Friedrich W.
Ihloff
An den
Justizminister
des Freistaates Bayern
Justizpalast München
Pullach, 19.04.2001
Betr.: Causa
Malloth
Vors. Richter am LG München
Dr. Jürgen Hanreich, 02.03.1942
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Was ist
des Unschuldigen Schuld -
wo beginnt sie?
Sie beginnt da,
wo er gelassen, mit hängenden Armen
schulterzuckend daneben steht,
den Mantel zuknöpft, die Zigarette
anzündet und spricht:
Da kann man nichts machen.
Seht, da beginnt des Unschuldigen Schuld.
Gerty
Spies,
München-Theresienstadt-Münohen |
Sehr geehrter
Herr Dr. Weiß,
In der nächsten
Woche soll unter Vorsitz von Dr. Hanreich das Verfahren gegen Anton
Malloth eröffnet werden. Die Teilnahme der deutschen wie der
internationalen Öffentlichkeit ist trotz der Verhandlungen in der JVA
Stadelheim möglich und voraussehbar.
Die
nordrhein-westfälische Justiz hatte in zwei Jahrzehnten die
Strafwürdigkeit in Frage gestellt, die zur Last gelegten Verbrechen im
nachhinein verharmlost und damit eine angemessene und gerechte
Sanktionierung vereitelt. So ist zu loben, daß am Ende die Justiz in
Bayern den Fall Malloth nach Jahren des Zuwartens doch noch verhandeln
will.
Nun droht aber
diese Sache beschädigt zu werden:
Dr. Hanreichs
Vater - Dr. Otto Hanreich - war von 1942 - 1944 Oberlandesgerichtsrat in
Leitmeritz, also in dem Gerichtsgebäude tätig, in dem Anton Malloth
(Anm.: 1948, durch die tschechische Justiz) zum Tode verurteilt wurde.
Die historische
Nähe des am 18.11.04 in Mikulov geborenen tschechischen Staatsbürgers
Dr. Otto Hanreich zur Kleinen Festung Theresienstadt ist so
unübersehbar, daß ich viele Tage des Bedenkens über Verstrickungen und
die lange Zelt des Beschweigens‘ In deutschen Familien und deutscher
Öffentlichkeit hinter mir habe, bevor Ich mich nun an Sie wende
Als Sohn des
Richters am LG-Hamburg Herbert Ihloff (1913-1978) glaube ich zu diesem
Schritt nicht nur legitimiert, sondern auch verpflichtet zu sein.
Dr. Jürgen
Hanreichs Doktorvater. der bayerische Kultusminister Maunz (1957-1964),
hatte in seinen frühen Schriften unter anderem begründet, weshalb es
rechtmäßig sei, daß Juden nicht auf "arischen" Parkbänken sitzen oder
Schwimmbäder besuchen dürften.
Was der leibliche
Vater von Herrn Dr. Jürgen Hanreich als Organ der Rechtspflege in
Leitmeritz geleistet hat, weiß ich nicht. Nach Gerty Spies‘ Erleben im
nahen Theresienstadt scheint auch er nicht "unschuldig" gewesen zu sein.
Prof. Maunz ist
nach seinem von Hildegard Hamm-Brücher initiierten Rücktritt im
Bayerischen Landtag seitens der CSU mit stehenden Ovationen
verabschiedet worden.
Dr. Jürgen
Hanreich ist es offenbar bis heute nicht in den Sinn gekommen, in der
Causa Malloth die Besorgnis der Befangenheit vorzutragen.
In Anbetracht der
raschen juristischen Karriere des Dr. Otto Hanreich: seine Ernennung zum
Richter im Jahre 1935, zum Amtsrichter im Jahr 1938, zum Landgerichtsrat
1939 und zum Oberlandesgerichtsrat im Jahre 1942 - liegt die Verbindung
zu seiner NSDAP und SA- Mitgliedschaft nahe. Diese Tatsache ist für die
Opfer auch posthum eine Verhöhnung, wie sie kaum vorstellbar ist.
Gibt es denn im
Freistaat Bayern keinen Richterkollegen mit Zivilcourage, der Herrn Dr.
Hanreich geraten hätte, diese ohnehin allzu späte Verhandlung nicht zu
führen? Als Dienstherr des Richters Dr. Hanreich sind Sie nun gefordert,
wenn die langjährigen Kollegen keinen Mut hatten, das auszusprechen, was
jedermann in den Sinn kommt, wenn er von diesen Verstrickungen weiß.
Der Applaus der
CSU im Landtag wird ausbleiben, wenn Dr. Hanreich nicht das Verfahren
eröffnet. Die deutsche und die internationale Öffentlichkeit aber wird
Sie, sehr geehrter Herr Minister, fragen, wie hier in München
Justizgeschichte gestaltet wird.
Als Richter
können Sie sich schon jetzt vorstellen, in welche Situation die
bejahrten Zeugen aus der tschechischen Republik geraten, wenn sie diese
Zusammenhänge erfassen.
Mit freundlichem
Gruß
Friedrich W.
Ihloff
In der Anlage versch. Dokumente
und ein Bild: Der arische Weg, von Josef Spier
(Terezin, Leitmeritz)
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