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Gedenktag:
Friedlicher Ablauf in lettischen Städten

Lokalnachrichten - Diena, 17. März 1999 - Liepaja, Valmiera, Jekabpils - In friedlicher Stimmung verliefen die Ereignisse auch in den anderen lettischen Städten. In Liepaja verlief eine Zusammenkunft am Denkmal der Verteidiger Lettlands ohne Zwischenfälle. Keine Genehmigung vom Stadtrat Liepajas für Kundgebungen und Versammlungen an diesem Tag und dieser Stelle hatten die Sozialistische Partei und der Verband der Russen in Lettland erhalten. Damit sollten Verkehrsbehinderungen verhindert werden, denn aus den Anträgen beider Organisationen ging hervor, daß sich an einer Stelle um die 200 Menschen versammeln wollten.

Dennoch hatten die Interessierten Gelegenheit zu einer unorganisierten Kundgebung. An dem Denkmal versammelten sich etwa zwanzig Personen der älteren Generation, Vertreter der Sozialistischen Partei, Veteranen und Interessierte. Wie Diena beobachtete, wurden Blumen niedergelegt, aber keine Kundgebung veranstaltet und keine Losungen ausgegeben. Drei einheitlich gekleidete junge Leute ohne jedes Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Organisation erschienen in einem Taxi, legten an dem Denkmal jeder eine Rose nieder und entfernten sich, ohne mit jemandem ein Wort gesprochen zu haben. Die Geschehnisse am Denkmal verfolgten eine kleine Schar von Journalisten, ein gutes Dutzend Polizisten und Ordnungskräfte, außerdem Rentner und Schüler der nahegelegenen Mittelschule Nr. 5. Wie Diena von Vertreterinnen der Sozialistischen Partei erfuhr, hätte die kleine Gruppe im Fall einer Veranstaltung der Legionäre mit einer Protestkundgebung reagiert, doch da es in Liepaja keine solche Veranstaltung gab, brauchten die poteniellen Dtranten ihre Plakate nicht einmal zu entrollen.

Auch in Valmiera verlief der 16. März in alltäglicher und ruhiger Atmosphäre. Wie der stellvertretende Chef der Gebietspolizeiwache Aldis Ozolins gegenüber Diena sagte, war die Kontrolle durch die Ordnungskräfte bereits zwei Tage im voraus verstärkt worden, um jede Art von Ordnungswidrigkeiten zu unterbinden. Besonders beobachtet wurden die Ruhestätten der im Krieg Gefallenen. Auch beim Stadtrat von Valmiera waren keinerlei Veranstaltungen für diesen Tag angemeldet worden. Eine Gedenkminute für die gefallenen Legionäre wurde am Weißen Kreuz im sogenannten Feuerwehrpark der Stadt abgehalten.

In der Gegend von Cesis fand unter Beteiligung von Gebietsratsvertretern eine feierliche Kranzniederlegung an den letzten Ruhestätten der Legionäre auf den Friedhöfen von Cesis und More statt. Die Gedenkveranstaltung am Vormittag wurde mit einer kleinen Feier am Standort der lokalen Einheit der Landeswacht eröffnet. Dazu gehörte auch die feierliche Verleihung des Ehrenzeichens zum fünfjährigen Bestehen der Landeswacht an mehrere grauhaarige Legionären durch Brigadekommandeur Valdis Svikis, sagte Maris Niklass vom Gebietsrat gegenüber Diena.

Wie der Polizeichef des Gebiets Aluksne, Ansis Gailitis, mitteilte, wurden in Aluksne am 16. März Blumen am Mütterdenkmal niedergelegt. Dieses Denkmal symbolisiert für die Einwohner der Stadt die Folgen des kommunistischen Terrors. In Rezekne wurden Blumen am Denkmal der Lettgallischen Mara niedergelegt, in Jekabpils versammelten sich ehemalige Opfer der Repressionen und Legionäre am Denkmal für die Opfer politischer Repressionen unweit der Krustpils-Kirche. In Daugavpils wurden dagegen, wie Diena vom Stadtrat erfuhr, keinerlei Zusammenkünfte oder Kundgebungen veranstaltet. Wie die Agentur BNS mitteilte, fanden in Lestene am Dienstag eine Gedenkminute und ein Zug von Legionären zum Weißen Kreuz statt, an dem etwa 150 Menschen teilnahmen, größtenteils ehemalige Legionäre. Keiner der Ehemaligen trug eine Uniform. An dem Zug beteiligten sich Uniformierte der Landeswehr, die zunächste eine Ehrengarde für den Zug veranstaltet hatten und sich dann zerstreuten. An den Veranstaltungen nahmen die Abgeordneten der Partei "Für Vaterland und Freiheit/Nationale Unabhängigkeitsbewegung" Juris Dobelis, Oskars Grigs und andere Parteimitglieder teil.

Diena, 17. März 1999, S. 1

Marsch der Legionäre:
Ohne Zwischenfälle

Von Nellija Locmele und Edgars Galzons

Riga, 16. März. Ohne größere Zwischenfälle verlief am Dienstag der Marsch der ehemaligen lettischen Legionäre im Zentrum von Riga, an dem mehrere tausend Menschen teilnahmen. Der lettische Präsident und die Regierung begingen den Soldaten-Gedenktag nicht, aber mehrere Abgeordnete der Saeima (Parlament) von der Partei "Für Vaterland und Freiheit/Lettische Nationale Unabhängigkeitsbewegung" (VF/NUB) und von der Volkspartei beteiligten sich an dem Gedenkmarsch. Am Freiheitsdenkmal begrüßten Tausende von Menschen den Marsch mit Applaus, doch skandierte die Menge auch den Slogan "Weg mit Legionären und Faschismus!"

Der Gedenktag für die lettischen Soldaten begann mit einem Gottesdienst im Dom. Darauf folgte der vom Nationalen Lettischen Soldatenverband organisierte Marsch vom Domplatz zum Freiheitsdenkmal. An der Spitze des Zuges marchierten der Vorstand des Nationalen Lettischen Soldatenverbands sowie Vertreter der VF/NUB und der Volkspartei mit Blumen in der Hand. Die vielen tausend Teilnehmer des Marsches hatten sich in Sechserreihen zu einer mehreren hundert Meter langen Marschkolonne formiert. Darin befanden sich auch Frauen und junge Leute, doch dominierten Männer ehrbaren Alters. Unter den Teilnehmern des Marsches konnte Diena niemanden erkennen, der eine deutsche Armeeuniform oder faschistische Attribute getragen hätte, dagegen mehrere lettische Staatsfahnen. Der Zug wurde in seiner gesamten Länge von Dutzenden von Medienvertretern, Polizeibeamten und Wohlgesinnten begleitet. Auf dem Platz vor dem Freiheitsdenkmal hießen Hunderte von Menschen den Zug mit Applaus willkommen, und es waren Ermunterungsrufe zu hören wie "Es leben die Legionäre, sie haben das lettische Volk gerettet! Lette, bleib standhaft!"

Als die ersten Reihen des Zuges nur noch wenige Dutzend Meter vom Freiheitsdenkmal entfernt waren, stimmten mehrere ältere Leute gegenüber des Cafés "Kolonnade" ein Lied mit Akkordeonbegleitung an, und jemand hob ein Plakat mit einer gegen die Legionäre gerichteten Botschaft in die Luft. Einen Augenblick später riß bei einem der Teilnehmer oder auch Unterstützer des Marsches der Geduldsfaden, und er riß das Plakat herunter. Es entwickelte sich ein Handgemenge und ein Wortwechsel, doch gelang es den Gesetzeshütern schnell, den Konflikt zu unterbinden. Nach einer kurzen Weile Singen entfernten sich die Verurteiler der Legionäre in Richtung Kronwald-Park.

Vor dem Eintreffen der Legionäre hatten sich, so BNS, neun Personen mit Nachbildungen von Gefängnismützen auf dem Kopf und sechszackigen Judensternen am Rand des Gehsteigs aufgestellt. Diese Aktion war nicht von ehemaligen Ghettohäftlinge organisiert worden, wie Diena bei deren Verband ermittelte.

Unter den Teilnehmern an dem Marsch waren mehr als zehn Saeima-Abgeordnete der VF/NUB und der Volkspartei, unter anderem Juris Dobelis, Peteris Tabuns, Dzintars Rasnacs, Janis Lagzdins, Juris Dalbins und Dzintars Abikis, nicht aber die Vorsitzenden der genannten Parteien. Diena erkannte auch einige Abgeordnete früherer Parlamente, z.B. Odisejs Kostands, Gundars Valdmanis u.a.

Janis Dobelis meinte, die Beteiligung von VF/NUB an der Ehrung der Legionäre sei bereits Tradition. Die Politiker legten im Namen der Vereinigung einen kleinen Kranz am Freiheitsdenkmal nieder, dessen Bänder die Aufschrift "Für die lettischen Legionäre gegen den Bolschewismus" trugen. Lagzdins sagte, für ihn als Saeima-Abgeordneter sei es eine Pflicht, sich an dem Marsch zu beteiligen, zusammen mit Menschen, die in den Kampf zwischen zwei Großmächen hineingezogen worden waren, und die heute erleben müßten, wie Lügen über sie erzählt würden und die Regierung ihnen den Rücken zukehre. "Meine Anwesenheit ist ein Beweis dafür, daß sie keine Faschisten sind", sagte Lagzdins.

Obwohl die Vertreter beider Parteien Seite an Seite marschierten, verbreitete die Fraktion "Für Vaterland und Freiheit" am Nachmittag eine Mitteilung, in der die zweischneidige Haltung der regierenden Koalition, besonders der VF/NUB, zum 16. März verurteilt und die Einführung dieses offiziellen Gedenktages als verantwortungsloses und zweischneidiges politisches Spiel bezeichnet wird.

Dieser Tag wurde bekanntlich gerade auf Anregung der VF/NUB in den Kalender der offiziellen Gedenktage aufgenommen. Nichtsdestotrotz hielten sich mehrere Politiker dieser Partei, darunter der Saeima-Vorsitzende Janis Straume, am Dienstag im Ausland auf. Ein Fünftel der Saeima-Abgeordneten, fast die Hälfte der Regierung und am Nachmittag auch der Staatspräsident selbst befanden sich oder begaben sich auf Auslandsbesuch. Die Regierung und die Nationalen Streitkräfte beteiligten sich nicht an den Veranstaltungen zum 16. März. In einem Kommentar zur Beteiligung von Politikern an dem Zug sagte Ministerpräsident Valdis Kristopans, man könne sich "nur wundern über das Bestreben dieser Politiker, sich [vor dem Hintergrund des tragischen Schicksals vieler Menschen] hervorzuheben", so BNS. Kristopans räumte ein, das Datum des Gedenkens an die Soldaten solle auf jeden Fall geändert werden. Der lettische Präsident sagte am Dienstag gegenüber der Presse, der Dienstag sei für die meisten Einwohner Lettlands ein angespannter Arbeitstag gewesen, und man müsse seiner Ansicht nach "den Wellen von Emotionen, die nicht ohne Beteiligung der Medien hochgeschlagen sind, Gelegenheit zum Abklingen geben" und dann eine Historikerkommission eine gründliche Einschätzung der Lage erarbeiten lassen; die Saeima werde "früher oder später" auf die Frage des 16. März zurückkommen müssen.

Die Teilnahme Tausender von Menschen an der Veranstaltung der Legionäre kommentierte Ulmanis mit dem Verweis darauf, daß Lettland 2,5 Mio. Einwohner habe.

Mehrere der von Diena befragten Teilnehmer an dem Zug äußerten ihre Empörung über die Abgrenzung der Regierung und des Präsidenten vom 16. März, die sie als Verrat am lettischen Volk beurteilten. "Wir sind keine Faschisten, wir haben gegen die Pest gekämpft", sagte der Legionär Janis Liepsalde. "Es ist nicht unsere Schuld, daß Hitler mir eine Uniform anzog und die Russen meinem Bruder eine andere. Wir haben doch nicht gegen die Hitler-Ideologie oder den Kommunismus gekämpft, sondern hatten das freie Lettland im Herzen", so der Legionär Henriks Kupcs. Ein jüngerer Teilnehmer des Marsches, Janis Berzins, dessen Vater in der Legion war, meint, die westliche [Kritiker] sollten mehr lettische Geschichte studieren. Einer von denen, die Blumen am Freiheitsdenkmal niederlegten, ist Mavriks Vulfsons, der seinerzeit in der sowjetischen Armee gekämpft und während des Holocaust viele Angehörige verloren hat. Er sagte Diena gegenüber, dieses sei sein Ausdruck von Vergebung für seine Feinde und Hoffnung auf eine lettische Gesellschaft voll gegenseitiger Achtung und Toleranz. "Die Zeit ist gekommen für einen neuen Patriotismus ohne Haß", sagte Vulfsons. Seiner Ansicht nach ist die Einführung des offiziellen Gedenktags am 16. März eine Provokation der Saeima, die korrekterweise aufgehoben werden müsse.

Wegen des großen Interesses ausländischer Medien an den Veranstaltungen zum 16. März traf sich Außenminister Valdis Birkavs am Dienstag mit mehreren ausländischen Journalisten, um den Standpunkt der Regierung zu erläutern. Russische Politiker [und Vertreter] des russischen Außenministeriums, die den Marsch bereits kommentierten, werteten ihn als Versuch zur Rehabilitierung des Faschismus, während das lettische Außenministerium davon ausgeht, daß Rußland die Situation in Lettland nicht ausreichend verstanden hat. Meldungen aus Lettland wurden am Dienstagnachmittag von den größten russischen Fernsehsendern übertragen; die darin vermittelte Information war im wesentlichen korrekt.

Obwohl die Veranstaltung der lettischen Legionäre ohne größere Störungen verlief, wurde Diena Zeuge mehrere kleinerer Zwischenfälle in der Nähe des Freiheitsdenkmals. Ein älterer Mann, der Diena gegenüber angab, er habe im Zweiten Weltkrieg in der Sowjetarmee gedient, rief laut auf Lettisch "Nieder mit Legionären und Faschismus!" Mehrere Umstenende bezeichneten ihn als Tschekisten und forderten ihn auf, den Mund zu halten. Dann wurde er von Polizisten in Zivil aus der Menge geführt.

Die Leiterin des Pressezentrums der Hauptpolizeiverwaltung der Stadt Riga, Ieva Zvidre, teilte Diena gegenüber mit, die Polizei habe am Dienstag zwei Personen festgehalten. Ein ca. 72jähriger Mann, den auch Diena in der Nähe des Freiheitsdenkmals gesehen hatte, hatte ein Plakat gezeigt, das die politische Führung Nazideutschlands verherrlichte. Dieser Mann war nach den Worten Zvidres offensichtlich psychisch auffällig. Der andere festgehaltene Mann (ca. 54 Jahre) stand unter Alkoholeinfluß und hatte versucht, Unruhe zu stiften.

Dem Premierminister zufolge haben alle Dienststellen während der Veranstaltung ihre Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Auch Diena konnte sich von dem korrekten Verhalten der Polizei während des Zuges überzeugen. So hatten z.B. nach Abschluß des Marsches ein Mann und eine Frau ein Plakat mit Vorwürfen gegen die Regierung entrollt. Mehrere Polizeibeamte, sowohl in Zivil als auch in Uniform, traten abwechselnd zu den beiden und baten sie, ihre Demonstration zu unterlassen. Nach kurzer Zeit rollten die beiden ihr Plakat wieder ein. Auch nach dem Marsch blieben etliche Dutzende von Menschen stehen und sangen patriotische Lieder, die übrigen diskutierten. Eine Stunde später waren nur noch wenige Dutzend Menschen am Freiheitsdenkmal versammelt.

Die Legionäre begehen bereits seit der Wiederherstellung der Unabhängigkeit alljährlich den 16. März als Feiertag, denn an diesem Tag hatte eine Division aus der 15. und der 19. Legion an der Ostfront, am Fluß Velikaja, eine gemeinsame Schlacht geschlagen. Dieses Jahr wurde der 16. März erstmals zum offiziellen Gedenktag für die lettischen Soldaten erklärt. Zu den während der deutschen Besetzung aufgestellten lettischen Einheiten der Waffen-SS wurden fast 150 000 Männer eingezogen, jeder dritte von ihnen kam ums Leben. Nach dem Krieg bestätigten US-amerikanische Beamte, die baltischen Einheiten der Waffen-SS seien als nicht zugehörig zu der übrigen SS-Armee zu betrachten.

Diena, 17. März 1999, S. 1

Kristopans:
Marsch mit Rauferei unter Betrunkenen verglichen

Von Nellija Locmele und Inara Egle

Riga, 16. März. Der lettische Ministerpräsident Vilis Kristopans hat in einem Kommentar zur Teilnahme von Janis Lagzdins, eines Abgeordneten der Volkspartei, an dem Marsch der Legionäre diese Veranstaltung indirekt mit einer Rauferei unter Betrunkenen verglichen. Sowohl Vertreter der Volkspartei als auch der Partei "Lettischer Weg" drückten ihr Bedauern über diese Ausdrucksweise aus.

In seinem Kommentar zur Beteiligung von Politikern der Partei "Für Vaterland und Freiheit/Lettische Nationale Unabhängigkeitsbewegung" (VF/NUB) und von der Volkspartei an dem Marsch der Legionäre sagte Kristopans am Dienstag, man könne sich nur wundern über das Bestreben dieser Möchtegern-Politiker, sich [vor dem Hintergrund des tragischen Schicksals vieler Menschen] hervorzuheben, so BNS. "Am meisten wundere ich mich über die Teilnahme solcher Genies wie Lagzdins an dieser Veranstaltung; er erinnert mich an eine Marktfrau, die alle Raufereien unter Betrunkenen verfolgt", sagte der Ministerpräsident. Wie berichtet, war der 16. März von der Saeima zum offiziellen Gedenktag für die lettischen Soldaten erklärt und der Zug der Legionäre vom Rigaer Stadtrat genehmigt worden. Es ist hinzuzufügen, daß auch der Vater von Kristopans in der Legion gedient hat.

Janis Lagzdins bedauerte gegenüber Diena, daß die Regierung von einem Menschen geführt werde, der seinen Vergleich mit einer Rauferei auf eine Veranstaltung gemünzt habe, an der "Tausende älterer Letten teilnahmen, die während des Zweiten Weltkrieges ihr Blut für Lettland vergossen haben". Lagzdins zufolge enthielten die Äußerungen des Premiers eine Wertung der Gedenkveranstaltung als Ganzes, nicht nur seiner, Lagzdins, Person als Politiker. "Deshalb schäme ich mich, daß an der Spitze unserer Regierung ein Mensch wie dieser steht", fügte Lagzdins hinzu und merkte an, er wundere sich schon seit langem nicht mehr über Kristopans‘ Äußerungen.

Der Vorsitzende der Partei "Für Vaterland und Freiheit" Andris Skele sagte der Agentur LETA, Kristopans müsse sich, wenn er "sich zu den Männern zähle", bei den Legionären entschuldigen. Die Fraktionsvorsitzende der Partei "Lettischer Weg", Kristiana Libane, bedauerte Diena gegenüber, daß "in der Erleichterung darüber, daß alles gut verlaufen ist, der Premier sich einen Ausrutscher erlaubt und sich so unüberlegt ausgedrückt" habe. Libane betonte, Kristopans habe sehr viel dazu beigetragen, daß die Veranstaltungen zum Gedenktag für die lettischen Soldaten in absoluter Ordnung und Sicherheit verlaufen sei, daher sei es schade, daß die Äußerung diesen Beitrag zum Ablauf der Veranstaltung negativ überlagert habe. Libane zufolge war das von Kristopans Gesagte auf subjektives Mißfallen gegenüber bestimmten Politikern, nicht aber gegenüber der Veranstaltung im Ganzen zurückzuführen. Den Einwand von Diena, dies sei nicht das erste Mal, daß Kristopans sich beleidigend über andere Politiker geäußert habe, beantwortete Libane, der "Lettische Weg" gestatte jedem Kollegen freies Handeln im Rahmen seines Verständnisses und seiner Kompetenzen, denn in der Politik sei es "unmöglich, sich herauszuhalten und alles vorauszusehen". Kristopans müsse selbst wählen und selbst verantworten, inwieweit er seine Einstellung zu bestimmten Politikern demonstrieren wolle.

Diena, 17. März 1999, S. 3

Kundgebung:
Die Russische Gemeinschaft und das Stalin-Plakat

Von Andris Sprogis

Riga, 16. März. Die Kundgebung der Russischen Gemeinschaft Lettlands zum Gedenken an die Opfer des Faschismus verlief am Dienstag in russischer Herzlichkeit, mit Musik und Liedern. Der einzige Zwischenfall wurde unter den Organisatoren der Kundgebung selbst und Anhängern einer radikalen Gruppierung, möglicherweise Barkassowern [sog. Nationalbolschewisten, d.Ü.], verzeichnet, als diese ein Stalin-Bild mit der Aufschrift Wir werden siegen erhoben.

Etwa zehn Minuten nach dem offiziellen Beginn der Kundgebung tauchte inmitten der Menge ein Mann mit zwei roten Luftballons auf. Einen Moment später stiegen die Ballons höher, und die Teilnehmer der Kundgebung konnten das daran befestigte Stück Stoff mit dem Bild Stalins und der Aufschrift Wir werden siegen erblicken. Auch der Vorsitzende der Russischen Gemeinschaft Lettlands, Garold Astachow, bemerkte das Bild. Er wies die Demonstrierenden zunächst darauf hin, daß die Verwendung solcher Symbole unzulässig sei, und versuchte dann, dem Mann das Plakat aus den Händen zu reißen. Die Gesinnungsgenossen des Demonstranten begannen ein Handgemenge und versetzten Astachow einige Stöße, der sich daraufhin bemühte, zu den an den Rand stehenden Polizisten zu gelangen. Da er keine Hilfe erhielt, wandte sich der Organisator der Kundgebung wieder den Barkassow-Anhängern zu und versuchte von neuem, die Verwendung des Stalin-Bildes bei der Kundgebung zu verhindern. Diesmal verwehrte ihm jedoch ein Mann den Zugang zu dem Transparent. Einen Augenblick später löste sich der Konflikt auf, ohne noch richtig begonnen zu haben, als die das Plakat haltende Schnur losgelassen wurde und die beiden Luftballons mit dem Stalin-Bild davonflogen.

Nach dem Zwischenfall sagte Astachow gegenüber Diena, er betrachte das Vorgefallene als Provokation, und gab seinem Bedauern Ausdruck, daß es nicht gelungen sei, den Zwischenfall abzuwenden. Ein Mann, der sich Diena gegenüber als Vertreter nationalbolschewistischer Ideen namens Konstantin Malkow vorstellte, erzählte, der Flug der Ballons mit dem Stalin-Bild sei beabsichtigt gewesen, nur habe man "nicht gedacht, daß es so schnell passieren würde".

Wie Diena nach der Kundgebung von Vilnis Berzins, Revierleiter der Rigaer Kommunalpolizei, erfuhr, ist der Mann, der das Plakat hielt, bisher noch nicht festgehalten worden. Eine endgültige Entscheidung über das weitere Vorgehen erwartet man sich von der Analyse des Foto- und Videomaterials. Außer den Nationalbolschewisten beteiligten sich an der Kundgebung auch Vertreter anderer radikaler Organisationen. Ein Mann hielt ein Foto von Wladimir Schirinowski mit der Aufschrift Ich halte den SS-Marsch auf, eine Frau verteilte Flugblätter der Limonow-Anhänger [ebenfalls Nationalbolschewisten, d.Ü.] mit der Aufschrift Nur ein toter SS-Mann ist ein guter SS-Mann. In der Mitte des Flugblattes prangte ein Bild des bekannten Horrorfilm-Darstellers Freddy Krieger mit der Unterschrift Bitte um eine Spende in russischer Sprache sowie eine Kontakt-Telefonnummer der Limonow-Anhänger. Auf Plakaten stand Nach Europa kommen wir nicht mit leeren Händen, sondern mit unserer SS und Tag der Waffen-SS-Legionen: eine Schande für Lettland. Bis 12.30 wurde klassische Musik gespielt, danach fanden sich aus der Richtung des Freiheitsdenkmals weitere Aktivisten ein und begannen mit dem Absingen selbstgetexteter patriotischer Lieder nach den Melodien von Katjuscha und Die Glocken von Buchenwald, aber mit geändertem Text. Die Versammelten sangen "Wir schlugen die Fritze an der Velikaja, wir schlagen die Wehrmacht und die Waffen-SS" und "Eine Salve aus der Katjuscha, alle Schützengräben offen, und der Legionär kneift wie ein Hund". Mehr als drei Lieder hatten sie nicht einstudiert. Auf der Kundgebung wurden auch Unterschriften gesammelt, um eine Klage über Menschenrechtsverletzungen in Lettland beim Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte einzureichen, denn, nach den Worten der Unterschriftensammler, "in Lettland werden die Menschenrechte auf allen Gebieten verletzt".

Exkl. Baltic News Watch für Hagalil Online
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Mit freundlichen Grüssen und den besten Empfehlungen - SLW
(zZ - xxx)

haGalil onLine - 03-99

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