Friedensverhandlungen wieder aufnehmen:
Heute kein Staat Palästina
Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO)
hat formell beschlossen, die Ausrufung eines unabhängigen
Palästinenser-Staates auf die Zeit nach der Parlamentswahl in Israel am 17.
Mai zu verschieben. Der Zentralrat der PLO, ein Ausschuß der Pal.
Nationalversammlung, vereinbarte mit überwältigender Mehrheit, die
Beratungen zur Staatsgründung im Juni wiederaufzunehmen, so Salim el Zanun,
Vorsitzender des Zentralrats. Das Gremium beschloß die Einrichtung von
Staatsgründungskomitees. Eines davon soll eine Verfassung entwerfen.
Ursprünglich hatten die Palästinenser am 4.Mai einen eigenen Staat
ausrufen wollen. Bis zu diesem Tag sollten sich Israel und die
Palästinenser nach ihrem Zwischenabkommen von 1993 (Oslo) eigentlich
über den endgültigen Status der Palästinenser-Gebiete und Jerusalems
einigen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte mit der
Annexion von Teilen der Palästinenser-Gebiete gedroht, falls
Palästinener-Präsident Jassir Arafat wie ursprünglich angekündigt
einseitig einen unabhängigen Staat ausrufen sollte. Auch die USA und die
EU warnten Arafat vor einem solchen Schritt zum jetzigen Zeitpunkt. Auf
die Wahl am 17.Mai könnte in Israel noch eine Stichwahl am 1.Juni
folgen.
Erneute US-Initiative
Die USA erneuerten ihr Engagement für den israelisch-palästinensischen
Friedensprozess in zweifacher Weise: Zum einen warnte ein Sprecher des
State Departments beide Seiten vor einseitigen Schritten in Jerusalem -
ein klarer Wink an Israel wegen der Absicht, im 'Orient House' Büros zu
schliessen. Zum Zweiten regte Präsident Clinton in einem Brief an Jasser
Arafat an, die Konfliktparteien sollten Verhandlungen über die
definitive Regelung innerhalb eines Jahres zu einem erfolgreichen Ende
zu führen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Clinton mit diesem
Brief an Arafath dessen Verschiebung des Termins zur Deklaration des
eigenen Staates unterstützen bzw. honorieren möchte.
Ein offizieller Sprecher in Washington meinte, man sei noch nie der
Meinung gewesen, der Osloer Prozess solle ins Unendliche verschleppt
werden. Eine Bemerkung, die möglicherweise die im Präsidentenbrief
erwähnte Frist von einem Jahr als eine Art Ultimatum erscheinen lassen
soll. Die Amerikaner schlagen im Übrigen für einen Zeitpunkt - rund
sechs Monate nach den israelischen Wahlen - ein Gipfeltreffen zwischen
Arafat, dem neuen israelischen Premierminister und dem US-Präsidenten
vor.
Von seiten der israelischen Regierung versucht man die Wichtigkeit der
Epistel aus Washington herabzuspielen. Für Netanyahu ist sie nicht viel
mehr als ein Versuch der USA, den Palästinensern zu helfen, 'vom hohen
Ast herabzusteigen', auf den sie mit ihrer inzwischen zurückgenommenen
Ankündigung, am 4. Mai einen eigenen Staat auszurufen, 'hinaufgeklettert
seien'.
Kritisch zur amerikanischen Initiative äußerte sich auch Haim
Ramon, ein Abgeordneter der Israelischen Arbeitspartei. Die Fixierung eines
Zieldatums für die Beendigung der Verhandlungen durch die USA, meinte er,
können beinahe gleichgesetzt werden mit einer 'Balfour-Erklärung für die
Palästinenser'. Dass es dazu kommen konnte, ist nach Ramons Ansicht
allerdings die Schuld Netanyahus und seiner Regierung. Durch deren
Verschleppungstaktik sei es erst soweit gekommen, dass Israel heute von
seinem wichtigsten Partner derart gedrängt wird.
Trotz aller wahlkampftaktischen Überlegungen bedeutetet das
wiedererwachte Interesse der USA am Nahen Osten, trotz Kosovo, Druck auf
beide
Seiten. Dies könnte sich im Endspurt des Wahlkampfes und vielleicht auch
im Ergebnis des Urnenganges niederschlagen - die Frage ist nur, in
welcher Weise.
haGalil onLine -
Dienstag 04-05-99 |