Umfrage in Israel:
Nach Weizmans Aufruf Mehrheit für Neuwahlen
Jerusalem (dpa) - Insgesamt 50 Prozent der Israelis unterstützen nach einer
Meinungsumfrage die Idee rascher Neuwahlen. Die israelische Zeitung «Jedioth
Achronoth» berichtete am Dienstag, nach einer Umfrage des «Dachaf»-Instituts
seien nur 39 Prozent der Befragten gegen Neuwahlen. Nach dem Aufruf des
Staatspräsidenten Eser Weizman zu Neuwahlen befragte das Institut in einer
repräsentativen Stichprobe 507 Israelis. Regierungschef Benjamin Netanjahu
hatte Neuwahlen kategorisch abgelehnt.
Weizmans Amt ist weitgehend repräsentativ und
unpolitisch. Sein Angriff auf die Regierung wurde von Repräsentanten der
Regierung und der Opposition als Machtmißbrauch verurteilt. Israelische
Medien berichteten am Dienstag, Ziel von Weizmans Aufruf vom Vortag sei
es, gemäßigte Mitglieder der rechtsorientierten Koaltion Netanjahus
wegen des Stillstands im Friedensprozeß zum Sturz der Regierung zu
bewegen.
Netanjahu meinte zu den Vorwürfen: «Weizman hat ganz
klar die rote Linie überschritten. Er hat sich grob in die Politik
eingemischt». Er beschuldigte Weizman zudem, er habe sich «an die Spitze
der Forderung des linken Lagers gestellt, die gewählte Regierung des
Staates Israel zu stürzen». Dies sei ohne Beispiel in Israels
Geschichte.
Avigdor Kahalani, Minister für Inneres Sicherheit
und Chef der gemäßigten Fraktion «Der Dritte Weg», sagte jedoch am
Dienstag, Weizmans Aufruf habe keinen Einfluß auf ihn oder seine Partei.
«Ich höre jeden Tat diese Klagen, daß meine Partei nicht die
Regierungskoalition verläßt. Sie kommen jedoch nicht von Leuten, die den
Dritten Weg unterstützen», sagte Kalani dem israelischen Rundfunk. «Es
gibt viele Anzeichen dafür, daß es eine Entscheidung (über den
Friedensprozeß) bis Ende Juli geben wird.»
Netanjahu ungerührt:
Bibi hat bereits schwerere Krisen überstanden
Jerusalem (dpa) - Bei seinem
dramatischen Frontalangriff gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu
benutzte der für seine direkte Art bekannte Staatspräsident Eser Weizman
selbst für ihn ungewöhnlich harte Worte. «Bibi hat mich zum Narren gehalten.
Ich habe meine rote Linie erreicht», sagte Weizman israelischen Journalisten
nach seinem Aufruf zu raschen Neuwahlen. «Ich mag es nicht, wenn man mich
hintergeht. Netanjahu lebt in einem ständigen Gefühl der Euphorie und hat
keine Verbindung mit der Realität.»
Hintergrund des Streits zwischen den beiden
ranghöchsten Repräsentanten des Staates, den ein Zeitungskommentator am
Dienstag als «Zusammenstoß zwischen zwei Planeten» bezeichnete, ist der
faktische Stillstand des Friedensprozesses mit den Palästinensern.
Weizman erklärte, Netanjahu habe ihm mehrfach versprochen, der längst
überfällige Truppenabzug aus dem besetzten Westjordanland, den zwei
Drittel der Israelis unterstützen, stehe unmittelbar bevor.
Der Premier habe ihn auch für Vermittlungsgespräche
mit arabischen Politikern und israelischen Abzugsgegnern eingespannt.
Inzwischen sei jedoch klar, daß der von den USA geforderte Abzug aus 13
Prozent des Gebiets weit entfernt ist. «Weizman ist sogar zu der
Überzeugung gelangt, daß der Premier den Abzug überhaupt nicht umsetzen
will», sagten Vertraute des Präsidenten. Mit seinen Versprechungen,
«Frieden und Sicherheit» seien in greifbarer Nähe, habe Netanjahu «alle
an der Nase herumgeführt, selbst seine eigenen Minister».
Netanjahu reagierte zornig auf die verbale Attacke
des ehemaligen Kampffliegers Weizman und lehnte Neuwahlen kategorisch
ab: «Was mischt er sich ein? Ich bin hier der Boß», sagte er nach
Zeitungsberichten im kleinen Kreis.
Repräsentanten von Regierung und Opposition
beschuldigten den Präsidenten, er habe die Befugnisse seines weitgehend
unpolitischen und repräsentativen Amts erheblich überschritten und
beabsichtige den Sturz Netanjahus. Weizman sieht seine Aufgabe als
Präsident hingegen darin, als «Stimme des Volkes» zu dienen. «Das
israelische Volk lebt in einem Gefühl der Unsicherheit, Verwirrung und
Belastung, politisch und wirtschaftlich. Neuwahlen könnten zur Klärung
der Lage beitragen», sagte er.
«Außenpolitisch ist Israel immer mehr isoliert.»
Netanjahu ignoriere dies jedoch einfach. «Bibi lebt in einem Gefühl der
ständigen Euphorie, in seiner eigenen Welt. Er hat keine Verbindung mit
der Realität.»
Ein derartiger Bruch zwischen Präsident und
Regierungschef ist in Israel noch nie dagewesen, obwohl Weizman sich
auch während der Amtszeit von Regierungschef Izchak Rabin mehrfach
kritisch in politische Fragen einmischte.
Trotz Weizmans Beliebtheit erscheinen die Chancen
für Neuwahlen jedoch bislang nicht groß, obwohl nach einer Umfrage die
Mehrheit der Israelis dafür ist. Der Präsident kann das Parlament nicht
auflösen, eine Mehrheit der Parlamentarier müßte für Neuwahlen stimmen.
Von den 120 Parlamentariern in Israels Knesset sind jedoch nach Angaben
der Zeitung «Maariv» nur 45 für Neuwahlen und 52 dagegen. Der Rest ist
unentschieden. Selbst im Fall baldiger Wahlen wäre die Wiederwahl
Netanjahus, der bereits schwere Krisen überlebte, eine realistische
Möglichkeit. Der Gegenkandidat der Arbeitspartei, Ehud Barak, hat nach
Umfragen einen leichten Nachteil gegenüber Netanjahu. Der Premier könnte
aus Neuwahlen sogar gestärkt hervorgehen.
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Samstag, 14 Dezember 2013 |