JUDEN in der ehemaligen Tschechoslowakei
von Chaim FRANK
Mittelalter
200 Jahre später, vor allem nach der Christianisierung
der Slawen war nicht mehr viel übrig vom 'Wohlwollen', wie es
eindringlich aus der Chronik von KOSMAS (1045-1125), einem Prager Dekan
und großen Antijudaisten hervorgeht, der da u.a. schrieb:
''Nirgendwo wird man leichter reich und
kommt zum Ansehen als in der Prager Vorburg, in der Uliza Vysehrad.
Dort leben viele Juden, die Gold und Silber besitzen, (...) dort ist
ein Markt, der deinen Soldaten überreiche Beute bietet.''
Das war nicht nur eine 'versteckte' Aufforderung zur
Plünderung der Werkstätten jüdischer Gold- und Silberschmiede, die sich
um die Burg angesiedelt hatten, sondern hinter diesen Zeilen steckt die
Tatsache, daß es bereits Pogrome gegeben haben dürfte.
Im Jahre 1090, als der Fürst Bretislav erfuhr, daß die
Juden aus seinem Lande fliehen, meinte er vorwurfsvoll:
''Warum flieht ihr mit euren hier erworbenen
Reichtümern? Aus Jerusalem habt ihr doch auch keinen Reichtum
mitgebracht!''
Während der Kreuzzüge, vor allem bei dem ersten im
Jahre 1096, fielen eine große Zahl Prager Juden dem Pogrom zum Opfer.
Andere wurden verfolgt oder mußten sich schlichtweg der Zwangstaufe
unterwerfen. Den folglich fliehenden Juden ließ der Fürst durch seine
Kämmerer und Soldaten ihr letzes Hab-und-Gut rauben. Der bereits
erwähnte Kosmas schrieb voller Spott und Hohn:
''Ach, wieviel Geld an diesem Tag den
schändlich Juden abgenommen wurde! So viel wurd' nicht einmal aus
Trojas Brand zur Küste von Euboias geschleppt!''
Anhand dieser wenigen historischen Belege ist es zu
ersehen, wie schwer es den Juden überall gemacht wurde, vor allem als
sich das Christentum auch in den slawischen Ländern breit machen konnte.
Nach dem Zinsverbot der Kirche wurden die Juden
vorwiegend aus den erzeugenden Berufen, in die Beschäftigung mit Handel
und Geldverleih gedrängt.
Wie auch in Österreich, in Deutschland und später in
Polen, war die rechtliche Stellung der Juden durch Verordnungen und
Privilegien geregelt, die je nach Herrscher, mal günstiger und mal
schlechter ausfielen.
Das älteste, belegbare Privileg stammt aus den Jahren
1174-78 und wurden von Sobeslav II. erlassen und zeichneten sich noch
relativ günstig aus. Eine spätere Rechtsgrundlage bildete das
Privilegium Przemysl von Otakar II. (1253-1278) in den historischen
Ländern, mit dem den Juden weitere beschränkte Bürgerrechte zuerkannt
wurden, sowie jenes (1254) von Andreas III. in der Slowakei.
Otakars Privilegium verbot es sogar, unter Androhung
der Todesstrafe, daß Christen Juden morden. Und, falls ein Christ einen
Juden schlagen sollte, ''muß er dem König vier Pfund Gold und dem Jud'
vier Pfund Silber geben; wenn er's nicht haben sollt', kostet es ihn die
Hand''. ähnlich wurde auch die mutwillige Zerstörung jüdischer Gräber
oder Synagogen geahndet.
Und ferner noch, wer ein jüdisches Kind entführt, um
es vielleicht gegen den Willen der Eltern zu taufen und im christlichen
Glauben zu erziehen, ''soll wie ein gemein Dieb bestraft werden''
Solche Schutzbestimmungen - wie ich es bereits bei
Polen erwähnte -, waren überhaupt die allgemeine Voraussetzungen für die
jüdischer Existenz, denn diese Privilegien waren für ein geordnetes
Leben von größter Bedeutung. Die mächtig gewordene Ecclesia setzte ihren
Kontrahent, die jüdische Religion in den Stand einer 'religio lizita' -
einer nicht ketzerischen Religion -, aber den Juden, dem Träger dieser
'religio lizita', in den Stand einer dem Christen untergeordneten
Menschenschicht.
Diese positiven Judenprivilegien - auch das sagte ich
Ihnen schon - haben ihren Ursprung in früheren, sehr günstigen
österreichischen Privilegien, die zur Zeit der Hohenstaufer erlassen
wurden. Auch hier, bei Otakars und auch bei Wenzel II.
(1278-1305) Privilegien wurde die Blutbeschuldigungen
ausdrücklich als unwahr und verleumderisch verboten, die - wie gesagt -
selbst vom Papst INOCCENT IV., in seiner Breve festgeschrieben worden
war. Und Papst Inoccent verbot ferner noch, im Jahre 1252, daß man die
Juden nicht zur Taufe zwingen dürfe, daß man sie nicht ohne einer
ordentlichen Gerichtsverhandlung zwingen dürfe und daß man nicht ihre
G'Tesdienste stören und auch nicht die jüdischen Friedhöfe schänden
dürfe. Diese Anordnungen wurden über eine gewisse Zeit hinweg auch von
den Fürsten und Königen befolgt.
Erst mit König Johann von Luxemburg (1310-46) brach
für die Juden wieder eine unglückliche Zeit herein, denn - wie es die
Chronisten zu berichten wissen - er ließ 1336 jüdische Einrichtungen
plündern ''wo man glücklich an tausend Pfund Edelmetalle fand'' und die
Juden seines Landes einsperren. Nachdem sie eine größere Summe Lösegeld
zu zahlen hatten, ließ er sie wieder frei.
Nach zahlreichen erneuten Verfolgungen zeichnete sich
erst unter Karl IV. (1347-1378) für die Juden wieder eine günstigere
Zeit ab. Zwar machte er die Juden zu ''Servi Camerae'' zu Bediensteten
der Kammer und sich ihnen gegenüber Eigentumsrechte zusichere, doch
legitimierte er ihnen andrerseits wiederum gewissen Schutz.
Doch die Kirche zwang schließlich auch Karl IV. zu
einer Anordnung, daß Juden in der Öffentlichkeit den diskriminierend
hohen Judenhut zu tragen haben.
Auch Wenzel IV. war den Juden gewogen, ja er
erweiterte im Jahre 1393 die alten, einst noch von Otakar II. 1254
erlassenen Privilegien, und bestätigte schließlich 1410 durch eine
Extra-Verordnung der jüdischen Gemeinde in der Prager Neustadt den
jüdischen Friedhof, sowie die angrenzenden Bauten.
Die größte Tragödie, die bisher auf die böhmischen
Juden niederprasselte, war der Pogrom zu Prag während der Ostertage des
Jahres 1389. Den Vorwand zu dieser Abscheulichkeit bildete ein Gerücht,
daß ein Priester, der das Ghetto passierte, angeblich von den Juden
ausgelacht und sogar gesteinigt worden sein sollte. Ein hysterisch
aufgebrachter Mob drang in das Ghetto ein, zerstörte zahlreiche jüdische
Häuser und brannte diese nieder; - und schlimmer noch, bei diesem Morden
und Schänden kamen 3.ooo Juden zu Tode!
Zur Zeit des Pogroms weilte König Wenzel IV nicht in
Prag. Nach seiner Rückkehr versuchte dieser zwar den Schaden für die
Überlebenden gewissermaßen zu lindern - durch eine hohe Geldstrafe für
die Übeltäter, die er den Geschädigten zugute kommen ließ - doch konnte
er es nicht verhindern, daß die jüdischen Waisenkinder, die bei
christlichen Familien untergebracht waren, von diesen sofort
zwangsgetauft wurden.
Davon abgesehen, streifte der König den größten Teil
der Geldstrafe und fast alle geraubten Gegenstände - die im Rathaus
abzuliefern waren - selber ein. Dieser, für die damalige Zeit überaus
brutale Pogrom wird in vielen historischen Abhandlungen berichtet, u.a.
in Aenea Silvio Piccolominis (? - 1464) ''Historia Bohemica'', oder in
der Böhmischen Chronik des Vaclav Hajek (? - 1553) aus Libocany.
Vor allem aber sei die Elegie (Selicha) des Avigdor
KARA (?-1439) zu erwähnen, die immer noch alljährlich während des
G'Tesdienstes am Jom Kippur, in der Altneu-Schul, gelesen wird.
Kara, dessen Vater, Jizchak Kara, ein anerkannter
Rabbiner war, erlebte als Kind die Ermordung seiner Eltern während des
Pogroms. Kara selbst wurde später gleichfalls Rabbiner, war Arzt und
Mitglied des Prager Beth-Din. Sein Grab befindet sich auf dem alten
jüdischen Friedhof - es ist übrigens das älteste Grabmal hier -, auf dem
zu lesen steht: daß er ''ein Mann war, der Verständnis für das liebliche
Lied hatte, der vielen die Kenntnis der Tora lehrte und in der
Wissenschaft und in allen Büchern der Weisheit bewandert war''.
Die hussitische Periode, 1419-36, und ihre
nachfolgende Zeit war auch für Juden durch soziale, politische und
religiöse Kämpfe gekennzeichnet. Wobei die Juden weniger etwas von den
Hussiten, als mehr von den Katholiken zu befürchten hatten. Bei
Vertreibung und Verfolgung, war es der böhmische und mährische Adel, der
die jüdischen Kaufleute und Geldwechsler für seine Wirtschaft benötigte
und deshalb auf seinen Gütern den Juden Zuflucht und Schutz gewährte.
Nach all den Wirrnissen, wo 1470 Wladislav (1456-1516)
feierlich in Prag ein und übernahm 1471, als König, die Herrschaft über
Böhmen. Und schon unter Georg Podiebrad (1420-71) und den Jagellonen,
die von 1471 bis 1526, Böhmen regierten, erschienen erneut antijüdische
Gesetze, die das jüdische Gemeindeleben aber auch den ökonomischen
Bereich der Juden stark untergruben. König Wladislav, der sich 1501 den
Juden annahm, ließ sich seinen Schutz jährlich mit 500 Pfund Silber
bezahlen. Ein Jahr später, 1502, forderten Bürgervertreter ihre
Ratsherren auf, sich für die Vertreibung der Juden, vor allem aus Prag,
einzusetzen. Es kam zu einer Art ''Wettstreit'' zwischen dem König und
den Bürgern, der mit einem Kompromiß endete: Die Juden sollten alle
bezahlen. Mit dem Edikt von Olmütz, vom Jahre 1510, bekräftigte der
König die alten Vorrechte der jüdischen Gemeinden und lehnte damit den
Antrag seiner Ratsherren (die Vertreibung) ab.
Eine neue Hoffnung regte sich bei der jüdischen
Bevölkerung, als 1522 ein neuer Jagellone als König in Prag einzog,
Ludwig Jagiello. Doch seine vierjährige Regentschaft war nicht
wesentlich günstiger, als die der vorangegangenen polnischen Könige.
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