«Haaretz» berichtete, die Vertretung des
US-Geheimdienstes CIA in Israel habe auf Anweisung des
US-Außenministeriums einen an Präsident Bill Clinton gerichteten Brief
Netanjahus zurückgegeben und nicht weitergeleitet. Man habe den Eindruck
gewonnen, Netanjahu versuche die Briefe an der US-Außenministerin
Madeleine Albright vorbeizuschmuggeln. Die Zurückweisung des Briefes sei
bereits der zweite Fall dieser Art. Es sei somit offensichtlich, daß
Netanjahu, «alternative Kanäle» zur US-Regierungsspitze zu schaffen
versucht, um nicht mehr mit Albright direkt verhandeln zu müssen.
Der israelische Rundfunk berichtete unterdessen am
Montag unter Berufung auf US-Medien, Albright schätze die Lage im Nahen
Osten inzwischen als «sehr schlimm» ein. Der aktuelle Stillstand der
Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern könne nach
Ansicht von Albright «zu einem Verlust der Dynamik und sogar zu
Rückschritten» führen.
Das israelische Außenministerium fürchte bei einem
Fehlschlag der für den 4. Mai angesetzten Nahost-Verhandlungen in London
eine verschärfte Konfrontation Israels mit den USA, der UNO und der EU,
meldete der Rundfunk weiter. Unterdessen setzten die USA ihre neuen
Nahost-Vermittlungs- Bemühungen intensiv fort. Ross und Indyk wollten
erneut mit Netanjahu und Palästinenser-Chef Jassir Arafat verhandeln.
Auch EU- Unterhändler Miguel Moratinos setzte seine Pendel-Diplomatie
fort.
Am Dienstag war Netanjahu zu Ägyptens Präsident
Husni Mubarak nach Kairo gereist. Die Gespräche zwischen Mubarak und
Netanjahu verliefen ergebnislos. Netanjahu habe Zugeständnisse und
Terminzusagen abgelehnt. Mubarak hatte eine anschließende
Pressekonferenz als gegenstandslos bezeichnet - es gäbe nichts worüber
sich zu berichten lohne. Nach ägyptischer Ansicht stand der US-Plan,
Israel zu einem Abzug aus mehr als 13% des Westjordanlandes zu bewegen
auf der Tagesordnung. Ägyptens Außenminister Amre Mussa informierte am
Mittwoch Arafat über das Treffen. Mussa hatte zuvor der israelischen
Tageszeitung «Ma'ariv» erklärt, seine Regierung werde die Beziehungen zu
Israel überprüfen, sollte Netanjahu bei seiner harten Haltung gegenüber
den Palästinensern bleiben. Ägypten hatte 1979 als erstes arabisches
Land einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen.
Am Freitag will US-Vizepräsident Al Gore, der
inzwischen den israelischen Feierlichkeiten zum Jom haAzma'uth beiwohnt,
mit Arafat sprechen.
haArez:
Netanjahus Gesprächs-Position arrogant und unproduktiv
Netanjahus Haltung spiegelt den
Wunsch wider, die gegenwärtige politische Lähmung beizubehalten, anstatt
sich in Richtung einer endgültigen Lösung mit den Palästinensern zu
bewegen!
Die zentrale Botschaft aus Washington heißt dieser
Tage, daß die Verhandlungen über den Umfang eines weiteren israelischen
Truppenabzugs zu einem Abschluß kommen müssen. Bibi spricht jedoch zu
Beginn einer für Israel entscheidenden Verhandlungswoche unangenehme
Drohungen aus, gemischt mit einem eindeutig arroganten Ton.
Er erwartet von den USA, daß sie die israelische
Position annehmen. Gleichzeitig droht er mit einseitigen Schritten,
falls Arafat angesichts mangelnder Fortschritte beim Verhandlungsprozeß
bis Mai 1999 einen eigenen Palästinenser-Staat ausrufen sollte.