Kreuze in Auschwitz:
Kein Problem 'jüdischer Extreme'
Dieser Leserbrief ging an die österreichische Zeitung 'die presse', in
Reaktion auf eine, durch presse-Korrespondent K. Bachmann und
presse-Kommentatorin I. Miller vorgenommene Gleichsetzung katholischer
polnischer und jüdischer "Extreme" bei der Diskussion um die Errichtung von
Kreuzen auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers
Auschwitz-Birkenau. Der Brief wurde dort (gekürzt) abgedruckt am 29.8.98.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Presse-Korrespondent Klaus Bachmann und
-Kommentatorin Irene Miller irren gleichermaßen, wenn sie eine
Gleichsetzung katholischer polnischer und jüdischer "Extreme" bei der
Diskussion um die Errichtung von Kreuzen am oder neben dem Gelände des
ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau
vornehmen.
Es besteht hier keine Parität, und eine
Gleichsetzung ist in sich falsch. Die Presse-Journalisten haben nicht
das Recht, sich als Schiedsrichter aufzuspielen. Die geplante und
millionenfach ausführte Vernichtung europäischer Juden wurde
ausschließlich von Nichtjuden getragen, die christlich erzogen und
geprägt waren, und zu einem guten Teil, vor allem in Süddeutschland, der
"Ostmark" Österreich und im besetzten Polen waren es Katholiken. Und
darin liegt der Unterschied: Katholiken und andere Christen fanden sich
sowohl bei den Opfern als auch - und das in weitaus größerer Zahl - bei
den Tätern, während Juden einzig auf der Seite der Opfer zu finden waren
(abgesehen von jenen, die zur Kolaboration gezwungen wurden).
Juden sind ihrer Geburt wegen kollektiv
(wie sonst nur Roma und Sinti) vernichtet worden, Polen und Katholiken
wurden auch verfolgt und in vielen Fällen ermordet - aber als
Individuen. Katholische Polen wurden in der Mehrzahl nicht als
Katholiken verfolgt, sondern als Polen, auch wenn das in der
institutionalisierten Erinnerung an einzelne Ausnahmen, beim Gedenken an
das Schicksal des katholischen Paters Maximilian Kolbe etwa, anders
erscheinen mag.
Jüdische Polen wurden hingegen als Juden
verfolgt und ermordet. Polen stellen das größte nationale "Kontingent"
an "Gerechten", die als Einzelpersonen für ihre Hilfe gegenüber Juden
von der israelischen Schoa-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem geehrt
wurden - und das bei gleichzeitigem geradezu legendärem polnischen
Antisemitismus, der noch 1946 (!) in ein polnisches Pogrom gegen Juden
mündete.
Auschwitz, das seit seiner Befreiung durch
die Rote Armee am 27.1.45 zum Synonym für die nationalsozialistische
Judenvernichtung wurde (die Zahl und das Schicksal der jüdischen Opfer
wurden vom kommunistischen Polen übrigens jahrzehntelang
heruntergespielt), kann also nicht Schauplatz jenes Symbols sein, das im
Christentum für die Erlösung steht - soferne man damit nicht die Ermordung der Juden als
Erlösung darstellen möchte.
Im Kontext der Geschichte hat das Kreuz in
oder bei der Gedenkstätte in Auschwitz antisemitischen Beigeschmack,
zumal sich die katholische Kirche bislang auch nur halbherzig zu ihren
antisemitischen Untaten bekannt hat. (Eine österreichische Variante
findet man übrigens in der Gedenkstätte KZ Mauthausen, in der sich in
der Lagerkapelle (!) ein Kreuz mit der Inschrift "Österreich 1938"
befindet ...).
Juden, die sich aufgebracht und empört
gegen die Errichtung von Kreuzen in unmittelbarer Nähe jenes
symbolträchtigen Ortes der Schoa wenden, dürfen deshalb mit den
polnischen katholischen Fundamentalisten nicht ohne Differenzierung in
einem Satz genannt werden.
Mit freundlichen Grüßen Anton Legerer, Jr. Korrespondent Jüdische Rundschau Maccabi, Basel
1100 Wien Tel & Fax 01-606 5365
anton.legerer@arche.or.at
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