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Neue Auslegungen

Frauen legen die Heiligen Schriften oftmals anders aus als Männer. Während Bet Debora fand vor allem ein von Eveline Goodman-Thau selbst verfaßter und von ihr vorgetragener Midrasch großen Anklang. In einigen Workshops und Schiurim zeigte sich, daß Frauen neue Fragen an die Tora stellen, eigene Schwerpunkte legen und dabei auch Tabus aufgreifen. Judith Frishman zeichnete in ihrem Vortrag Möglichkeiten einer feministischen Perspektive auf, die im Einklang mit einer "brauchbaren Vergangenheit" stehen.

Eine Atheistin bei Bet Debora

Rodika Mandel ist Studienrätin in Berlin. Rachel Herweg stellte Fragen zur persönlichen Bedeutung von Bet Debora.

Was hat Bet Debora bei Dir angestoßen und weiterbewegt?

Ich habe die 50 gerade überschritten und vieles erlebt und ausprobiert. Immer ging es mir um eine humanere Welt, um mehr Menschlichkeit zwischen den Menschen. Vielleicht gar nicht aus hehren Zielen, sondern aus reiner Betroffenheit. Obwohl nach dem Krieg geboren, hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, der Gnade der späten Geburt. Natürlich habe ich das Glück, den Krieg nicht erlebt zu haben, aber ich fühlte eine Schuld jedem gegenüber, dem ich nicht bis ins Tiefste meines Ideals gerecht werden konnte. Warum ich? Warum fühlte ich mich schuldig, obwohl ich keine Menschen zu Zwangsarbeitern gemacht, sie ausgepreßt und mich bereichert, dann sie 50 Jahre vergessen und schließlich mit verhöhnenden Bemerkungen billig abgespeist habe?!

Warum bin ich mit zehn Jahren aus meiner Kindheit aufgeschreckt worden? Weshalb mußten meine Eltern Rumänien verlassen, meine Heimat, wo es so heimelig war, wo die Bekannten und Verwandten ungarisch, rumänisch, jiddisch sprachen und alle miteinander auskamen? In Israel, dem Land unserer Sehnsucht angekommen, gab es keine Arbeit, also mußten meine Eltern weiter wandern. Drei Briefe haben sie verschickt, Hilferufe, wir suchen eine Bleibe, wo es Arbeit gibt. Nach Kanada, Amerika, Deutschland. Und aus dem Weltwirtschaftswunderland Bayern kam endlich eine Antwort. Dort gäbe es Arbeit. Und so sind wir nach Deutschland gekommen. Für mich als Kind lange ein Rätsel. Nach Zwangsarbeit, Verlust von Familie und Kindern, Ghetto in Budapest, warum nach Deutschland? – Nun lernte ich nach Hebräisch und Französisch - meine Eltern hatten mich zwischenzeitlich in ein französisches Internat gesteckt – die deutsche Sprache.

Viele Warums plagen mich. Doch dieses Geplagtsein hat für mich – so sehe ich das inzwischen – einen Vorteil: Ich bin immer auf der Suche nach Erklärungen, nach politischen und nach psychologischen Erklärungen, gibt es noch mehr?

Eine religiöse Freundin hat mir von Bet Deborah erzählt, also bin ich hingegangen zum Schauen und Hören. Und was mich am meisten beeindruckt hat, war ein Midrasch über Miriam, die Schwester von Moses. Evelyn Goodmann Thau hat diesen Midrasch geschrieben und vorgetragen. Sie selbst ist in die Gestalt von Miriam geschlüpft und hat als diese einen Brief an ihren Bruder Moses verfaßt. Das hat mir die Tora als Fundgrube eröffnet, zwar nicht in dem Sinne, daß ich Antworten für meine Warums erhalten habe, sondern als Zeichen dafür, daß ich hierher gehöre, wo sie vor 5000 Jahren dieselben Fragen hatten wie ich!

Dieser Eindruck von Heimat war auch stark, als ich in Susanna Kevals Workshop über die Folgen der Traumatisierung für die 2. Generation saß. Alle hatten spannende Geschichten zu erzählen, ähnlich meiner. Daraus hat sich dann eine Arbeitsgruppe entwickelt. Wir haben uns noch einige Monate später getroffen und uns gemeinsam am Gefühl der Zusammengehörigkeit und an der Spannung unserer Geschichten gewärmt.

Für mich persönlich setzten sich dann diese Erlebnisse in der Hermann-Cohen-Akademie fort, einer Stätte, die ich als Ort der Ehrung der Landjuden und Wiedereinführung des Jüdischen im Odenwald empfinde. Eveline Goodmann-Thau war es gelungen, diese Akademie in Anschluß an Bet Debora und die dort geäußerten Wünsche zum Weitermachen, aus dem Nichts entstehen zu lassen und so saß ich wieder "mittendrin" und studierte meine Wurzeln und kam dazu, jetzt selbst eine Geschichte über Miriam zu schreiben – über Miriam in der Wüste, nachdem sie von Gott mit Aussatz bestraft worden war:

Brief von Mirjam an den lieben Gott! – (Ein Midrasch von Rodika Mandel)

Lieber Gott, Du hast mich aus Ägypten, aus der Knechtschaft befreit, aber warum? Die Probleme sind nicht weniger, sondern nur anders geworden! Die ganzen Mühen der Entscheidungen müssen wir jetzt selbst tragen. Die Schwierigkeiten zu entscheiden, wann es angebracht ist, die Freiheit zu nutzen und wann es nötig ist, sich unterzuordnen in die vorgegebene Welt?

Es war so anstrengend - der Weg durch die Wüste. Man wußte nie, wie lange es noch dauern würde. Wann ist man endlich durch sie hindurch? Und wie schwer ist es, Vertrauen zu haben, wenn man in der Knechtschaft geboren wurde und den Aussatz hatte!

Lieber Gott, gib mir Vertrauen für diese Welt.

[INHALTSVERZEICHNIS BET-DEBORA JOURNAL]

[photo-exhibition] - [program] - [reactions]
[history of women in the rabbinate] - [women on the bima]
[start in german] - [start in english]

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