Nachrichten
Litauen:
Der sicherste Fluchthafen für NS-Verbrecher
Prozess gegen Lileikis wird endgültig eingestellt
OSI und Wiesenthal Center protestieren
Der erste Prozess gegen Nazi-Kollaborateure in der ehemaligen
UdSSR dürfte auch der letzte sein. Die Staatsanwaltschaft in Wilna beschloss
den Fall wegen des angegriffenen Gesundheitszustandes des Angeklagten
einzustellen. Die juristische Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in der
Nazi-Zeit hat in Litauen gerade erst begonnen - 53 Jahre nach dem Ende des
Zweiten Weltkriegs. Doch das erste Verfahren in Wilna droht in einem
juristischen Fiasko zu enden. Angeklagt ist der heute 92jährige Aleksandras
Lileikis. Der frühere Leiter der litauischen Sicherheitspolizei "SAUGUMAS"
Lileikis soll in den Jahren 1941-44 sogenannte "Todeskarten" unterzeichnet
haben, die zur Verhaftung und anschließenden Deportation litauischer Juden
nach Auschwitz und nach Ponar, 15km ausserhalb von Vilnius geführt hatten.
Über Deutschland gelangte Lileikis im Jahre 1946 in die USA. Fast
50 Jahre lang konnte er sich eine bürgerliche Existenz in der Nähe von
Boston aufbauen. Nach jahrelangen Verfahren vor US-Gerichten wurde Lileikis
im Jahre 1996 die amerikanische Staatsbürgerschaft aberkannt. Im Juni 1996
reiste er nach Litauen, wo er bis März 1998 unbehelligt blieb.
Eli Rosenbaum vom Office of Special Investigation in den USA ist
wütend über die Einstellung. Er warf dem Angeklagten vor, daß dieser
"simulieren" würde, konnte jedoch laut litauischen Quellen keine Beweise
präsentieren. Eine internationale Medizinerkommission wurde von litauischer
Seite abgelehnt. Der litauische Chefforensiker Garmus sprach von einer
"Beleidigung"
Am 5.11.98 trat Lileikis das einzige Mal vor Gericht. Nach wenigen
Minuten wurde er ins Spital gebracht. Angeblich hatte er einen Herzanfall.
Der Leiter des Wiesenthal Centers in Israel, Efraim Zuroff,
befand, daß Litauen eine große Chance verpasst hätte, sich dem
unangenehmsten Part seiner Geschichte zu stellen. "Litauen wird zum
sichersten Fluchthafen für Naziverbrecher" sagte Dr. Zuroff bitter.
SLW / haGalil 09-99