Streit zwischen Walser und Bubis
beigelegt?
Unbehagen bleibt
Nach monatelanger Kontroverse um die Friedenspreisrede Martin Walsers haben
der Schriftsteller und der Präsident des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Ignatz Bubis, miteinander geredet. Bubis habe eingelenkt, hiess
es danach. Hat er?
Frankfurt/Main - Beide trafen sich am Samstag abend
in Frankfurt zu einer klärenden Aussprache, die auf Vermittlung des
Herausgebers der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Frank Schirrmacher und
unter Beteiligung von Salomon Korn, Mitglied des Zentralrates der Juden,
stattfand. Er habe den Vorwurf der "geistigen Brandstiftung" gegen
Walser zurückgenommen, sagte Bubis am Sonntag abend in einer
Sondersendung der ARD.
Walser
hatte bei seiner Rede anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des
Deutschen Buchhandels vor einer "Instrumentalisierung von Auschwitz"
gewarnt. Der Holocaust eigne sich nicht zur "Moralkeule". Walser sagte:
"Wenn mir .. jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten
wird, merke ich, daß sich in mir etwas gegen diese Dauerpräsentation
unserer Schande wehrt." Bubis hatte den Schriftsteller daraufhin als
"geistigen Brandstifter" bezeichnet und eine heftige Debatte ausgelöst.
Walser und Bubis machten am Samstagabend deutlich,
daß es in der Sache weiterhin Meinungsverschiedenheiten gebe. "Über die
Wirkung der Rede sind wir weiter unterschiedlicher Meinung", sagte
Bubis. Er hielt Walser vor, mit seinen Äußerungen über den Umgang der
Deutschen mit der Nazi-Vergangenheit habe er den Befürwortern eines
"Schlußstrichs" ungewollt Argumente geliefert.
Walser wies den Vorwurf, seine Rede sei
mißverständlich gewesen, zurück. Sie sei vielmehr von vielen als
befreiend empfunden worden.
Eben diese Befreiung ist für viele das
Erschreckende: "Es macht einen Unterschied, ob diese Aussagen am
Stammtisch oder in der Paulskirche erfolgen", so Michel Friedmann
deutlich.
Man könne den Menschen das Erinnern nicht
vorschreiben. Deutschland werde weiter wie "ein Straftäter auf
Bewährung" behandelt, so Walser.
Bubis nahm den Vorwurf des "geistigen Brandstifters"
zurück: "Ich habe Herrn Walser in einer bestimmten Art verstanden, die
dazu geführt hat, daß ich ihn der geistigen Brandstiftung beschuldigt
habe", sagte der Präsident des Zentralrats. "Herr Walser hat mir
erklärt, in einem längeren Gespräch, wie er es gemeint hat. Das hat dazu
geführt, daß ich diesen Begriff 'Geistige Brandstiftung' nicht
aufrechterhalte."
Die Diskussion geht weiter. Hoffen wir, daß diese
zivilisiert bleibt.
SL
Herr Walser spielte wiederum den Ahnungslosen. Noch
nicht einmal den Vorwurf der Missverständlichkeit seiner nebulösen Rede
lies er gelten. Stattdessen wiess er auf tausend Zuschriften hin, auf
die immense Zustimmung, die ihm entgegengebracht wurde und auf das
deutliche Gefühl der Befreiung, das so viele - auch sehr prominente
Würdenträger dieses Staates empfunden hatten, beim Hören oder Lesen
seiner Rede.
Um sich ein Bild zu machen von der Wirkung seiner
Rede genügt derzeit ein Blick in unsere Foren, in andere Foren oder auch
in die Leserbriefseiten deutscher Zeitungen, z.B. des 'Spiegel'. Hier
nur ein Beispiel:
"Wenn wir uns noch einmal die Walser-Rede
anschauen, dann lesen wir, daß Walser die deutsche
Vergangenheitsbewältigung, die schon unsere Eltern und Großeltern bis
zum geht nicht mehr durchleiden mußten, als Ritual gegeißelt
bzw. kritisiert hat. Er meinte sicher auch die Heuchler und
Pharisäer, die einerseits unser Volk ständig anklagen und andererseits
damit auch noch viel Geld verdienen.
Im Fernsehen war darüberhinaus auch ganz
deutlich zu sehen, daß selbst Herr Herzog, einer der bestimmten Ritualen
auch nicht gerade abgeneigt ist, Herrn Walser dankbar Beifall
geklatscht hat bei dessen Rede in Frankfurt am Main, dem Wohn-
und Arbeitsort des Herrn Bubis.
Nochmals, herzlichen Dank, lieber Martin
Walser.
Der Ruck durchs deutsche Volk, sehr geehrter Herr Bundespräsident, der
wurde deutlich gespürt.
Da kommt Freude auf."
Institut für
Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen:
Walsers
'humanistische Beredsamkeit' gekürt zur 'Rede des Jahres'
Oder vielleicht lieber
doch nicht?
Michael Naumann will
Holocaust-Museum statt Mahnmal
haGalil onLine -
Dienstag 15-12-98 |