematisiert.
JUDEN IN CHARLOTTENBURG
Ab der Jahrhundertwende war es unter den Angehörigen des
Bürgertums ein Trend in den Neuen Westen zu ziehen. Die jüdische
Bevölkerung Charlottenburgs wuchs von 46oo Bewohnern im Jahr 1885 in den
folgenden 20 Jahren auf über 22.000. Eine Reihe von jüdischen
Institutionen entstanden als Anlaufpunkte (Synagogen, Schulen,
Wohlfahrtseinrichtungen).