Sichere Räume für Juden werden immer enger

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Akademie der Künste, Berlin, Foto: Floesculus / CC BY-SA 2.0 de

Gestern fand im Bundestag eine Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien zum Thema Antisemitismus im Kulturbereich statt. Daran nahm auch Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, teil. In einer Demokratie müsse man auch konträre Positionen aushalten können und zur Kunstfreiheit würde auch das Aus- und Überreizen gehören, sei ein oft angebrachtes Argument. „Dem kann ich als Demokrat zustimmen“, so Botmann. „Bloß lässt mich eine Frage nicht los: Wieso trifft dieses „aushalten müssen“ immer und immer wieder die Juden?“

Neben anderen gesellschaftlichen Bereichen, so Daniel Botmann, hat sich auch die Kunstwelt im Zuge des 7. Oktobers in großen Teilen zu einem unsicheren Ort für Juden entwickelt. „Das, was sich über Jahre normalisierte, wo sich die Grenzen des Sag- und Zeigbaren Stück für Stück verschoben, hat sich nach dem 7. Oktober in seiner geballten Kraft gezeigt. Zuletzt wurde der Hamburger Bahnhof in Berlin Schauplatz einer für die aktuelle Situation exemplarischen antisemitischen Aktion. Diese Form der Gewalt zieht sich als roter Faden seit Monaten durch die Kunstwelt.“

Noch am Tag des Massakers haben nicht wenige etablierte Künstler in Deutschland die Vergewaltigungen, Folter und Verstümmelung von friedlichen Zivilisten als heroischen Widerstand verklärt. Die folgenden Wochen und Monate waren geprägt von ideologisch aufgeladenen offenen Briefen, tausendfach unterzeichnet, voll von Desinformationen über den Nahostkonflikt und Hass gegen Israel und Juden. Solidaritätsbekundungen deutscher Kulturinstitutionen fielen oft durch ihre lange Abwesenheit und Schwammigkeit auf, so Botmann weiter. „Scheinbar ist es kein einfaches Unterfangen, Worte der Empathie und Menschlichkeit zu finden, wenn es sich um massakrierte Israelis oder Juden handelt.“

Vier Kernpunkte führt Botmann auf, denen sich der Kunst- und Kulturbetrieb muss:

„Erstens: Eine selbstkritische Aufarbeitung der NS-Geschichte großer Kulturinstitutionen zur Stärkung des demokratischen Selbstverständnisses und der Widerständigkeit gegen menschenverachtende Ideologien leisten. Wer über die Mechanismen des Nationalsozialismus und seiner instrumentalisierenden Funktion von Kunst lernt, wird auch resistenter gegen geschichtsrevisionistische NS-Vergleiche oder Gleichsetzungen.

Er muss zweitens: Sich mit den verschiedenen Ausdrucksformen, insbesondere den sprachlichen und bildlichen Dimensionen des Judenhasses auseinandersetzen, um antisemitische Chiffren und Codes erkennen und benennen zu können. Die Kunstuniversitäten sind hier auch in der Pflicht Aus- und Weiterbildung für Mitarbeitende in Kultureinrichtungen anzubieten.

Er muss drittens: Der Darstellung des Rechts auf Kunstfreiheit und den Kampf gegen Antisemitismus als Gegensätze ein Ende setzen. Der Kampf gegen Antisemitismus und die Kunstfreiheit sind miteinander im Einklang stehende Verfassungsprinzipien, die als solche selbstverständlich nebeneinanderstehen müssen.

Und er muss viertens: Konsequent durchgreifen bei antisemitischen Darstellungen oder Verbreitung antisemitischer Weltbilder in künstlerischen Kontexten.“

Abschließend betonte Daniel Botmann: „Wenn in Kunst und Kultur wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen dem Antisemitismus nicht entschieden und konsequent begegnet wird, werden die sicheren Räume für Juden immer enger, bis sie komplett aus ihnen verdrängt werden.“