«Il Messaggero»
Die Geschichte hat bisher nur einen Vorschuß gefordert
...Aus den Öfen von Auschwitz kamen keine
schriftlichen Bescheinigungen, und die menschlichen Skelette, die die
Verbündeten in Mauthausen vorfanden, hatten kein Verlangen, Forderungen
zu stellen; die Banken wiederum hatten die feste Absicht, an den Regeln
ihres Gewerbes festzuhalten, also das Geld zu behalten. So ging das 50
Jahre lang...
...Die Bankkonten der Juden bewegten sich in Milliardenhöhe, und
das von Hitler geraubte und in der Schweiz angelegte Gold, um damit
seinen Krieg zu finanzieren, könnte sich etwa auf zwei Drittel der
Goldreserven von Genf belaufen. Die Geschichte hat bisher nur einen
Vorschuß gefordert, die Rechnung muß sie noch präsentieren. Diese wird
gesalzen sein.
Die Banken und das Geld der Ermordeten:
Freiwillig hätte es wohl keinen einzigen Franken
gegeben
Aus den Verhandlungen zwischen
Schweizer Großbanken und Vertretern der Holocaust-Überlebenden sind
anscheinend beide Seiten als Sieger hervorgegangen. Die amerikanischen
Sanktionsdrohungen gegen die Eidgenossen konnte abgewehrt werden. Die
hochbetagten jüdischen Sammelkläger kommen endlich - und jetzt hoffentlich
schnell - zu ihrem Geld. Die Schweizer Banken hätten ihr erstes Angebot von
nur 600 Millionen US-Dollar wohl kaum auf 1,25 Milliarden Dollar
aufgestockt, wenn ihnen die Anwälte der Gegenseite nicht das Messer auf die
Brust gesetzt hätte. Unterstützt wurden die Rechtsanwälte und der Jüdische
Weltkongreß dabei vor allem von US-Senator Alfonse D'Amato und New Yorks
Finanzchef Alan Hevesi.
Am 1. September sollten die von mehreren
Bundesstaaten angekündigten Sanktionen in Kraft treten. Diese sahen
zunächst einen Rückzug aus Tagesgeld-Anlagen und später sogar einen
Boykott von Schweizer Produkten vor. Gegen solche massiven Drohungen
konnte auch Bundespräsident Flavio Cotti nichts ausrichten. Er schickte
zwar vor einigen Wochen einen empörten Brief an US-Präsident Bill
Clinton - versehen mit einem dezenten Hinweis auf die umfangreiche
Schweizer Investitionen in den USA - erhielt darauf jedoch nicht einmal
eine offizielle Antwort. Einzelne Schweizer Ankündigungen (Swatch...)
des Gegenboykotts amerikanischer Produkte machten wenig Eindruck. Vor
allen Dingen aber fürchteten die Banker den Imageschaden einer
andauernden Anti-Schweiz-Kampagne. «Der Imageschaden war bereits groß
und wäre langfristig sicher noch größer geworden», meint die Sprecherin
der Bankiervereinigung, Silvia Matile-Steiner. Vergleiche mit
Paria-Staaten wie Südafrika zur Zeit des Apartheids-Regimes hätten die
Banken sehr besorgt gestimmt. «Wir sind überzeugt, daß das so nun die
beste Lösung ist, um einen möglichen Flächenbrand zu vermeiden.» «Wir
sind glücklich, daß es den Banken gelungen ist, eine Einigung zu
erreichen», erklärt auch Werner Abegg, Sprecher der Schweizerischen
Nationalbank.
Die Globallösung über die sogenannten
nachrichtenlosen Vermögen bedeutet für die Nationalbank das Ende der
Debatte um ihre Goldgeschäfte mit Nazi-Deutschland. Der Vergleich von
New York soll auch alle finanziellen Ansprüche der
Holocaust-Überlebenden an den Schweizer Staat abdecken. Dabei saßen
weder Vertreter des Staates noch der Nationalbank mit am
Verhandlungstisch. Für Gerhard Walter, Professor für internationales
Privat- und Verfahrensrecht in Bern, ist dies eine höchst eigenartige
Konstruktion. Außerdem stelle sich die Frage, wie die Gruppe der
Holocaust-Opfer in dem Vergleich definiert worden sei, ob nur US-Bürger
oder alle Opfer, die sich melden, Geld erhalten sollten. Nach Angaben
der Großbanken wird die Verteilung des Geldes allein vom jüdischen
Weltkongreß und den Sammelkläger-Anwälten organisiert. Schweizer
Institutionen weerden dabei keine Rolle spielen.
In der allgemeinen Erleichterung der
Schweizer darüber, daß nach zwei Jahren wüster Anschuldigungen und
gegenseitiger Schuldzuweisungen nun endlich doch eine Lösung gefunden
worden ist, sind jedoch auch kritische Töne zu vernehmen. Vor allem
rechts-konservative Schweizer Politiker wie der SVP-Präsident Ueli
Maurer sind enttäuscht über den Vergleich. Die SVP-Bundesratsfraktion
sprach am Donnerstag von bedauerlichen Erpressungsversuchen und
«bedenklichen Revolvermethoden».
Vertreter der jüdischen Gemeinden in der
Schweiz haben ihre Besorgnis darüber angemeldet, ob Summe von 1,25
Milliarden Dollar auch wirklich den Holocaust-Überlebenden und ihren
Erben zugute kommen werde. Sigi Feigel, Ehrenpräsident der
Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ), meinte, er könne sich nur
dann für die Opfer freuen, wenn diese auch in vollem Umfang die
ausgehandelte Summe erhielten. Er hoffe, daß nicht ein Großteil des
Geldes bei Anwälten und jüdischen Organisationen hängenbleibe. Feigel
äußerte ferner Zweifel, ob mit dem Vergleich künftig alle Klagen aus den
USA ausgeschaltet seien. Daß der drohende Wirtschaftskrieg zwischen der
Schweiz und den Vereinigten Staaten vermieden werden konnte, sei zu
begrüßen. Die Tatsache, dass die Schweiz sich als erpreßbar erwiesen
habe, bereite aber auch ihm Sorgen. Er frage sich, ob ein Vergleich oder
eine Kapitulation zustande gekommen sei.
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Samstag, 14. Dezember 2013 |