Es sind solche Fragen, mit denen sich der künftige
Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff in New York konfrontiert sieht. Als
Manager eines deutschen Medienkonzerns, der ein Drittel seines Umsatzes
in den USA erwirtschaftet, weist er in New York gerne darauf hin, daß er
ein guter Deutscher sei, die Firmengeschichte vorzeigbar. Als er
vergangene Woche in New York von der Atlantik-Brücke und vom jüdischen
Armonk-Institut mit dem Vernon A. Walters-Preis ausgezeichnet wurde,
benannt nach dem US-Botschafter zur Zeit der Maueröffnung, sagte er, das
eigene Haus sei besorgt, weil er ''einige Beobachtungen'' über die
deutsch-jüdischen Beziehungen machen wolle. Ganz egal, was er sage,
irgend jemand könne ihn mißverstehen. Er wolle das Risiko aber auf sich
nehmen und ''aus dem Herzen'' sprechen.
Einen guten Manager muß wohl auszeichnen, daß auch
der wirtschaftliche Verstand sehr nah beim Herzen liegt. Middelhoffs
''Beobachtungen'': Bertelsmann publiziert die jüdischen Autoren Elie
Wiesel und Daniel Goldhagen, hat im Dritten Reich verbotene Bücher
gedruckt und erlaubt mehr Selbstkritik in den eigenen Medien als die
Konkurrenz. Zudem werde er den Kampf gegen den Antisemitismus anführen.
350 Gäste feierten im Waldorf Astoria Hotel. Der
deutsche Außenminister verschob seinen Abflug, um eine Rede zu halten.
Der Bundeskanzler ließ einen Glückwunsch verlesen. Und das alles wegen
einer Auszeichnung, die nicht halb so bekannt ist wie der Namensgeber?
Ist es wirklich Zufall, daß Middelhoff gerade jetzt, nach dem Kauf von
Random House, ausgezeichnet wurde? Immerhin wurde in New York teilweise
der kulturelle Ausverkauf beklagt, besonders an ein Land, das bekannt
dafür war, daß es Bücher verbrannte. Selbst ein wohlwollendes Stück des
New Yorker trug den zweideutigen Titel ''Springtime for Bertelsmann'' in
Anlehnung an Mel Brooks’ Farce Springtime for Hitler.
Das Armonk-Institut meint, daß die deutsche
(Zeit-)Geschichte nicht nur aus dem Holocaust besteht, und lädt
amerikanische Lehrer nach Deutschland ein. Eine gute Sache also; auch
für Middelhoff, der in den USA weiter expandieren will. Bislang
ausgezeichnet: Die Chefs von Daimler Benz,
Deutsche Bank, Hoechst, BMW und General Motors. Cynthia
Ozick will weiter bei Knopf publizieren.
THOMAS SCHULER / SZ 0698