Analysen der Wahlforscher
Nach ersten Analysen der Wahlforscher verdankt die DVU ihr
zweistelliges Wahlergebnis vor allem jungen Wählern. Jeder vierte Wähler
unter 30 Jahren, so die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen, hat am
Sonntag die DVU angekreuzt. Bei den 30 bis 44jährigen waren es immerhin
noch 15 Prozent. Überproportional viele Stimmen erhielt sie zudem in
Problemgebieten.
Ein ähnlicher Wahlerfolg der rechtsextremen DVU wie bei der
Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ist nach Ansicht des Berliner
Parteienforschers Richard Stöss überall in Ostdeutschland möglich. "Ich
sehe die Gefahr eines Dammbruchs", sagte Stöss gegenüber der dpa. In den
neuen Ländern betrage dieses Protestpotential 30 bis 40 Prozent. Diese
Menschen seien mit der gegenwärtigen Politik, aber auch dem System
allgemein unzufrieden und lehnten teilweise beides sogar völlig ab.
Bisher seien sie nicht zur Wahl gegangen. "In Sachsen-Anhalt haben sie
nun die DVU benutzt, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen." Auch bei
den Bundestagswahlen könnten sich in Ostdeutschland die Rechten
bemerkbar machen.
Nach Ansicht des Tuzinger Politologen Heinrich Oberreuters waren wie
bei allen Wahlerfolgen Rechtsextremer seit den 80er Jahren auch in
Sachsen-Anhalt "ganz konkrete ökonomische Faktoren wie Angst vor
Arbeitslosigkeit und Verlust der Wohnqualität" entscheidend. "Wenn die
großen Parteien weiterhin mit Unwillen oder Leichtfertigkeit über das
Alltagsgefühl von Wählern hinweggehen, die sich in einer Krise fühlen",
könne dieser Erfolg der extremen Parteien zu einem bundesweiten Trend
werden.
Wer steht hinter der DVU?
Hinter
der DVU, die seit Jahren auf ausländerfeindliche Parolen setzt, steht
der Pressekonzern des Münchner Verlegers Gerhard Frey (Foto), der mit
der "Deutschen Nationalzeitung" und der "Deutschen Wochenzeitung" rund
200 000 geschätzte Auflage erzielt. Nach eigenen Angaben hatte die
Partei Ende 1996 bundesweit 14 493 Mitglieder. Freys Vermögen schätzen
frühere Vertraute auf rund 500 Millionen Mark. Der 65jährige regiert von
seiner Münchner Zentrale aus einen brisanten Doppelpack aus
rechtsextremer Partei und nationalistischem Verlagsimperium. Dem
DVU-Erfolg in Sachsen-Anhalt ebnete Frey mit dem größten Wahlkampfetat
aller Parteien den Weg.
Den Grundstein seiner Macht legte der Sohn einer Oberpfälzer
Kaufmannsfamilie bereits Ende der 50er Jahre. Der Jurist kaufte die für
rechte Traditionspflege bekannte "Soldatenzeitung". Nach und nach kamen
bei Frey und seiner Frau Regine Immobilien, Verlage, ein weites Video-
und CD-Geschäft sowie das Touristikunternehmen "Deutsche Reisen" hinzu.
Meist geht es dabei um "Weltkriegs-Romantik" und nationalistische
Devotionalien. Virtuos nutzt Frey auch modernste Computertechnik. Im
Internet lockt die DVU
mit kostenloser Software und verweist beiläufig auf Parteiaktivitäten
wie die "Initiative für Ausländerbegrenzung" oder den "Deutschen
Schutzbund für Volk und Kultur". Über das Computernetz brachte er in
Sachsen-Anhalt auch seine per Adobe Acrobat Reader downloadbaren
Handzettel und Aufkleber unters Volk.
Vor Sachsen-Anhalt saß die DVU bereits zeitweilig in Bremen und
Schleswig-Holstein in den Landesparlamenten. Bei den Hamburger Wahlen im
vergangenen Herbst fehlten den Rechtsextremen nur 190 Wählerstimmen für
den Sprung in die Bürgerschaft. Schlagzeilen machte die DVU in den
Parlamenten vor allem mit Personalquerelen zwischen Frey und
Landespolitikern sowie mit Affären um veruntreute Gelder.
Uneinig sind die Bonner Parteien darüber, wie die DVU gestoppt werden
kann. CSU-Chef Theo Waigel verlangte von der Union für den
Bundestagswahlkampf, jetzt "die Themen innere Sicherheit, Ausländerzuzug
und Rechtspolitik stärker in den Vordergrund" zu stellen.
Grünen-Sprecher Trittin warnte dagegen davor, nun auf die nationale
Karte zu setzen. Wer dies tue, werde die Rechtsradikalen nur weiter
stärken.
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