"Der Aberglauben
schlimmster ist, den seinen
Für den erträglichern zu halten."
Theater Heilbronn in Israel:
Die Toleranz ist ein Gebot der Vernunft
Auf seiner Gastspiel-Reise
durch Israel und die palästinensischen Autonomie-Gebiete, will das
Heilbronner Stadttheater
Mit Lessings 'Nathan der Weise' ein Zeichen für
den Frieden setzen. Zu sehen sein wird das württembergische Theater bis zum
12.Oktober in Tel Aviv und Haifa sowie in Gaza, Ramallah und Nablus. 'Ängste
auf beiden Seiten' verhinderten einen Auftritt in Jerusalem, so Intendant
Klaus Wagner, solche Ängste verständlich findet. Es ist das erste Mal, daß
ein deutsches Theater in den palästinensischen Autonomie-Gebieten gastiert.
In Heilbronn bietet das Stadttheater jährlich
Uraufführungen israelischer Autoren. 'Wir spielen nicht das Alibistück
über den Holocaust, sondern thematisieren mit Stücken wie «Herbst»
von Motti Lerner oder «Scheindele» von Danon/Levi die israelische
Gegenwart. In dieser Spielzeit thematisiert er mit dem Stück 'Die
Vergewaltigung' des syrischen Autors Sadallah Wannus den
israelisch-palästinensischen Konflikt.
Jüdische Kultur, egal welcher Intention und
auf welche Zeit sie sich auch beziehen mag, ist in Deutschland noch
immer ein Risiko und ein persönliches Wagnis für alle Beteiligten - und
vermutlich wird es auch noch lange so bleiben. Auch im 'liberalen
Württemberg' war die Reaktion des Publikums zuerst eher ablehnend:
'Jetzt kommt wieder das Judenstück', hiess es zunächst. Wagner, dessen
Vater aus politischen Gründen sieben Jahre im Nazi-Konzentrationslager
Dachau inhaftiert war und dessen Mutter unter den Nazis als 'Halbjüdin'
verfolgt wurde meint aber: 'Die Akzeptanz ist inzwischen schon besser
geworden'.
NATHAN DER WEISE
Ein dramatisches Gedicht von Gotthold Ephraim Lessing
Der Jude Nathan, ein Kaufmann aus Jerusalem,
kehrt von einer Geschäftsreise zurück und findet sein Haus abgebrannt.
Er bangt um seine einzige Tochter Recha. Aber sie ist von einem
christlichen Ritter des deutschen Templerordens aus den Flammen gerettet
worden. Dieser Tempelherr, ein Franke, ist kurz zuvor von dem
moslemischen Sultan Saladin zum Tode verurteilt, vom gleichen Sultan
aber im Augenblick der Vollstreckung wieder begnadigt worden.
Ist es ein Wunder, daß sich die Tochter
Nathans in ihren Retter verliebt? Al Hafi, ein moslemischer Bettelmönch,
der dem weltlichen Treiben als Derwisch entfliehen wollte, wird vom
Sultan zum Schatzmeister der Hofschatulle gemacht und so in die
''Staatsgeschäfte" gezogen. Sittah, die Schwester des Sultan, macht sich
den Derwisch zum Komplizen und benutzt ihn, um sich in die
Geldangelegenheiten ihres Bruders einzumischen. Ein christlicher
Einsiedler, von Moslems aus seiner Höhle vertrieben, wird als
Laienbruder vom Patriarchen in Jerusalem zurückgehalten und für seine
ganz und gar unchristlichen, machtpolitischen Zwecke mißbraucht. Daja,
eine christliche Kinderfrau, hat die Pflegetochter Nathans großgezogen;
denn Recha ist als christlich getauftes Findelkind zu Nathan gekommen.
Das sind die Personen, die Lessing in seiner
märchenhaften Parabel ''Nathan der Weise" zusammenführt; das sind die
Charaktere, mit denen er uns sein perspektivisches Menschlichkeitsideal
vorführt. – ''Die Szene ist Jerusalem": An diesem Schnittpunkt der
Weltreligionen herrscht im Jahre 1192, nach dem dritten Kreuzzug, ein
zerbrechlicher Waffenstillstand. Hier siedelt Lessings ''Welt, wie ich
sie mir denke". Eine Welt der Freundschaft, in der alle Menschen Brüder
sind. ''Und es mag an der Vorsehung wohl nicht allein liegen, daß sie
nicht ebenso wirklich ist", notiert der kritische Aufklärer Lessing in
der Ankündigung seines ''theatralischen Versuchs" aus dem Jahre 1779.
Angesichts des Potentials universaler
Selbstausrottung der Menschheit, angesichts immer neu aufkeimender
Nationalismen, angesichts einer Welt, in der kriegerische
Auseinandersetzungen zur Lösung historischer Widersprüche wieder
tauglich scheinen, ist, was einst moralische Sehnsucht war, heute
elementare Notwendigkeit geworden: Die Vernunft zwingt zur gegenseitigen
Duldung der Menschen, der Völker und der Religionen.
haGalil onLine -
Samstag, 14. Dezember 2013 |