Zwei Jahre später, also 1543, erfolgte eine
Massenflucht der Juden, - vor allem in Richtung Polen, wo sie wohlwollend
vom König Sigesmund aufgenommen wurden. Die Ausweisung der böhmischen
Juden wurde durch ein allgemeines Geleit (Schutz) im Jahre 1543 widerrufen
und ermöglichte eine erneute Rückkehr.
So verblieb Prag, für ganz Böhmen, als
einzige Judengemeinde übrig, wo aber die Juden, auf Grund einer Verordnung
Ferdinands I., vom 17. November 1551, auf der linken Brustseite der
Oberbekleidung einen gelben runden Stoff zu tragen haben. Knappe 400 Jahre
später sollte ein anderer Österreicher, Hitler nämlich, genau den gleichen
Befehl erteilen, um die Juden mit einem gelben ''Magen David'' öffentlich
zu diffamieren.
Bei diesen antijüdischen Gesetzen - auch
wenn sie von katholischen Fürsten erteilt wurden - darf man nicht
vergessen, daß im Hintergrund bereits Martin LUTHER (1483-1546) mit seinen
antijüdischen Schriften große Wirkungen erzielte, ja den Katholiken
teilweise sogar vorwarf ''mit Juden gemeinsame Sach zu treiben''
Anno 1576 bestieg Rudolf II (1552-1612) den
Thron, hielt sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern (außer Karl IV.) fast
nur in Prag auf und machte aus ''seiner'' Kaiserstadt eine Zufluchtsstätte
und europäisches Zentrum für Künstler und Wissenschaftler. Seine
25-jährige Herrschaft drückte nicht nur auf Prag, sondern auch auf die
jüdischen Gemeinden einen positiv prägenden Stempel auf. Er hatte ein
gewisses tolerantes Verhältnis zu den Juden und während seiner
Regierungszeit blieb es im Prager Ghetto verhältnismäßig ruhig; Es kam
zumindest zu keiner Vertreibung der Juden.
Etwa in dieser Zeit fällt das Licht
besonders auf eine Persönlichkeit, die später mit Legenden und Sagen
umwoben wurde: es handelt sich um den großen Rabbi Juda ben Bezalel Liwa,
genannt Rabbi Löw, der zumeist lediglich mit der Golem-Saga in
Zusammenhang gebracht wird.
Die ''Golem-Majße darf dabei ruhig in das
Reich der Märchen und Phantastereien geschoben werden, denn sie entspricht
überhaupt nicht den Tatsachen, sondern verdrängt vielmehr die wahre
Leistung dieses großen Gelehrten. Der ''hohe Rabbi Löw'' (Abbreviation:
MaHaRaL= Morenu (unser Lehrer) HaRav Löw) von Prag war ein
außerordentlicher Talmudist, war einer der bedeutendendsten Pädagogen
seiner Zeit und galt überdies als akribischer Moralist. Die Kabbala, als
auch die Berechnung oder tätige Herbeiführung der Endzeit (wie die
Sabbatianer es taten), lehnte er vehement ab.
Rabbi Löw, der 1525 vermutlich in Poznan
oder deren Umgebung geboren wurde, war zunächst von 1553-73 Landesrabbiner
von Mähren, und ging dann nach Prag, wo er eine Jeschiwa Beth HaMidrasch
gründete. Sie stand an der Stelle, wo sich heute die Klausen-Synagoge
befindet.
Von 1584-88, und 1592-97 ging er als
Rabbiner nach Poznan und kehrte erst dann, als ihm eine Rabbinerstelle
zugesagt wurde endgültig nach Prag zurück, wo er auch 1609 verstarb. Rabbi
Löw reformierte grundlegend den Talmudunterricht und schuf Kreise, die
sich eindringlich mit der Mischna beschäftigten. Bekannt wurde der
Rabbiner vor allem mit seinem Werk ''Gur Arje'', das war eine Erläuterung
zu RaSchIs (Salomon ben Isaaks) Pentateuch-Kommentaren. Zu Rabbi Löw's
wichtigsten Schülern gehörte u.a. der aus Bayern stammende Talmudist
Jom-Tov Lippmann HELLER (1579-1654) und der Historiker David ben Salomon
GANS (1541-1613).
David Gans war gewissermaßen ein
''allround'' Genie, nicht nur im religiösen Bereiche, sondern auch in den
profanen Wissenschaften, er war Mathematiker, Astronom und Geograph. In
seiner historischen Abhandlung ''Zemach David'' (Sproß Davids) hielt er
alle Ereignisse im Prager Ghetto fest. Gans ist auch der Verfasser der
astronomischen Schrift ''Nechamat weNaim'' (lieb und angenehm) und
verkehrte mit den bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit, u.a. mit Johann
Kepler und Tycho Brahe. Durch seinen Schüler, David Gans, lernte Rabbi Löw
den großen dänischen Astronomen Tycho BRAHE kennen - den Kaiser Rudolph
II. nebst anderen an seinen Hof geholt hatte - und wurde mit ihm
befreundet.
Und auch noch einen Namen muß ich hier
nennen, nämlich Marek Mordechai ben Samuel MAYZL. Der 1528 im Ghetto
geborene Kaufmannssohn Mayzl war Primas, Finanzier, Bauherr und Mäzen der
Judenstadt, der überdies eine besondere Gabe im Umgang mit Menschen hatte.
Er starb 1601 in Prag.
Die Inschrift auf seinem Grabmal besagt
eigentlich alles über ihn:
''Seine Barmherzigkeit kannte keine
Grenzen, war mit Leib
und Seele wohltätig. Er erbaute ein Heiligtum, einen
Tempel, Bäder und Spitäler, er ließ die Straßen mit
Steinen pflastern, in unserer jüdischen Stadt. Und er
kaufte einen Garten, um dort einen Friedhof anzulegen,
er erbaute ein Versammlungshaus für die Weisen und er
widmete seine Gunst Zehntausenden Gelehrten der Heiligen
Schrift.''
Die 1592 errichtete Synagoge fiel am 21.
Juni 1689 einem Brand zum Opfer.