"Man kann nicht die Geschichte der
lettisch-jüdischen Beziehungen in diesem Jahrhundert betrachten, ohne
den Holocaust zu erwähnen, besonders nicht, wenn dies in Haaretz
geschieht," schrieb Zuroff an Ulmanis. "Die Nichterwähnung der
Beteiligung von zahlreichen Letten an der Vernichtung der Juden in
Lettland und einigen anderen Ländern kommt dem Leugnen sehr nahe," so
Zuroff weiter.
Von Reuters dazu befragt, schien
Guntis Ulmanis keinen Fehler an seinem Verhalten zu erkennen. Zuroff
forderte Ulmanis in einer weiteren Stellungnahme auf, die beiden
Offiziere des berüchtigten Arajs Kommando in Riga vor Gericht zu
stellen.
Etwa 95% der 70.000 Juden Lettlands wurden
von den Nazis und ihren lokalen Helfern ermordet. In der lettischen
Gesellschaft wird die Diskussion über die eigene Verstrickung als Täter
mit dem Bewusstsein vermischt, zuwenig der Welt über Deportationen und
Sowjetunrecht mitgeteilt zu haben.
Im entstehenden Dogma, alle im Sowjetsystem
gutgeheissenen Initiativen wären nun negativ belegt, werden Täter zu
Helden, Opfer vernachlässigt und vergessen. So wird die lettische
SS-Einheit, in Lettland oft "Legion" genannt, idealisiert. Deren
Gedenktag am 16. Maerz wurde im Juni vom Parlament zum "Soldatentag"
erklärt.
Die Waffen-SS-Einheit wurde im Jahre 1943
gegründet. Damals lebten praktisch keine Juden in Lettland. Zahlreiche
Ausbilder und Offiziere kamen jedoch aus den Hilfspolizeieinheiten und
dem ARAJS-Kommando, die für ihre Grausamkeit berüchtigt waren.
Im Frühjahr 1998 kam es zu heftigen Protesten
nach einer Gedenkveranstaltung der "Legion" am 15. und 16.Maerz in Riga.
Von westlichen Medien wurden diese Proteste gerne und vereinfachend als
"Irritation im russisch-lettischen Verhältnis" dargestellt.
Am 28.9.98 beschloss die Saeima, das
lettische Parlament eine Resolution, die "Schaden vom Ansehen der Legion
fernhalten soll". Eine von der Partei des deutschen rechtskräftig
verurteilten Neonazis Joachim Siegerist eingereichte Entschliessung wird
von der Mehrheit des Parlaments eines Landes verabschiedet, das ein Teil
des europäischen Hauses werden will.
Es wird Zeit für eine Nachfrage an
die Aussenminister der Europäischen Union: Wird ein Land, dessen
parlamentarische Mehrheit sich auf die Seite der Mörder des zweiten
Weltkrieges stellt, ohne weitere Nachfrage Mitglied der EU?
SLW
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