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Kulturförderung nach Gutsherrenart:
Vom Zensor ersatzlos gestrichen

Die letzten Jahre waren gekennzeichnet durch steigende Arbeitslosenzahlen, steigende Aktienkurse und steigende Gewaltbereitschaft im rechten politischen Spektrum. Neben ausländerfeindlichen Schlagworten brachten Kanzler und Bundesregierung aber noch so manch anderes Schlagwort unters Volk: Deutschland sei kein Freizeitpark, man könne sich in der rauher werdenden Wirklichkeit nicht bei jedem Schnupfen in's Bett legen, Eigeninitiative sei angesagt. Grosszügige Subventionen von Grosskonzernen wurden begleitet von Kürzungen bei der Sozialhilfe und Einschränkungen des Asylrechts. Der von der Allgemeinheit eingeforderte 'Solidaritätsbeitrag Ost' diente der Absicherung einer möglichst risikolosen Expansion der westdeutschen Industrie- und Handelskonzerne. Luxuswohnanlagen und exclusive Büroräume in Toplagen wie Bautzen und Hoyerswerda wurden durch grosszügige Abschreibungsmodelle möglich gemacht. Die wirklich Reichen brauchen inzwischen kaum mehr Steuern zu bezahlen. Besitz schaffen mit den Steuern der Allgemeinheit, lautet der Finanztip.

Kulturförderung und politische Bildung gerieten zum Luxusartikel. Auch hier wird immer mehr dem Engagement Einzelner überlassen. In wohlfeilen Worten, ausgesucht und formuliert durch hochbegabte und hochdotierte Redenschreiber, wird solches Engagement bei entsprechenden Gedenk- und Mahnveranstaltungen gerne 'begrüßt' - im politischen Alltag aber gleich wieder ignoriert bzw. sich selbst überlassen.

Etwas mehr als wohlwollende Worte wollten unsere Staatsdiener aber dennoch einer 'löblichen Initiative' zuteil werden lassen: Dem Verein "Art und weise e.V.", der sich seit Jahren durch die kreative Arbeit Berliner Künstler mit geistig behinderten Schülerinnen und Schülern um die Allgemeinheit verdient gemacht hatte, war es nach zähen Verhandlungen mit Abgeordneten des Berliner Parlaments gelungen, die grosszügige Einwilligung zu erhalten, im Herbst dieses Jahres in der "galerie im parlament" die besten Ergebnissen dieser Arbeit auszustellen. Der bekannte (ehem. ostberliner) Schriftsteller und Lyriker Jürgen Rennert wurde vom Verein daraufhin um Textbeiträge für den Katalog gebeten. Im Berliner Dom, dessen Kunstdient er als stellvertretender Leiter betreut, hatte er schon vor längerem eine Möglichkeit geschaffen, die Kunstwerke und ihre als "geistig behindert" apostrophierten, mental höchst beweglichen Schöpferinnen und Schöpfer vorzustellen.

Ein Ausstellungskatalog wurde entworfen. Die Texte Jürgen Rennerts eingebaut und der Katalog beim Kulturausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses vorgelegt. Dort scheint man vom Fördern weniger Ahnung zu haben als vom Reglementieren. In gutsherrlicher Manier erging von dort am 30.09.98 folgender Bescheid:

Anlage-1

Abgeordnetenhaus BERLIN
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kulturelle Angelegenheiten

An ART und weise e.V.
z. H. Frau Pohl

Betrifft: Ausstellung "Nashorn macht Schule"

Sehr geehrte Frau Pohl,

leider muß ich Ihnen mitteilen, daß die von Ihnen für den Katalog vorgeschlagenen Texte von Herrn Jürgen Rennert seitens unseres Hauses nicht akzeptiert werden. Ich schlage daher vor, die Texte "Von der Gleichgewichtigkeit", "Vom Kunstwerk" und "Noachs Kasten" zugunsten weiterer Abbildungen von Arbeiten der Kinder ersatzlos entfallen zu lassen.

Die von uns zu liefernden Texte des Präsidenten und von Dr. Biewald sowie die überarbeitete Version des Impressums werden Sie wie verabredet am Freitag, dem 2. Oktober 1998, per Fax erhalten.

Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag

gez. M. Smoltczyk

Der Verein reagierte mit folgendem Bittschreiben:

Anlage-2

ART und weise e.V. Der Vorstand
Sitz: Bürgerhaus Grünau Regattastraße 141 12527 Berlin

an
Abgeordnetenhaus BERLIN

Betrifft: Ausstellung "Nashorn macht Schule", Galerie im Parlament Texte für den Katalog zur Ausstellung

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Kenntnis der kategorischen Ablehnung der Texte des bekannten Berliner Schriftstellers Jürgen Rennert durch den Vorsitzenden des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und kulturelle Angelegenheiten im Abgeordnetenhaus in Berlin, Herrn Dr. Biewald, bringen wir unser Befremden zum Ausdruck.

Wir halten die Texte nicht nur für engagiert und wünschenswert, sondern auch für unentbehrlich im Zusammenhang mit der Darstellung unseres Projektes. Wo, wenn nicht im Parlament, gibt es die Gelegenheit, vor versammelter politischer und kultureller Kompetenz über die Brisanz des Lebens "Behinderter" in unserer Gesellschaft und über ihre Fähigkeiten und Begabungen zu sprechen. Uns sind die Texte so wichtig, daß wir bei weiterer Ablehnung erwägen. schweren Herzens die Ausstellung zurückzuziehen und die Angelegenheit in der Öffentlichkeit zu diskutieren.

Wir hoffen auf den kritischen Sachverstand der Abgeordneten oder verschiedenen Fraktionen, um die willkürliche Ablehnung der Texte zu verhindern.

gez. Antje Fretwurst Colberg

Am 1.Oktober tagte der Kulturausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses, um über den Einspruch (Anlage-2) des Vorstands des Selbsthilfeverein zur Förderung von Kunst und Kultur gegen das am 30. September ergangene Verbot (Anlage-1) zu beraten. Gegen 17h wurde mitgeteilt, daß an der Ablehnung der Texte nicht zu rütteln sei. Es könne allenfalls erwogen werden, Herrn Rennert um einen streng auf die "Arche Noah" (Anm.: Kurzfassung des gleichfalls abgelehnten Rennert-Textes aus dem Kinderbuch "Noachs Kasten") bezogenen neuen Textvorschlag zu bitten. Dieser müsse bis spätestens am Morgen des 2.Oktober beim Vorsitzenden des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und kulturelle Angelegenheiten, Herrn Dr. Biewald (CDU), vorliegen, da der Katalog zur Ausstellung "Nashorn macht Schule - Künstlerische Arbeiten anders begabter SchülerInnen" in der vom Abgeordnetenhaus unterhaltenen "galerie im parlament" am Montag in Druck gehe.

Da dieser Aufforderung natürlich nicht nachzukommen war, hat Jürgen Rennert nun den Verein gebeten, klein beizugeben, um - am Vorvorabend des Staatsfeiertages - nicht die Chance zu vertun, den betroffenen Jugendlichen wenigstens einmal im Leben Eingang ins Hohe Haus der Bundeshauptstadt Berlin zu verschaffen.

Wäre dies ein Einzelfall, so würden wir Ihre Aufmerksamkeit nicht für diesen Fall fordern. Dieser und ähnliche Fälle sind beispielhaft für die Unglaubwürdigkeit der Einflussreichen in unserem Staat. Diese Unglaubwürdigkeit ist der Nährboden für die Rattenfänger der rechten Szene. Es ist leider eher die Regel als die Ausnahme, dass staatliche Zuwendungen wie Almosen vergeben werden. In den entsprechenden Gremien herrscht eine Gutsherrenmanier, die davon ausgeht, dass die Förderung der Initiativen Einzelner vom Wohlgefallen der zuständigen Sachbearbeiter abhängig zu machen sei. Ein solcher Ansatz ist absolut undemokratisch. Er begreift nicht, dass die Diener dieses Staates - und nichts anderes sind auch die Vorsitzenden entsprechender Ausschüsse - nicht nach ihrem Empfinden sondern nur nach dem pluralistischen Interesse aller, die diesen Staat tragen und finanzieren (und dies sind die Einwohner dieses Landes), zu entscheiden haben. Die Gelder, die sie vergeben, sind keine Mittel privater Mäzene sondern die von der Allgemeinheit in ihrer Gesamtheit aufgebrachten Mittel.

Gefordert werden Eigeninitiative, Selbstverantwortung, Kreativität, manchmal sogar Zivilcourage - gefördert werden Duckmäusertum, Opportunismus, Gleichgültigkeit und Egoismus. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache - und dies schon eher in eigener Sache, dass 95% der staatlichen Fördermittel im Bereich neuer Medien in die Kassen der Medienzaren Bertelsmann, Kirch, Holzbrinck und Burda fliessen.

Brot und Spiele am Fürstenhof

dg

Die abgelehnten, als auch weitere Texte von Jürgen Rennert finden Sie hier.

haGalil onLine - Samstag, 14. Dezember 2013

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