Einfache Leute, die die Folgen des
Verrats nicht überblicken konnten:
Anne Frank von Putzfrau verraten?
Anne Frank ist wahrscheinlich von der Putzfrau Lena Hartog an die Nazis
verraten worden. Zu diesem Schluß kommt die österreichische Historikerin
Melissa Müller, die nächste Woche in Deutschland, den Niederlanden und den
USA eine neue Anne Frank- Biographie veröffentlicht.
«Ich sage nicht, daß ich sicher weiß, daß
Frau Lena Hartog-Van Bladeren es getan hat. Aber ich sage, daß es
soviele Hinweise darauf gibt, daß diese für die Polizei zumindest hätten
ausreichen müssen, um Lena Hartog vor Gericht zu bringen», sagte Müller
in einem Gespräch mit der niederländischen Abendzeitung 'NRC
Handelsblad'.
Die Nazi-Sondertruppe SS im besetzten
Amsterdam hatte am 4. August 1944 einen telefonischen Hinweis darauf
bekommen, daß sich im Haus Prinsengracht 263 die jüdische Familie Frank
versteckt hielt. Lena Hartog arbeitete in dem Geschäft im Erdgeschoß des
Hauses als Putzfrau, ihr Mann Lammert war im Magazin tätig. Nach dem
Krieg bestritt Lena Hartog in einem Verhör, von dem Versteck gewußt zu
haben. Nach den Erkenntnissen von Melissa Müller ist dies schlicht
gelogen: Frau Hartog habe noch kurz vor dem Einfall der SS zu Helfern
der untergetauchten Familie gesagt, daß sie 'die Anwesenheit der Juden
nicht mehr länger mit ansehen könne. Alle, die in dem Haus arbeiteten,
würden dadurch in Lebensgefahr gebracht'.
Lammert Hartog starb 1959, Lena 1963. «Es
waren sehr einfache, normale Leute, die die Tragweite ihres Verrats
nicht überblicken konnten», sagte Müller. «Das macht es
für mich umso tragischer, umso trauriger auch.»
Fünf kritische Seiten
Erst Anfang des Monats (08-98) war bekannt
geworden, dass im 'Tagebuch der Anne Frank' fünf Seiten mit kritischen
Bemerkungen über die Ehe ihrer Eltern fehlten. Die Anne-Frank- Stiftung
in Amsterdam bestätigte, die bisher unbekannten Seiten seien zur Zeit im
Besitz eines ehemaligen Mitarbeiters der Stiftung, der die Seiten nach
eigenen Angaben von Annes Vater Otto Frank bekommen habe.
Alle Bewohner des Hinterhauses an der
Prinsengracht wurden von den Deutschen in Konzentrationslager
deportiert. Anne starb kurz vor Kriegsende mit 15 Jahren in
Bergen-Belsen. Nur ihr Vater Otto überlebte den Holocaust und fand
später das Tagebuch, in dem Anne zwischen 1942 und 1944 ihr Leben im
Versteck in einem Hinterhaus in Amsterdam beschrieben hatte. Das
Tagebuch der Anne Frank gilt als eines der bewegendsten Zeugnisse des
Holocaust. und wurde eines der meistgelesenen Bücher der Welt. Bei
seinem Tod 1980 übertrug er die Rechte an dem Tagebuch dem
schweizerischen Anne-Frank-Fonds. Das Originalexemplar des Tagebuchs
vermachte er dem Institut für Kriegsgeschichte in Amsterdam. Das
niederländische Institut für Kriegsgeschichte und der Anne-Frank-Fonds
in Basel verlangen nun die Herausgabe des Materials.
Schon bei der Erstveröffentlichung 1946 hatte
Otto Frank längere Passagen zurückgehalten, in denen Anne ihre Mutter
kritisierte. In einer Neu-Ausgabe wurden diese Stellen 1986 aufgenommen.
haGalil onLine -
Samstag, 14. Dezember 2013 |