An der Beziehung arbeiten

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US-Präsident Barack Obama hat bei seinem Umgang mit Israel zwei schwere Fehler begangen: Er hat das Vertrauen der israelischen Öffentlichkeit verloren, und er hat das Vertrauen des israelischen Ministerpräsidenten verloren…

Von Ari Shavit, Haaretz v. 23.07.09

Trotz ihres vorherigen Misstrauens hat die Mehrheit der Israels begeistert auf den Amtsantritt Obamas im Weißen Haus reagiert. Trotz gewisser Befürchtungen war der israelische Ministerpräsident bezaubert von dem jungen Senator aus Illinois und von seinem kometenhaften Aufstieg. Hätte Obama Israel und Netanyahu umarmt, hätte er das erreicht, was Anwar Sadat, Bill Clinton und König Hussein erreicht haben. Er hätte die Rechte zum Schmelzen gebracht, die Mitte erobert und Israel nach links gerückt. Ein israelophiler Obama, der wirklich der Sicherheit Israels verpflichtet wäre, hätte es in Israel leicht zum König bringen können.

Aus unerfindlichem Grund hat Obama allerdings beschlossen, den entgegengesetzten Weg zu beschreiten. Sein Treffen mit Netanyahu im Oval Office war ein Hinterhalt. Ohne ihn vorzubereiten, zu warnen oder abzuschrecken, legte Obama ihm ein Ultimatum vor. Statt sich wie ein guter Freund oder ein guter Pädagoge zu verhalten, verhielt er sich wie ein böser Polizist. So wurde Netanyahu vom einen auf den anderen Moment von einem Verehrer zu einem Misstrauischen. Und Obama beließ es nicht dabei. Kurze Zeit nach der Auseinandersetzung in Washington schüttelte er die vorherigen Verpflichtungen Washingtons in der Angelegenheit der Sieldungsblöcke ab. Barack Hussein Obama hat sowohl den Brief von George W. Bush als auch das politische Testament William Jefferson Clintons in den Papierkorb geworfen. Dadurch lehrte er die Israelis eine Lektion, die nicht so schnell vergessen werden wird: Das Wort eines US-Präsidenten ist nicht viel wert. Ein Versprechen vor einem Rückzug ist nur ein Versprechen.

Obama steht Israel nicht feindlich gegenüber. Im Gegenteil. Aber sein verfehltes Verhalten hat dazu geführt, dass er die Bereitschaft der israelischen Öffentlichkeit zur Unterstützung des nächsten großen Rückzugs gelähmt hat. Mit seinen Taten und Versäumnissen hat Obama bewirkt, dass nur wenige Israelis ihn heute als wahren Freund betrachten.

Binyamin Netanyahu hat bei seinem Umgang mit den USA zwei schwere Fehler begangen: Er hat die Initiative nicht selbst in die Hand genommen und sich nicht darum bemüht sich zu erklären. Der Netanyahu des Jahres 2009 ist in der Tat ein anderer Netanyahu. Er hat sich mit der Teilung des Landes abgefunden und bewegt sich auf die Gründung eines palästinensischen Staates zu. Dennoch ist Netanyahus Paradigma nicht das Paradigma der 90er Jahre. Nachdem er das Scheitern von Camp David und Annapolis beobachtet hat, glaubt er nicht, dass ein wirklicher Frieden in schnellen Verhandlungen erreicht werden kann. Daher möchte er einen politischen Prozess anderer Natur beginnen: den palästinensischen Staat von unten nach oben aufbauen; mit den Jordaniern, den Golfstaaten und Salam Fayad zusammenarbeiten; das Westjordanland nicht zu einem Hamastan verhandeln, sondern zu einem Dubai.

In den letzten zwölf Monaten, insbesondere seit Netanyahu Ministerpräsident ist, hat sich im Westjordanland eine stille Revolution vollzogen. Die Zahl der Kontrollpunkte ist von 40 auf 14 zurückgegangen. Die Wachstumsrate ist dramatisch gestiegen und steht derzeit bei 7% im Jahr. Die palästinensischen Sicherheitskräfte erstarken, und so auch das palästinensische Unternehmertum und die politische Mäßigung. Insofern beweist sich Netanyahus Ansatz von selbst. Nach einem Jahrzehnt der Verzweiflung zeigen sich in der palästinensischen Gesellschaft erste Knospen der Hoffnung.

Allerdings ist es dem israelischen Ministerpräsidenten nicht gelungen, seinem Erfolg zum Durchbruch zu verhelfen. Er hat seinen pragmatischen Ansatz nicht in einen umfassenden politischen Plan verwandelt. Sein großer Fehler bestand darin, dass er im Oval Office keine alternative Vision präsentiert hat, die das Herz des US-Präsidenten hätte gewinnen können. So beharrt Obama auf seiner Position: Er versucht, veraltete Ideen, die über 15 Jahre wieder und wieder gescheitert sind, voranzubringen. Und so beharrt Netanyahu auf seiner Position: Hartnäckig und frustriert wird er abermals als Zurückweiser des Friedens empfunden.

Es ist bereits Ende Juli. Sollte der Streit in der Siedlungsfrage nicht bald beigelegt werden, werden sich Israel und die USA in eine überflüssige Auseinandersetzung verstricken. Wenn die Vereinigten Staaten einen von der Realität abgekoppelten politischen Weg einschlagen, wird eine günstige Gelegnehit verpasst werden. Daher müssen Obama und Netanyahu miteinander in direkter und intimer Art und Weise ins Gespräch kommen. Vielleicht sollten sie sogar die Sommerferien nutzen, um ein ehrliches, tief greifendes und versöhnliches Treffen abzuhalten. Letztendlich sind Obama und Netanyhau ein Gespann, ohne das im Nahen Osten nichts Gutes geschehen wird. Ihre Beziehung ist unser aller Zukunft.

2 Kommentare

  1. Sie kritisieren Barack Obamas Bemühungen um die Beziehungen zu Iran, als ob Sie die Hintergründe nicht verstünden. In Kürze: Obama versucht, den Iran mit diplomatischen Mitteln von der Fortsetzung seines Kernwaffenprogramms abzubringen. Sollte dies nicht gelingen, so würde Israel sicherlich wie bereits in der Vergangenheit im Irak und in Syrien Militärschläge gegen die Einrichtungen unternehmen – ein Krieg wäre quasi vorprogrammiert, wie es ihn auch im Nahen Osten schon lange nicht mehr gegeben hat.

    Nun trägt also Obama dem Herrn Netanjahu nicht den Hintern nach – bitte verzeihen Sie die Wortwahl – und erdreistet sich tatsächlich auch noch, sich zunächst um für die USA dringlichere Probleme als die Siedlungspolitik Israels kümmern zu wollen. Das ist natürlich schlimm.

  2. Meine Güte, einen so realitätsfernen Beitrag habe ich nicht erwartet, weder auf HaGalil noch von HaAretz. Obama hätte seine Sache wohl wirklich besser machen können, vergleicht man seine Bemühungen um die israelische öffentliche Meinung mit denen um die arabische und die iranische, dann wird man sich zurecht verdutzt fragen müssen, wer denn hier mit wem verbündet ist. Aber man muss auch einräumen, dass er bereits bei seinem Amtsantritt in Israel schon als Feind Israels, Agent des Weltislamismus und was auch immer verschrien war. Als er dann von der carte blanche der Bush-Ära nichts mehr wissen wollte, sondern von Israel erwartete, sich an die für alle geltenden Regeln zu halten, war er eindeutig zum Antisemiten avanciert. Die acht Jahre der Bush-Regierung haben den Israelis jeden Bezug zur Realität abgewöhnt. In jener Zeit wurde es üblich, jeden, der nicht 100%-ig hinter jeglicher Politik Israels steht, als Feind Israels und auch automatisch als Antisemiten anzusehen. Diese Haltung hält bis heute an, auch wenn sie sich im Lichte der neuen weltpolitischen Konstellation wird verändern müssen. Und gerechtigkeitshalber muss man auch sagen, dass Netanyahu und Liberman es doch tatsächlich vollbracht haben, die Beziehungen zu fast allen Verbündeten zu verschlechtern und sie aufs Spiel zu setzen, und das in einer Rekordzeit von einer knappen Jahreshälfte. Für diese Leistung gebührt ihnen Respekt, denn vor ihnen hat das noch nie jemand geschafft. Insofern muss man die Aussage des Artikel mindestens dahingehend relativieren, dass die Anspannung der amerikanisch-israelischen Beziehungen zumindest eine gemeinsame Leistung der amerikanischen und der israelischen Spitzen ist.
    Außerdem hat Herr Schavit komische Zahlen zu den Kontrollpunkten vorliegen. Ihre Zahl soll von 40 auf 14 zurückgegangen sein, obwohl noch vor etwas mehr als einem Monat in HaAretz die Rede von über 600 Straßenhindernissen die Rede war (um ca. 20 mehr als im Vorjahr)(http://www.haaretz.com/hasen/spages/1093690.html), was die Zahl der Kontrollpunkte im Endeffekt als nicht so wichtig erscheinen lässt. Wenn man aber nach der Zahl der Kontrollpunkte selbst sucht, dann stößt man auf die Zahl von 93 derzeit aktiven Kontrollpunkten(http://www.ochaopt.org/documents/ocha_opt_movement_and_access_2009_05_25_english.pdf). Das sieht nicht nach einem spürbaren Rückgang aus (v.a. wenn man diese Zahl ins Verhältnis zur Größe des Gebiets setzt). Die Wachstumsrate in der Westbank war schon vor einem Jahr eine der höchsten der Region, das hat mit Netanyahu rein gar nichts zu tun, wenn überhaupt dann mit Olmert, Livni und der PA. Was die neue Regierung aber geschafft hat, ist die Siedlerbewegung als den Kern und das Herz des Zionismus zu propagieren, im In- wie im Ausland (womit Liberman übrigens seine Wähler schlicht und einfach verraten hat). Muss man sich nun wundern, dass die Zustimmung zu Israel in den USA seit Anfang des Jahres dramatisch gesunken ist und dass Israel in der Welt immer mehr als gleichwertig mit seinen Nachbarn angesehen wird? Die ganze Hasbara der letzten Jahre, die beim letzten Krieg in Gaza endlich ihre ersten Früchte gezeigt hat, ist jetzt annulliert und man kann wieder von vorne anfangen. In dem halben Jahr an der Macht hat der neue Ministerpräsident leider nichts vollbracht, wofür man ihn respektieren müsste. Er ist ein besserer Redner als Politiker.

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