Nach einem Kaffee in seinem Büro fuhren wir zum Sitz
des Szczeciner Gesellschaftlich-Kulturellen Vereins der Juden
(Towarzystwo Spoleczno-Kulturalne Zydow), um der Vorstellung der
Monographie mit dem Titel „Zwischen Emigration und Assimilation", die
den Szczeciner Juden der Nachkriegszeit gewidmet ist, beizuwohnen.
Die Räume des Vereins, offenbar eine ehemalige
Erdgeschoßwohnung, sind liebevoll her- und eingerichtet. In der „guten
Stube" stehen in zwei Wandnischen Bücher: in Jiddisch geschriebene Werke
unterschiedlichsten Inhalts, von Prosa bis Politik. An den Wänden
Zeichnungen von Anatoli Kaplan, Porträts von I.L. Perez, Sch. Alejchem
und Menedele Mojcher Sforim.
Das Auditorium war sehr gut besetzt. Cirka 60 bis 80
interessierte Zuhörer unterschiedlich Alters versammelten sich in dem
nicht sehr großen Zimmer.
Nach einleitenden Worten eines freundlichen
Menschen, der die sehr sympathische Frau Róza Król, sie ist die Chefin
der hiesigen Abteilung des TSKZ, als die „Mutter der Idee" zu dieser
Monographie bezeichnete, sprach der Autor, der Politologe Janusz
Mieczkowski, ein paar für einen Wissenschaftler ganz ungewöhnlich kurze
Worte zu dem mehr als 70-seitigen Werk.
Behandelt werden in 7 Abschnitten - die Situation
der jüdischen Bevölkerung während der Nachkriegszeit, die Ansiedlung und
Emigration in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre, die zwei
Emigrationswellen 1956 - 1960 und 1968 - 1969 - Die Arbeit des
Wojewodschafts- Komitee der polnischen Juden in Szczecin
- Die Szczeciner Juden im Wirtschaftleben der
Region
- Probleme der Fürsorge und der Bildung für die
Kinder
- Das kulturelle Leben
- Das religiöse Leben der jüdischen Bevölkerung;
der letzte Abschnitt ist
- dem Gesellschaftlich-Kulturellen Verein der Juden
gewidmet.
Dem Vernehmen nach lebten nach dem Kriege etwa
30.000 Menschen in der Szczeciner Jüdischen Gemeinde. Leider kann ich
nur vermuten, wie es zu dieser großen Anzahl gekommen ist, denn laut
Philolexikon gab es in Stettin im Jahre ’39 nur 2365 Juden, was etwa 0,9
% der Bevölkerung entsprach.
Lesungen von Gedichten Elias Rajzmans und
Erstaufführungen von Klavierstücken eines Komponisten, dessen Namen mir
leider entfallen ist, rundeten die sehr interessanten Mittagsstunden ab.
Dank Rajmunds Simultanübersetzungen war das Verstehen des Vorgetragenen
für mich überhaupt kein Problem.
Dafür und für vieles Andere - zB auch für die
mitgegebenen Bücher - gebührt ihm hier mein ganz besonders
herzlicher Dank, natürlich auch seiner lieben Frau, die uns später in
seinem Haus im Hohen Norden Szczecins mit Kaffee und Selbstgebackenem
bewirtete.
Übrigens: Schön wäre es, wenn bei einer der nächsten
Veranstaltungen, über die uns Rajmund hoffentlich weiter auf dem
Laufenden halten wird, mehr Berliner oder Brandenburger Freunde ihre
Anwesenheit ermöglichen könnten.