Israels Drusen fühlen sich verraten

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Die 137.000 Drusen in Israel konstituieren die loyalste Minderheit im jüdischen Staat. Die Rekrutierung der Drusen für die Armee liegt mit 85% weit über dem Durchschnitt. Überproportional viele Drusen dienen in den Eliteeinheiten der israelischen Streitkräfte. Das neue Nationalstaatsgesetz stößt ihnen besonders übel auf, breiter Protest formiert sich. Im Laufe der Woche erklärten Dutzende drusische Soldaten und Reservisten ihre Absicht, aus der Armee auszuscheiden…

Von Oliver Vrankovic

Lorena Khateeb ist 21 Jahre alt, israelische Drusin und studiert Politikwissenschaft, Soziologie und Anthropologie an der Universität Haifa. Lorena ist in Samia, einem Dorf in Galiläa, geboren und aufgewachsen; einem Dorf, in dem hauptsächlich Drusen leben, aber auch Muslime und Christen. Lorena hat drei Schwestern und einen Bruder, der in der israelischen Armee als Berufssoldat dient. Lorena selbst hat ein Jahr Nationaldienst (vergleichbar mit dem Zivildienst in Deutschland) bei einer drusischen Jugendbewegung absolviert. Ihr Vater wurde vor einigen Monaten pensioniert, nachdem er 37 Jahre lang im Vollzugsdienst gedient und den höchsten Offiziersrang erreicht hatte. 

Die Drusen sind eine monotheistische Religionsgemeinschaft, die sich im 11. Jahrhundert vom Islam abgespalten hat. Da sie in Ägypten verfolgt wurden, siedelten sich die Drusen im Südlibanon an, von wo viele weiter in die Chouf – Berge gezogen sind, einen Ausläufer des Libanongebirges. Die Drusen praktizieren eine Geheimreligion, über die kaum etwas bekannt ist. In Palästina verbündeten sich die Drusen noch vor der Gründung des Staates Israel mit den Juden. 1956 wurde dieser Bund in einem Abkommen zwischen Scheich Amin Tarif und der israelischen Regierung besiegelt. In dem Abkommen wurde geregelt, dass sich alle männlichen Drusen mit Ausnahme der Geistlichen für die israelischen Streitkräfte rekrutieren. Auf der anderen Seite erkannte Israel als erstes Land überhaupt den drusischen Glauben als eigenständige Religion an. Die Drusen wurden zum untrennbaren Teil der israelischen Gesellschaft.

Lorena engagiert sich seit ihrer Jugend bei UNICEF und in zahlreichen Projekten wie “Latet“ (Geben), dass sich um sozial Schwache kümmert, oder dem Mentorenprogramm „Perach“ (Blume). Heute arbeitet sie mit Menschen mit Autismus und ist in der „Hasbara“ aktiv, in der Öffentlichkeitsarbeit für Israel und seine Politik.

Lorena bezeichnet sich als drusisch, arabisch und israelisch, und als traditionsverbundene Frau, die ihre Religion achtet und gleichzeitig ihre Community “in einer respektvollen Art” verändern möchte. Dazu gehört für die junge Drusin das Eintreten für Frauenrechte und im Besonderen für eine angemessene Vertretung von Frauen in Gremien. Lorena ist in einem feministischen Projekt tätig, das die Stimmen der Frauen in der drusischen Gemeinde hörbar macht. Lorena ist sich sicher, dass die Redefreiheit in Israel ihr überhaupt erst ermöglicht hat, sich wirkungsvoll für Frauenrechte in ihrer Community einzusetzen.

Lorena hat jüdische, christliche, muslimische und beduinische Freunde. Beim Projekt “Netzbotschafter” traf Lorena Khateeb auf den IDF Reservisten und „Stand With Us“ – Aktivisten Muhammad Ka’abiye. Der israelische Beduine brachte Lorena in Kontakt mit den „Reservists on Duty“. Ziel der NGO ist die Bekämpfung neuer Formen von Antisemitismus und BDS an amerikanischen und europäischen Universitäten. Lorena ist Teil von Delegationen nicht-jüdischer Israelis, die über ihr Leben als Angehörige von Minderheiten in Israel erzählen.

Nicht-Jüdisch und Pro-Israelisch zu sein stellt für sie absolut keinen Widerspruch dar. Die israelische Nationalhymne und die israelische Fahne gelten ihr als Symbole der Freiheit, auf die sie stolz ist. “Ich habe eine Nachricht für diejenigen, die glauben, dass Minderheiten in Israel nicht das Recht haben zu tun, was sie möchten. Diese Menschen benutzen uns, um mit falschen Anschuldigungen und verlogenen Geschichten gegen Israel zu hetzen.“ Lorena bedeutet ihr Engagement für die „Reservists on Duty“ sehr viel. Sie ist es leid zu sehen, wie Angehörige israelischer Minderheiten, im Besonderen Frauen, instrumentalisiert werden, um Lügen über den Staat Israel zu verbreiten. Israel, so betont sie, ist eine Demokratie und ein Rechtsstaat, der Gleichbehandlung und Religionsfreiheit garantiert. Von Seiten der israelischen Mehrheitsgesellschaft fühlt sich Lorena voll und ganz respektiert. „Israel ist meine Heimat“, so Lorena, die der Meinung ist, dass sie als Nicht-Jüdin einen großen Beitrag zur Bekämpfung des medial vermittelten Zerrbildes ihrer Heimat liefern kann.

Im Gegensatz zu den israelischen Drusen sehen die Drusen auf den Golanhöhen Israel nicht als ihre Heimat an, behalten zum großen Teil ihre syrische Staatsbürgerschaft und sind vielfach nicht einmal bereit, einen israelischen Personalausweis anzunehmen. Die mehrheitliche Ablehnung der israelischen Souveränität auf dem Golan hat weniger mit Politik zu tun als mehr mit dem Gebot der Loyalität im drusischen Glauben, erklärt Lorena. Außerdem, so erklärt sie, würden viele Drusen auf dem Golan die Aufgabe der syrischen Staatsbürgerschaft als Verrat an ihren Brüdern in Syrien ansehen. Allerdings, so ist ihr wichtig zu betonen, gibt es viele junge Drusen auf den Golanhöhen, die sich um eine Integration in die israelische Gesellschaft bemühen. Insgesamt, so sagt Lorena, beginnen die Drusen auf dem Golan zu erkennen, dass sie kein Land außer Israel haben.

Mit der Verabschiedung des Nationalstaatsgesetzes droht nun allerdings statt der schrittweisen Integration der Drusen auf dem Golan in die israelische Gesellschaft die Desintegration der nahezu bedingungslos loyalen israelischen Drusen. Brigadegeneral (Reserve) Brig. Gen. (Res.) Imad Fares sagte gegenüber dem Nachrichtenportal Ynet, dass er das Gefühl habe, es wurde beschlossen, „uns außerhalb des Friedhofs zu bergraben“.

Inzwischen spricht sich eine Mehrheit der Israelis für eine Änderung des Gesetzes aus. Am Samstag ist eine Demonstration der Drusen auf dem Rabin Platz in Tel Aviv geplant. Lorena wird dabei sein. Lorena gehört als weibliche Repräsentantin einem von hundert drusischen Offizieren der Reserve gegründeten Forum an, das zum Protest gegen das Nationalstaatsgesetz gegründet wurde. Lorena erklärt, dass sie für gleiche Rechte für alle Bürger ist. Das Nationalstaatsgesetz, so sagt sie, ignoriert die Existenz von 25% der Israelis und v.a. der Drusen, die so viel für den Staat getan haben. Das Gesetz, so sagt sie, schade den Drusen auf einer symbolischen Ebene und betreffe darüber hinaus ihre Rechte als Minderheit. Vor allem schade die Einteilung der Israelis in Juden und Nicht-Juden dem Gefühl der Zugehörigkeit. Jede drusische Familie, deren Angehörige gedient haben und die Gefallene zu beklagen hat, fühle sich durch das Gesetz, das allein den Juden Selbstbestimmung in Israel zusagt, herabgewürdigt.

Lorena bekräftigt, dass sie kein Interesse daran hat, dass die Drusen sich entsolidarisieren und aus der Armee ausscheiden. Die Drusen werden dem Staat weiter dienen und sich rekrutieren, da ist sie sich sicher. Die Bedingung sei aber, als Drusen als untrennbarer Teil der israelischen Gesellschaft angesehen und nicht als „Nichtjuden“ eingestuft zu werden. Die meisten Parlamentarier, so beobachtet es Lorena, würden inzwischen einsehen, einen Fehler gemacht zu haben. Von Entschädigungen, die ins Spiel gebracht wurden, will Lorena nichts wissen. Es geht nicht um Geld, sagt sie bestimmt.

Das Problem, so sagt Lorena, ist nicht das, was im Gesetz geschrieben ist, sondern das, was dort nicht steht. Die Verankerung der Gleichheit und die Anerkennung der Drusen und ihres Beitrags für das Land.

Bild oben: Drusischer Soldaten in einer Spezialeinheit der israelischen Armee, Juni 1949, The Israel Defense Forces Archive

7 Kommentare

  1. Bei aller Liebe jim,

    bei gleicher Einschätzung bin ich doch etwas über:

    „es ist schlicht unisraelisch, würde ich sagen!“

    erstaunt. Natürlich kann man, wie ich auch, gegen ein parlamentarisch korrekt beschlossenes Gesetz sein. Dies als unisraelisch zu bezeichnen, halte ich trotz Einschränkung „würde ich sagen“, für eine Einstellung und Wortwahl, die doch sehr den schlicht undeutschen Ideen folgt.

    Personen oder Gruppen, die glauben einen Volkscharkter definieren zu können, sind mir etwas suspekt.

    • Mir ging es nicht darum, hier einen „Volkscharakter“ zu konstruieren, sondern um israelisches Recht, demokratisch, pluralistisch, jahrzehnte lang bewährt. Recht, auf das man bisher vertrauen konnte, auf das man bisher sozusagen bauen, aufbauen konnte, auf das man sich auch als Minderheit blind verlassen konnte – das denke ich, ist unter israelisch zu verstehen.
      Also, ich beziehe mich sowohl auf die Israelische Unabhängigkeitserklärung, worin allen in Israel lebenden Arabern die volle bürgerliche Gleichberechtigung, die Gleichheit garantiert ist, auf das Israelische Grundgesetz Nummer 10, über die Würde und Freiheit des Menschen, als auch auf die bisher gelebte Praxis, also das, was ich unter israelisch verstehe, den bisher gelebten Alltag, den multikulturellen Charakter Israels, worin ein derart populistischer Schwachsinn, zumindest bis jetzt, keinerlei Rolle gespielt hat.
      In diesem Sinne, ist, denke ich, das seit Jahren schwelende und jetzt endlich durch die Knesset gebrachte Nationalstaats-Gesetz – unisraelisch, ein Anachronismus, eigentlich!

      • Fast vergessen, auch Artikel 7A des israelischen Grundgesetzes spielt hier eine bedeutende Rolle:

        http://www.hagalil.com/israel/verfassung/israel-recht-1a.htm

        Denke, das ist insofern wichtig, als dass hier festgestellt, gesetzlich festgelegt ist, dass die Grundwerte des Judaismus mit demokratischen Grundsätzen vereinbar, Israel als Staat des jüdischen Volkes demokratisch pluralistisch verfasst ist, was impliziert, dass Religionsfreiheit besteht, dass Minderheiten die volle Gleichheit garantiert ist!

        Gerade das ist es, das Israel in seiner besonderen Situation und auch im Vergleich zu vielen anderen Ländern, auszeichnet.

        In diesem Sinne hebelt das Nationalstaatsgesetz all dieses aus und ist damit, zumindest für mich, unisraelisch.

    • Dann halt härter:

      „das Verhöhnen der Demokratie ist möglich, es ist erlaubt, die Demokratie als „undeutsch“ zu bezeichnen “

      „die Schmähung der Staatssymbole und die Verleumdung von demokratischen Politikern ist möglich“

      lt. Prof. Sontheimer

      eine Möglichkeit selbst zu entscheiden, welche Gesetze einem passen oder nicht.

      So sehr ich Dir inhaltlich recht gebe, so sehr widerspreche ich Dir hier:

      „also das, was ich unter israelisch verstehe, den bisher gelebten Alltag, den multikulturellen Charakter Israels, worin ein derart populistischer Schwachsinn, zumindest bis jetzt, keinerlei Rolle gespielt hat.“

      Deine Einstellung zu „israelisch“ ist leider kein relevanter Faktor. Israel ist ein demokratischer Staat, der in der Lage ist, eventuell fehlerhaften Gesetzen durch Regulatoren, wie z.B. dem Staatspräsident, einen Riegel vor zu schieben. Sollte der Mehrzahl der Bevölkerung Entwicklungen nicht gefallen, kann dies bei der nächsten Wahl relativiert werden.

      Und wenn mein Lieblingsfreund an der Macht bleibt, dann ist es halt so!

      • So ist es, selbstverständlich!

        Langsam verstehe ich Dich, denn dem kann ich ohne Einschränkung zustimmen, egal wie es ausgehen wird – und dabei ist meine Einstellung zu „israelisch“ in der Tat irrelevant – muss es akzeptiert werden, logisch.

        Aber hat nicht jeder, der sich an Diskussionen beteiligt, in irgendeiner Weise Einstellungen und Überzeugungen, eine Meinung, die den Zugang zum Thema, nachdenklich, zustimmend oder auch empört, erst ermöglichen?

        Immerhin geht es ja hier auf haGalil um Information und um beobachten, um Meinungen, Schlüsse und auch um Kritik, positiv oder negativ, und die Bereitschaft, mit seinen Überzeugungen, so wie zB hier:

        http://www.hagalil.com/2018/07/leihmuttterschaftsgesetz/#comment-58098

        das „Wagnis der Öffentlichkeit“ einzugehen und womöglich zu diskutieren, denn deshalb sind wir, als interessierte Leute, ja auch hier, letztlich.

        Also, auch wenn diese meine Meinung für innerisraelische Politik logischerweise irrelevant ist:

        Israel ist in vielen Dingen unbedingt Vorbild für die allermeisten Staaten dieser Erde und dies ganz besonders in Hinblick auf Humanität, der Basis israelischer Kultur. Es wäre mehr als bitter und eine große Enttäuschung, wenn es Deinem „Lieblingsfreund“ nun gelänge, mit miesen rechtspopulistischen Methoden Keile zu treiben und zu polarisieren, und so und auf diese Weise dieses beispielhaft hohe Maß an israelischer Humanität zu riskieren, bloß um seine Wiederwahl abzusichern.

        Eine Wiederwahl immerhin, die, sollte die Anklage nicht erfolgen, nicht zuletzt auch angesichts der sich gegenwärtig immer weiter verdichtenden Konfliktsituation, ohnehin, siehe obigen Link, in sicheren Tüchern wäre.

        Nun ja.

  2. Mit diesem Gesetz hat sich die gegenwärtige Regierung Israels, wahrscheinlich ein einer Phase rechter Ãœberheblichkeit, rechter Allmachtphantasie, einer Phase, man könnte es auch als „Trumpimpuls“ bezeichnen, des „jetzt endlich ist vieles möglich“, verrannt. Sogar Politiker wie zB Naftali Bennet oder auch Moshe Kalon sind der Meinung, dass dieses Gesetz korrigiert werden müsse, allein, Netnajahu stellt sich quer, bildet sich ein, mit einer Entschädigung die Sache beilegen zu können. Wie sehr solches Ansinnen seine Geisteshaltung spiegelt und wie sehr beleidigend dies auf die drusische Minderheit wirken muss, ist für ihn wohl unverständlich.

    Nun ja.

    Und Rivlin, der schon die noch wesentlich radikalere Erstfassung abgelehnt hatte, wird dieses Gesetz, wenn es ihm vorgelegt werden wird, zwar unterschreiben aber – auf arabisch.

    Denke, letzten Endes wird dieses unselige, dieses unmoralische Gesetz, wenn es schon nicht zur Gänze eingestampft wird, in wesentlichen Teilen abgeändert werden müssen.

    Warum?

    Es ist nicht bloß völlig unnötig, es ist schlicht unisraelisch, würde ich sagen!

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