Alle sind gegen uns, alle sind gegen uns: Auf geht’s, zum Boykott!

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Tausende Personen haben kurz nach Veröffentlichung eine Petition unterzeichnet, die zum Boykott der israelischen IKEA-Filiale aufruft – dies als Protest gegen den ungeheuerlichen Bericht in der schwedischen Zeitung „Aftonbladet“. Das ist bereits der zweite Boykottversuch in diesem Jahr…

In M’ariw betrachtet Ofer Shelach das Boykottverhalten der Israelis kritisch…

Zuletzt gab es den Boykott gegen die Türkei nach den Äußerungen von Premier Erdogan. Der Boykott hielt ein paar Monate an, mit der Sommerhitze schmolz er aber dahin, vor allem, nachdem sich herausstellte, dass es einfach keine Alternative für das „all included“ in der Türkei gibt. Dennoch war er einer der erfolgreichsten Boykotts, die es hier jemals gegeben hat.

Bei uns in Israel gibt es jedoch nie einen Verbraucherboykott, der sich auf rein wirtschaftliche oder moralische Themen stützt. Der Israeli glaubt nicht an seine Fähigkeit, etwas ändern zu können, oder er ist zu faul, etwas zu unternehmen, oder es ist ihm egal, dass er ausgenützt ist, solange es bei den anderen genauso ist und er nicht für dumm verkauft wird.

Aber wehe dem, der das berührt, was zum israelischen Wert Nummer 1 wurde – unser Opfergefühl. Man kann uns als Verbraucher verarschen, uns ausnützen, der Umwelt schaden. Aber unser nationales Gejammer verletzen, das angenehme Gefühl, dass uns alle hassen weil alle gemein und böse sind? Dann geraten wir völlig aus dem Häuschen, fahren nach Italien anstatt Antalya und sind sogar bereit, ein paar Schekel mehr für ein Bücherregal zu bezahlen.

Alle sind gegen uns, alle sind gegen uns…

Daran ist in großem Maße die Regierung schuld. Das Argument „die ganze Welt ist gegen uns“ war schon immer eine populäre Parole, in den letzten Jahren wurde sie jedoch zu einer wahren Mantra. So konnte sich eine automatische Abneigung gegen die ganze Welt entwickeln.

Das resultiert aus einer Tatsache, die die Ritter des Nationalismus nicht gerne zugeben wollen. Es ist wirklich nicht mehr sehr angenehm, Israeli zu sein. Wir sind in der Welt für unser unhöfliches, hemmungsloses Benehmen bekannt, für eine Politik, mit der man sich immer weniger identifizieren kann. Es ist viel einfacher zu sagen, dass uns alle hassen weil uns eben alle hassen, und nicht, weil wir eine Menge Mist bauen. So wird es leichter, sich damit auseinanderzusetzen, dass in akademischen Kreisen und auch nur in Hotels nicht gut auf Israelis reagiert wird.

Und deshalb werden die Linken in Israel keine Produkte aus den Gebieten boykottieren, und die Rechten haben nicht wirklich etwas gegen einen Sänger, der gegen die Aktion in Gaza protestiert. Aber es soll sich auch nur ein Nichtjude wagen, etwas gegen uns zu sagen, so unwichtig oder übertrieben es auch sein mag: Wir werden ihm gleich zeigen, was Sache ist, und zwar auf dem einzigen Weg, den die Goim verstehen: den Geldbeutel.

8 Kommentare

  1. Noch problematischer ist, dass diese „paar Ambitionen“ „einiger Rechter“ innerhalb der pluralistischen Gesellschaft Israels quantitativ kaum ins Gewicht fallen mögen, aber immer offenkundiger die Mehrheit der israelischen Gesellschaft den Forderungen dieser Extremisten keinen Widerstand mehr entgegensetzen kann.

  2. Naja…es geht wohl darum, dass diese Wahrnehmung „alle sind gegen uns“ in bestimmten Kreisen sehr beliebt ist. Solche Marginalisierungen der eigenen Position sind immer ein probates Mittel, politische Anhänger zu mobilisieren. Der Boykott soll vor allem ein paar politische Ambitionen einiger Rechter in Israel beflügeln (mit Glaubwürdigkeit oder Anstand hat das aber nichts zu tun). IKEA zu boykottieren, um irgendeinen Journalisten einer schwedischen Zeitung zu treffen: das wäre doch sonst offensichtlicher Unsinn!
    Problematisch ist die Entwicklung, dass in Israel mehr und mehr Bürger politischen Unternehmern diese (rechtspopulistische) Rhetorik abkaufen. Das rächt sich.

  3. Also ich verstehe auch den Zusammenhang nicht! Was kann IKEA dafür? Denkt auch jemand mal an Arbeitsplätze etc….?
    Da hat jemand bei Aftonbladet einen Scheiß geschrieben! Na und?? Deswegen denken nicht alle Schweden so! Und ein Kaufhaus denkt noch nicht, oder??

  4. @Karl Heiden
    Ja, natürlich… vermutlich steht durch diese Aufrufe der Untergang Schwedens unmittelbat bevor…

    Machen sie doch mal die Augen auf! Das gute alte „Kauft nicht beim Juden“ ist doch längst wieder in Aktion. Ob es nun um die Zusammenarbeit mit israelischen Hochschulen geht, um israelische Lebensmittel oder einfach nur Urlaubsreisen nach Israel – wir sind doch schon längst wieder soweit, daß man sich verstecken und/oder verteidigen muß, wenn man „beim Juden kauft“. Ihnen noch nicht aufgefallen?

  5. „Kauft nicht bei Juden!“ So begannen die Nazis ihren Vernichtungsfeldzug seinerzeit im Deutschen Reich. Und was ist mit „Kauft nicht bei IKEA“? Eine seltsame Analogie.

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