antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info
haGalil onLine - http://www.hagalil.com

  

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 
Archivierte Meldungen aus den Jahren 1995 - 1999
haGalil onLine

 

Die ewige Frage nach den Fundamenten

So offen wie noch nie: Der 12. Deutsch-jüdische Dialog bei der Bertelsmann Stiftung in Bonn

Eindreiviertel Jahre trennen uns noch von der Jahrtausendwende, doch als Thema ist sie bereits überall präsent. Auf dem Bonner Venusberg, wo der von der Bertelsmann-Stiftung ausgerichtete 12. Deutsch-Jüdische Dialog ausgetragen wurde, sollte der Blick noch weiter reichen: „Jüdisches Leben in Deutschland im 21. Jahrhundert“ lautete eine der Themenvorgaben. Der Frankfurter Architekt Salomon Korn und der Münchner Judaistikprofessor Michael Brenner wußten dazu durchaus Konträres zu sagen, der eine mehr im Rückblick, der andere in kritischer Vorausschau.

Über die Entwicklung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland war man sich allerdings einig: Bis zum Jahr 2000 wird ihre Zahl von jetzt 75 000 auf 100 000 gestiegen sein. Vor Hitlers Machtergreifung lebten 600 000 Juden in Deutschland, nach dem Holocaust wurden 1950 in Westdeutschland nurmehr 15 000 gezählt.

Der Anstieg ist allein mit der Zuwanderung aus Osteuropa zu erklären; diese führt, wie Brenner berichtete, zu überraschenden Phänomenen, denn in einigen deutschen Städten leben jetzt mehr Juden als vor 1933. Hinsichtlich der geistig-religiösen Entwicklung der durch Zuwanderer sich neu bildenden Gemeinden zeigte sich Korn jedoch pessimistisch: sie seien wenig stabilund stellten keine Stärkung des religiösen Judentums dar. Er sprach von „Richtungslosigkeit“ und „Abspaltungstendenzen“, jetzt seien „Verwalter“ am Werk. Brenner hingegen sieht die in Deutschland lebenden Juden sich nach Europa orientieren.

Die Frage nach der jüdischen Identität wurde auch bei diesem Dialog gestellt; Jonathan Webber (Oxford) erkennt ihre heutige Basis im Holocaust, der den Judaismus ersetzt habe. Diese These blieb nicht unwidersprochen; Brenner plädierte dafür, die jüdische Identität „positiv“ auszulegen, worunter wohl die Einbeziehung der Herkunft, der Religion und der Geschichte des jüdischen Volkes für die Fundierung jüdischer Existenz zu verstehen ist. Der Holocaust wird nie vergessen und verziehen, aber er soll nicht einzige Basis jüdischer Identität sein.

Dem widerspricht nicht, daß als Folge des Holocaust die Solidarität unter den deutschen Juden „stark ist wie nie zuvor“, wie Ignatz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, anmerkte. Die variierenden Identitäts-Konflikte beleuchtete Fritz Stern (Columbia-Universität) mit dem Verweis auf Albert Einstein, der von einer Tribalismus-Identität zur selben Zeit gesprochen habe, da er sein Jüdischsein entdeckte. Niemand widersprach Felix Posen (Oxford), der die Verschiedenartigkeit des Judentums als Vorteil, nicht als Nachteil empfindet, und das intellektuelle Zentrum in Israel und in den USA ausmacht, keineswegs in Europa.

Auch um Goldhagens Thesen entspann sich eine kurze Diskussion, in der Fritz Stern und Hans Mommsen (Bochum) unisono die Forderung vertraten, den Holocaust nicht isoliert zu betrachten, sondern im Kontext mit der Geschichte und zeitgleichen Ereignissen. Das reichte offensichtlich aus, um nur Goldhagen-Kritikern die Zunge zu lockern. Sterns Diktum, Goldhagens Buch Hitlers willige Vollstrecker sei ein „Rückschlag“ (für die Forschung) gewesen, wirkte anscheinend einschüchternd. So fiel das Lob für junge deutsche Historiker, die sich mit bisher vernachlässigten Aspekten der Nazi-Diktatur beschäftigen, umso deutlicher aus. Mommsen erklärte die Phase der Verdrängung in der Bundesrepublik für beendet und kündigte Untersuchungen über das Verhalten der deutschen Industrie im Hitler-Staat an.

Die auf der Tagung herrschende entspannte Atmosphäre schien deutsche Referenten wie Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und Joachim Bitterlich, Leiter der Abteilung Außenpolitik im Bundeskanzleramt, dazu zu animieren, an den USA nicht mehr zu überhörende Kritik zu üben. Sie gipfelte in dem Vorwurf, die USA nähmen in ihrer Nahostpolitik wenig Rücksicht auf ihre Verbündeten, verführen nach Gutdünken und erwarteten widerspruchslose Gefolgschaft – wohingegen die Europäer doch versuchten, nach allen Richtungen hin Kontakt zu halten, um Spannungen abzubauen.

Als jedoch am zweiten Tag der Veranstaltung die Ergebnisse der allerneuesten Umfrage des „American Jewish Committee“ über die Haltung der amerikanischen Juden gegenüber Israel vorgelegt wurden, zeigte es sich, daß drei Viertel von ihnen die Sorge um Israel als wichtigen Teil ihres Selbstverständnisses ansehen. Dies gilt auch trotz der Tatsache, daß 62 Prozent der amerikanischen Juden noch nie in Israel waren. Eben das aber beweist, wie stark die Achse USA-Israel ist und angesichts dessen war es nicht überraschend, daß auch die Politik des israelischen Regierungschefs Netanyahu von einer Mehrheit der Befragten gutgeheißen wurde.

JOSEF RIEDMILLER

Wir freuen uns, wenn Sie Ihre Meinung zu diesem Thema in unserem Offenen-Forum äußern.

SZonNet: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutscher Verlag GmbH, München Copyright © 1997, 1998 - Süddeutsche Zeitung.

integre.jpg (2716 Byte)

magen.gif (4304 Byte)

hagalil.gif (1716 Byte)

hadash.jpg (2703 Byte)
1998© Copyright by haGalil onLine - http://www.hagalil.com - Munich - Kiryat haYovel
Die hier archivierten Artikel stammen aus den "Anfangsjahren" der breiten Nutzung des Internet. Damals waren die gestalterischen Möglichkeiten noch etwas ursprünglicher als heute. Wir haben die Artikel jedoch weiterhin archiviert, da die Informationen durchaus noch interessant sein können, u..a. auch zu Dokumentationszwecken.


Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!
haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved