Das Erziehungsministerium in Jerusalem hatte
Kunststudenten den Auftrag gegeben, Plakate zu entwerfen für Israels
50-Jahr-Feiern. Das Ergebnis zeige «wie unsicher und verwirrt junge
Leute über viele Aspekte des Lebens in Israel» seien, sagte Professorin
Zemira Mevarech. Ein Plakat fand sie besonders aussagekräftig: Der
Künstler hatte mit Israels Flagge gearbeitet - doch an die Stelle des
Davidsterns hatte er ein Fragezeichen gesetzt.
Seine Fragen teilt der Künstler mit der Masse der
heute knapp sechs Millionen Israelis. Am Mittwoch erschienen voluminöse
Jubiläumsbeilagen aller israelischen Zeitungen. Auf Hunderten von Seiten
wurden die bemerkenswerten, oft im Weltmaßstab herausragenden Leistungen
des kleinen Landes beschrieben. Solche Beilagen werden nicht in einem
Klima der Scham geschrieben, nationaler Stolz auf das Erreichte
schimmert durch die meisten Zeilen. Doch wie geht es weiter?
Unübersehbar ist die Skepsis. Von zehn befragten
Israelis glauben nur vier, daß sich ihr Land «in die richtige Richtung»
entwickle. Selbst Präsident Eser Weizman meint, der Weg stimme nicht
mehr. Die Jubiläumsfeiern, die seit Monaten schon an vielen Orten des
Landes begangen werden und am Donnerstag abend in Jerusalem dem
vorläufigen Höhepunkt entgegenstreben, finden in einem Klima der
Unsicherheit, der Zukunftsangst statt. «Eher Kater- als Partystimmung»
machte der britische Guardian in Israel aus. Angesichts des nicht
vollendeten Friedensprozesses bleibt Israel bedroht, von innen und
außen.
«In zehn Jahren, nach einem neuen überstandenen
Krieg, werden wir uns fragen, warum wir ein Feuerwerk veranstaltet haben
beim 50. Jubiläum», schrieb am Mittwoch die Zeitung «Haaretz». Immer
größere Teile der kritischen Öffentlichkeit Israels, die Linke, die
Opposition und die Friedensbewegung, fühlen sich ausgeschlossen und an
den Rand gedrängt. Sie sehen ihre Sorge um den Frieden nicht mehr
verstanden. Sie sehen eine Zukunft kommen, in der «Israel mit dem
Schwert in der Hand weitere 50 Jahre kämpft», schrieb eine Zeitung.
Das Land ist gespalten. Am Mittwoch drohten Künstler
mit dem Boykott der Hauptveranstaltung zum Staatsjubiläum am Donnerstag,
weil ultra-orthodoxe Parlamentarier Passagen einer
Tanztheaterdarstellung zensieren wo0llen, in der die Tänzer nur in
Unterwäsche über die Bühne gleiten. Sie drohten gar mit dem Bruch der
Regierungskoalition.
Zum Jubiläum tobt die Schlacht der Worte. «Blödsinn»
und «Klugscheißerei» sind da noch eher feine Varianten des Umgangs mit
der anderen Meinung. Juden bezeichnen Juden als «Nazi» und beschuldigen
sie der Nähe zum Faschismus. Ein Beobachter in Tel Aviv: «In den Tagen
des Jubiläums und der Besinnung über das in 50 Jahren Erreichte ähnelt
die politische Diskussion immer mehr dem Straßenverkehr in diesem Land:
rücksichtslos und gefährlich.»
Selbst regierungsnahe Stimmen sind kritisch:
«Solange wir unseren militärischen Konflikt mit den Nachbarn nicht
lösen, sind wir über die erste Stufe der Staatsbildung nicht
hinausgekommen», schrieb die «Jerusalem Post». «Wir müssen die
Belagerungsmentalität der ersten 50 Jahre überwinden, wir müssen uns dem
Frieden zuwenden». Und ein «Haaretz»-Kommentator schrieb: «Alles andere
hängt davon ab, ob wir das Hauptziel erreichen: Frieden».