antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

hagalil.com

Search haGalil

Newsletter abonnieren
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus
Jüdische Weisheit
 
Sie finden hier zahlreiche Artikel aus dem 90er Jahren, d.h. aus den Anfangsjahren des WWW. Aktuellere Meldungen finden Sie im Nachrichtenarchiv unter Jüdisches Leben in Deutschland..., Antisemitismus, Rechtsextremismus..., Europa und die Welt... oder in den täglich aktuellen Nachrichten von haGalil.com...
Etliche Artikel in diesem Ordner entsprechen in Formatierung und Gestaltung nicht den heutigen Internetstandards. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

 

Diskussion nach der Rückbenennung

Von Sascha Kindermann

Allgemeines

Stellungnahme der Bürgeraktion vom 3.11.2002

Zwei Tage nach der Rückbenennung, am 3.11.2002, verschickte Schmidt für die Bürgeraktion einen Brief oder eine Presseerklärung. Die Gruppe bekennt sich hier rückblickend dazu, es "für selbstverständlich [zu halten], dass der höchste Repräsentant der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Herr Dr. Alexander Brenner, eine Einweihungsrede zur »Jüdenstraße« ungehindert und ohne jede Störung halten kann!"

Bannasch kommentiert die zitierte Formulierung - "für selbstverständlich" - folgendermaßen: "Und das müssen Sie sich jetzt mal im Umkehrschluss [an]sehen" - wer schon auf die Idee komme, zu sagen, das Rederecht Brenners sei eine Selbstverständlichkeit.145

Märkische Allgemeine Zeitung vom 5.11.2002

Über die Bürgeraktion berichtete die Märkische Allgemeine Zeitung am 5.11.2002, sie übe "[s]charfe Kritik". Die Gruppe kritisiere an Bannasch, er habe sich "politisch profilieren" wollen.146

Weiter heißt es: "Zudem habe er den »schlimmen antisemitischen Fall Möllemann heruntergespielt«. Bannasch nannte diesen Vorwurf auf MAZ-Anfrage »ungeheuerlich, das ist der Versuch, mich in die rechte Ecke zu stellen«. Er habe Möllmann unter anderem in einem TV-Interview kritisiert." (Fehler i.O., Anm. d.A.)

Bannasch kritisiert, die Bürgeraktion habe nicht recherchiert, was er zum damaligen Zeitpunkt im Kontext der Möllemann-Debatte geäußert habe. Stattdessen erkläre man ihn einfach zu einem Anhänger Möllemanns und damit zu einem Antisemiten.147

Swen Schulz

Bannasch berichtet, der SPD-Bundestagsabgeordnete Schulz habe Brenner und ihm öffentlich die Schuld für die "Auswürfe" vom 1.11.2002 zugewiesen. Demzufolge war der Grund für die Äußerungen, dass die beiden sich "öffentlich hingestellt" hätten, so Bannasch. Schulz "musste nicht zurücktreten! Da passiert gar nichts! [...] Das ist dann einfach so."148

Schulz widersprach in einer Presseerklärung vom 6.11.2002 dieser Darstellung. Er lasse sich nicht anhängen, "mit antisemitischen Tendenzen Stimmung [zu] machen." Der Politiker weist darauf hin, dass nicht er, sondern die FDP und die CDU den Streit entfacht hätten, indem sie den Beschluss gegen die Rückbenennung in Frage stellten. Doch habe er die anschließende Mehrheitsentscheidung für die Namensänderung akzeptiert und kritisiere bloß die mangelnde Einbeziehung der Anlieger.

Die "parteipolitische Veranstaltung" der FDP am 1.11.2002, die in seiner Abwesenheit stattgefunden habe, habe zur Emotionalisierung des Konflikts beigetragen. Doch liege es ihm "vollkommen fern Vertretern der Jüdischen Gemeinde oder der FDP Schuld an Antisemitismus zu geben oder aber antisemitische Äußerungen in irgendeiner Form zu entschuldigen." (Zeichensetzung i.O., Anm. d.A.)

Bannasch und einem seiner Parteikollegen wirft Schulz vor, durch falsche Behauptungen, Beleidigungen und Verzerrungen "alte Rechnungen begleichen" und sich "mit der Antisemitismus-Debatte [...] profilieren" zu wollen. Die FDP versuche, "ihr Problem mit Möllemann auf dem Rücken anderer auszutragen."149

Sender Freies Berlin (SFB)

Der SFB wurde von der Staatsanwaltschaft, die aufgrund der Hinweise auf antisemitische Äußerungen ermittelte, aufgefordert, ihr sein gesamtes Filmmaterial auszuhändigen.150 Der SFB teilte auf Nachfrage schriftlich mit, er habe die Herausgabe aus prinzipiellen Gründen verweigert.

Strafrechtliche Relevanz

Im Hinblick auf die Ermittlungen macht Bannasch auf einige Punkte aufmerksam. Es sei für ein Strafverfahren entscheidend, einer Einzelperson eine verbotene Aussage eindeutig zuweisen zu können. Außerdem werde nicht alles, was man "subjektiv" als antisemitisch betrachte, als strafrechtlich relevant eingestuft. Etwa der oben erwähnte Ausruf einer Geschäftsinhaberin - "Die Juden sind ja an allem Schuld, was hier passiert" - stelle im strafrechtlichen Sinne keine Beleidigung und keine Volksverhetzung dar. Im Gegensatz dazu stehe zum Beispiel die Äußerung "Alle Juden sind Verbrecher" oder die Leugnung von Auschwitz. Bannasch: "Die wissen auch sehr genau, was sie zwischenbrüllen können und was nicht."151

Im Fall des 1.11.2002 konnte man rechtlich relevante antisemitische Äußerungen weder einer Person noch mehreren Einzelpersonen zuordnen, so dass niemand angeklagt und verurteilt wurde.

Keine Strafanzeige

Bannasch berichtet, die Bürgeraktion habe ihm vorgeworfen, anlässlich der antisemitischen Rufe keine Strafanzeige erstattet zu haben. Die Rückbenennungsgegner hätten aus dieser Tatsache die Unterstellung abgeleitet, er decke dadurch die von ihm behaupteten antisemitischen Äußerungen. Zur Erklärung seines Vorgehens gibt Bannasch an, dass es nicht nötig sei, ein Offizialdelikt, das in Anwesenheit der Polizei verübt werde, anzuzeigen. Noch am selben Tag - das sei ihm bekannt gewesen - habe die Polizei ihre Ermittlungen aufgenommen. Außerdem hätten sich sowohl der Polizeipräsident als auch der Innensenator zu dem Fall geäußert. Drei Tage nach den Ereignissen habe sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses mit dem Thema beschäftigt. Zudem hätten er und Block sich wenige Tage nach der Veranstaltung vom Staatsschutz "einen ganzen Nachmittag" lang vernehmen lassen.152

Die Märkische Allgemeine Zeitung berichtete am 6.11.2002 von der "Vorladung für FDP-Mann Bannasch" und davon, der Staatsschutz habe eine Strafanzeige erstattet.153 Auch Brenner informierte im jüdischen berlin vom Dezember 2002 darüber, dass "die Staatsanwaltschaft [...] eine Untersuchung eingeleitet" habe.154

Demonstration und Kundgebung

Am 14.12.2002 fand in der Spandauer Altstadt eine Demonstration antifaschistischer Gruppen anlässlich der Ereignisse vom 1.11.2002 statt.155

Für den 1.2.2003 rief das "Spandauer Bündnis gegen Rechts" zu einer Kundgebung "Gegen die Verharmlosung des Antisemitismus in Spandau" auf, um es allen Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, sich "unmissverständlich auf die Seite der Opfer des alten sowie neuen Antisemitismus" zu stellen.156

Zuschriften an Bannasch und Brenner

Am Folgetag der Straßenrückbenennung, am 2.11.2002, schrieb Klaus W. aus Spandau - "[d]er fällt hier öfter auf" (Bannasch) - eine Postkarte an Bannasch: "Angesichts des jüdischen Verbrechens am palästinensischen Volke hat es weder Spandau verdient, dass es mit einer Jüdenstraße verunziert wird."

Bannasch hebt hervor, dass sich der Verfasser "namentlich genannt" und das Wort "verunziert" mit Bezug auf die Juden benutzt habe.157

Vier Tage darauf, am 6.11.2002, wurde eine anonyme Postkarte in Berlin ebenfalls an Bannasch abgeschickt.

Eine weitere Postkarte an den Politiker wurde am 14.11.2002 von einem fiktiven "Johannes Kinkel" aus der "Kinkelstr. 22"aufgegeben.

Erst im Oktober 2003 erreichte Bannasch der Brief einer Frau, deren Ehemann er persönlich kenne. Die Verfasserin schreibt, sie habe der Presse entnommen, dass er sich als Bezirksverordneter für die Rückbenennung der Kinkelstraße eingesetzt habe. Dies habe bei ihr und anderen "einiges Kopfschütteln" hervorgerufen. Sie erlaube sich, einige Fragen zu stellen: "Haben wir keine anderen Probleme? Wo liegt der Bedarf? Warum wird nur die Kinkelstraße rückbenannt?"

Außerdem zitiert Bannasch, die Schreiberin frage ironisch, ob es nicht vernünftig wäre, allen Altstadtstraßen ihren alten Namen zurückzugeben. In Bezug auf den Termin der Rückbenennung der Kinkelstraße merke sie an: "Nicht der 1.11. wäre das richtige Datum gewesen, sondern der 11.11."

Wenn Bannasch schon in Spandau eine solche Meinung vertrete, "welche Formen nähme dieser Umgang da im Bundestag an."158

Brenner schrieb im jüdischen berlin vom Dezember 2002, er mochte "es nicht versäumen zu berichten, dass ich kurz nach diesem Zwischenfall zahlreiche Briefe, sowohl von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, als auch von ganz einfachen Bürgern aus ganz Deutschland erhielt, in denen Betroffenheit, Abscheu, Anteilnahme und Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde ausgedrückt wird."159

Resümee

Verwendete Quellen

Anmerkungen:
145 Vgl. eigenes Interview mit Bannasch, Karl-Heinz, 4.5.2004 / 9.6.2004.
146 Zit. n. Kuschel, Stefan: Festakt mit Folgen. In: Märkische Allgemeine Zeitung v. 5.11.2002.
147 Er habe sich in der Abendschau und in Zeitungen "klar und deutlich von Möllemann distanziert". Doch habe er Möllemann nicht als Antisemiten bezeichnet - "stehe ich heute noch zu: ist er nicht" -, sondern sein Verhalten für "unverschämt" befunden. Vgl. eigenes Interview mit Bannasch, Karl-Heinz, 4.5.2004 / 9.6.2004.
148 Vgl. ebd.
149 Vgl. Schulz, Swen: FDP missbraucht Antisemitismus-Debatte. Presseerklärung v. 6.11.2002, http://www.swen-schulz.de/polit_arbeit/mitteilungen/mit_0611.html.
150 Vgl. eigenes Interview mit Bannasch, Karl-Heinz, 4.5.2004 / 9.6.2004.
151 Vgl. ebd.
152 Vgl. ebd.
153 Vgl. Kersten, Christian: Jüdenstraße: Ermittlungen von Amts wegen. Staatsschutz erstattet Strafanzeige. In: Märkische Allgemeine Zeitung v. 6.11.2002d.
154 Brenner, A. 2002.
155 Vgl. o.V.: 14.12.2002: Berlin: Demonstration Rathaus Spandau. http://www.dki.antifa.net/antisemitismusstreit/chronologie07.html
, 5.4.2003.
156 Vgl. pjay: KUNDGEBUNG anlässlich der Vorfälle bei der Rückbenennung der Jüdenstraße in Spandau am 1.11.02. http://www.xpedient.org/content/modules.php?name=News&file=article&sid=259, 9.1.2003. Vgl. auch Siegmund-Schultze, Andreas: Linke lernen von Christo. In: die tageszeitung v. 1.2.2003.
157 Vgl. eigenes Interview mit Bannasch, Karl-Heinz, 4.5.2004 / 9.6.2004.
158 Zit. n. ebd.
159 Brenner 2002.

hagalil.com / 08-02-2004


Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München
1995-2014 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved