Vergangenheit -
Gegenwart
Jugendliche Laienpredigerin
Iris Weiss
Zu meinen eindrücklichsten
Begegnungen während Bet Debora gehörte das Treffen mit Hanna Hochmann, die
aus Petach Tikwa angereist war. Mir imponierte ihre Energie, ihre Frische
und ihr Humor.
Während des "Historischen
Gesprächskreises" erzählte sie, daß ihre Familie die jüdische Tradition in
ihrer liberalen Ausprägung sehr ernst genommen hat. Hannas Vater gehörte
lange Zeit dem Vorstand der Liberalen Synagoge Norden an. Für ihre Bat Mizwa
bereitete sie eine Rede vor, in der sie ausführlich auf Rabbi Hillels Satz
einging: "Wenn ich nicht für mich bin, wer ist dann für mich? Wenn ich nur
für mich bin, wer bin ich? Wenn nicht jetzt – wann dann?" Dieser Satz habe
sie ihr ganzes Leben lang begleitet.
Anfang der 30er Jahre hielt Hanna
Hochmann einen Jugendgottesdienst in der Liberalen Synagoge Norden. Sie
versuchte ihn so lebendig wie möglich zu gestalten. Deshalb las sie eine
chassidische Geschichte von Martin Buber vor.
Noch in Berlin hatte sie eine
Ausbildung als Erzieherin am Jugendleiterinnenseminar gemacht. Zunehmend
wurden Jüdinnen und Juden vom NS-Regime ausgegrenzt. Hanna begegnete vielen
Kindern und Jugendlichen, die der jüdischen Tradition entfremdet waren, aber
von außen immer stärker auf ihr Jüdischsein verwiesen wurden. Sie hatte den
tiefen Wunsch, diesen Kindern und Jugendlichen in ihrer schwierigen
Situation zu helfen, und versuchte, ihnen Wege aufzuzeigen, durch die sie
ein positives Verhältnis zu ihrer jüdischen Identität finden konnten. Dabei
ging es Hanna Hochmann, wie sie erzählte, vor allem darum, die Inhalte der
jüdischen Tradition zu vermitteln. Sie initiierte Jugendgottesdienste, die
in altersgemäßer Form auf vielfältige Weise auf die Situation der Kinder und
Jugendlichen eingingen.
Kurze Zeit später flüchtete sie vor
den Nazis nach Palästina und wurde Mitglied eines Kibbuz. Auch nach ihrer
Auswanderung spielten Kinder und Jugendliche eine zentrale Rolle in Hanna
Hochmanns Leben. Zur Tagung hatte sie ein Poster mit vielen Fotos
mitgebracht. Dieses spiegelte nicht nur ihre langjährige Arbeit sondern auch
die Entwicklung des Staates Israel wider. Hanna Hochmann hatte den ihr
anvertrauten Kindern und deren Eltern viele kreative Zugänge ermöglicht.
Dabei war es für sie eher eine Herausforderung als ein Problem, wenn es nur
geringe finanzielle Mittel gab.
Eines der wenigen Bücher, das sie bei
der Auswanderung nach Palästina mitnehmen konnte und zu Bet Debora
mitbrachte, war ein von der Synagoge Norden herausgegebenes liberales
Gebetbuch. In Palästina und später Israel war jedoch die Religion für sie in
den Hintergrund gerückt. Ihr Engagement für das Judentum galt jetzt dem
Aufbau des Landes. Während Bet Debora äußerte sie sich kritisch über die
Tagung. Sie sagte, daß die liberalen Juden Berlins "fortschrittlich" gewesen
seien, Reform und Erneuerung wollten. Dagegen empfände sie die Religiosität
der jetzigen jüngeren Generation als "rückschrittlich" und "folkloristisch".
Iris Weiss, geboren
1958 in München, lebt seit 1991 in Berlin. Sie ist Stadtforscherin, macht
Stadtrundgänge zu jüdischem Leben in Berlin und betreut die Bet Debora
Homepage im größten deutschsprachigen jüdischen Onlinedienst "HaGalil" (http://www.hagalil.com/bet-debora).
[INHALTSVERZEICHNIS
BET-DEBORA JOURNAL]
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