Australien rekrutierte Nazis
Zeitungen melden gezielte Anwerbung nach dem Krieg
Sydney/Jerusalem - Australien hat nach dem Zweiten Weltkrieg mit
Hilfe von Großbritannien um Nazi- Wissenschaftler gebuhlt. Das haben
australische Journalisten nach einer groß angelegten Untersuchung bisher
geheim gehaltenen Archivmaterials herausgefunden.
Wie Jerusalem Post, Sydney Morning Herald und The Age
übereinstimmend berichten, sind zwischen 1946 und 1951 mindestens 127
deutsche Forscher von der australischen Regierung angeworben worden.
Mindestens sechs waren Angehörige der SS. Der Direktor des
Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, sagte der Illustrierten Neuen
Welt, sieben Forscher seien womöglich identisch mit Verdächtigen, die immer
noch von der UN-Kriegsverbrecher-Kommission gesucht würden.
Jüdische Organisationen in Australien forderten am Montag dazu
auf, die von staatlicher Seite eingestellte Suche nach in Australien
untergetauchten Nazis wieder aufzunehmen. Vor allem litauische, lettische
und ukrainische Kriegsverbrecher konnten in Australien nach dem Krieg ein
sorgloses Leben führen. Der Litauer Antanas Gudelis war der letzte
bekanntgewordene Kollabrateur, nach welchem gesucht wird.
Die Wissenschaftler waren indes angeworben worden, nachdem London
australische Stellen bereits im September 1945 aufgefordert hatte, sich um
deutsche Wissenschaftler zu "bewerben". Diese wurden auf Staatskosten nach
Australien gebracht und bei Militär- und Regierungs-Programmen sowie in der
Privatwirtschaft eingesetzt, unter anderem beim australisch-britischen
Raketenprogramm.
Einer der Wissenschaftler habe zuvor die geheime
Messerschmitt-Flugzeugwerft geleitet, in der die V-2-Rakete, die angebliche
"Wunderwaffe" der Nazis, entwickelt wurde, hieß es in den Berichten. Zehn
andere hätten bei der IG Farben gearbeitet, jenem Chemiekonzern, der
jüdische Zwangsarbeiter beschäftigte und das Zyklon-B-Gas erfand, das in
Konzentrationslagern eingesetzt wurde.
Die Zeitungen berichteten, die deutschen Forscher seien bevorzugt
behandelt worden. So sei ihnen erlaubt worden, monatlich 400 Mark nach Hause
zu schicken. Außerdem sei ihnen bei der Aufnahme von Krediten geholfen
worden.
Besonders die USA, aber auch die Sowjetunion und Großbritannien
suchten nach dem Krieg gezielt deutsche Wissenschaftler, um ihre Kenntnisse
vor allem für die Waffenentwicklung und beginnende Raumfahrt, aber auch in
der Medizin und Biologie zu verwerten. Bei der "Operation Paperclip"
(Operation Büroklammer) sicherten sich die USA zwischen 1945 und 1955 die
Mitarbeit von 765 Wissenschaftlern aus Deutschland und Österreich. Ihre
Nazi-Vergangenheit wurde vertuscht. Werner Von Braun war wohl der
bekannteste dieser Wissenschaftler.
Eine starke Lobby in Australien scheint die Auseinandersetzung mit
diesen dunkeln Kapiteln verhindern zu wollen. Manche australische
Boulevardblätter lassen sich zuweilen willig einspannen.
SLW haGalil
09-99