Vergangenheit -
Gegenwart
Keine Generation fängt von Neuem an. Jede hatte Vorgängerinnen, auf deren
Leistungen sie aufbaut. Deshalb wurden zu Bet Debora drei Ehrengäste zu
einem "Historischen Gesprächskreis" eingeladen - drei Frauen, die am
religiösen jüdischen Leben Berlins in den 20er und 30er Jahre aktiv
teilgenommen hatten: Shoshana Ronen (geb. Elbogen) und Ilse Perman (geb.
Selier) studierten an der "Hochschule für die Wissenschaft des Judentums";
Hanna Hochmann leitete in der Liberalen Synagoge Norden einen
Jugendgottesdienst.
Gemeindeaktivistinnen
Lara Dämmig
Unsere Tagungsstätte, die Neue
Synagoge, war nicht nur ein Ort des Gebets. Unter ihrer goldenen Kuppel
tagte die Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, hier
wurden die Richtlinien der Gemeindepolitik festgelegt - von Männern. Erst
1926, acht Jahre nach der Einführung des allgemeinen Frauenwahlrechts in
Deutschland, wurde in der Berliner Gemeinde den Frauen das aktive und
passive Wahlrecht gewährt.
Eine der ersten Frauen, die der
Repräsentantenversammlung angehörten, war Bertha Falkenberg (1876-1946). In
den Sitzungsprotokollen dieses Gremiums sind nur selten Wortmeldungen von
ihr und ihren Kolleginnen verzeichnet, sind selten Hinweise auf ihre Arbeit
zu finden. Hatten sie nichts zu sagen? Waren ihre Aktivitäten unbedeutend?
Wohl kaum, denn Bertha Falkenberg wurde bei den nächsten Gemeindewahlen im
Jahre 1930 sogar als eine der Spitzenkandidaten ihrer Partei aufgestellt. Am
Ende ihrer ersten Amtszeit äußerte sie ihre Enttäuschung über die Arbeit
ihrer männlichen Kollegen: sie hätten die Beratungen eher als Austragungsort
für parteipolitische Debatten genutzt: "Was sie unter Gemeindearbeit
verstanden hatten, war verschoben, verzerrt und auf den Kopf gestellt." Sie
lehnte es ab, sich an deren "Redetournieren" zu beteiligen und forderte, daß
die Aufgaben der Gemeinde wieder in den Mittelpunkt rücken sollten.
Sowohl als gewählte Vertreterin der
Gemeinde als auch als Vorsitzende des Berliner Stadtverbandes des Jüdischen
Frauenbundes leistete sie wichtige Aufbauarbeit auf dem Gebiet der
Wohlfahrtspflege und der Erziehung und Bildung, die sie als die ureigensten
Arbeitsfelder der Frau ansah. Wie sie haben Tausende Berliner jüdische
Frauen, sei es innerhalb der mehr als zwanzig jüdischen Frauenvereine oder
anderer jüdischer Organisationen, mit Energie und Leidenschaft Waisenheime
geleitet, Beratungsstellen eingerichtet, Kranke versorgt, Kurse für
erwerbslose Jugendliche organisiert... Die meisten von ihnen waren
Hausfrauen, die ehrenamtlich arbeiteten, kompetent und professionell. Jedoch
fand ihr Engagement wenig Beachtung, geschweige denn Ehrung. "Immer noch
steht die Frauenarbeit abseits, immer noch sind Frauen als Helferinnen
offiziell nicht anerkannt", beklagte sich Ernestine Eschelbacher
(1858-1931), Vorsitzende eines der größten deutschen jüdischen
Frauenvereine, des Schwesternverbandes der Bne-Brit-Logen. Auch sie gehörte
der Repäsentantenversammlung an. Jahrelang kämpfte sie um Anerkennung der
Arbeit des Schwesternverbandes, des Zusammenschlusses der Ehefrauen der
Logenbrüder. Trotz der Leistungen, die diese Frauen vollbrachten, blieb
ihnen die Mitgliedschaft in den Logen verwehrt.
Dennoch: Ernestine Eschelbacher,
Bertha Falkenberg und ihre Mitstreiterinnen hatten sich mit ihrer Arbeit
einen wichtigen Platz innerhalb der jüdischen Gemeinschaft erkämpft und
Frauenpositionen in die Gemeindearbeit eingebracht.
Lily Montagu (1874-1963), die
Begründerin der jüdisch-liberalen Bewegung in England, hatte als erste Frau
in Deutschland 1928 von einer Berliner Synagogenkanzel gepredigt. Sie war
von den Leistungen der jüdischen Frauen sehr beeindruckt: "In keinem anderen
Land der Welt haben Frauen mehr erreicht als gerade in Deutschland,
namentlich auf dem Gebiete des Studiums und der sozialen Arbeit. Warum soll
diese hochentwickelte Frauenschaft nicht auch mitwirken an der Förderung des
Lebens in den Synagogen? ... Es ist höchste Zeit, daß die Frauen von den
Galerien der Synagogen heruntersteigen und in das Leben der Synagogen selbst
eingreifen." Diese Aufforderung hat jedoch erst die nächste Generation
aufgegriffen. Drei Frauen dieser Generation kamen zu Bet Debora.
Lara Dämmig, geboren 1964, studierte
Bibliothekswissenschaft und gab eine bibliothekarische Fachzeitschrift
heraus. Schon zu DDR-Zeiten war sie engagiertes Mitglied der Jüdischen
Gemeinde Ostberlins. Nach der politischen Wende trug sie wesentlich zum
Aufbau einer Rosch-Chodesch-Gruppe und eines egalitären Minjans bei. Sie
arbeitet am Lauder Jüdisches Lehrhaus, forscht über jüdisches Frauenleben in
Berlin und ist Mitinitiatorin von "Bet Debora". Veröffentlichungen u.a.:
"Bertha Falkenberg – Eine Spurensuche" (in: "Leben mit der Erinnerung",
Berlin 1996)
[INHALTSVERZEICHNIS
BET-DEBORA JOURNAL]
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rabbinate] - [women on the bima]
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