Wiener Mosaik

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Kurznachrichten aus Österreichs Hauptstadt…

Von Peter Stiegnitz

„Blood&Honour“-Nazis

Die ungarische Sektion des berüchtigten internationalen NS-Netzwerks „Blood&Honour“ (Blut und Ehre) unternahm eine Busfahrt durch Oberösterreich und Bayern. Diese, von den Medien ironischerweise „Kaffeefahrt“ genannte Demonstration galt nur Orten der NS-Vergangenheit. So haben die Neo-Nazis in Oberösterreich nur Mauthausen und in Braunau Hitlers Geburtshaus „besichtigt“. Vorher, gewissermaßen unterwegs, wollten sie in Wien die damalige Akademie der Bildenden Künste, die Hitler vor die Tür setzte, besuchen, doch der Zugang wurde der Gruppe verwehrt. Die beiden Aufschriften – „Fascists not welcome“ und auf Ungarisch „Nem türjük a fasizmust („Wir dulden den Faschismus nicht“) empfingen sie. Anschließend haben sie das Militärmuseum in Sonntagberg (Niederösterreich) besucht. Obwohl von mehreren Seiten verlangt, konnten die Behörden weder in Österreich noch in Bayern die Fahrt verbieten, da die Reisefreiheit in der EU festgeschrieben ist. Allerdings wurde die braune „Kaffeefahrt“ ständig überwacht. In Wien kam nur ein Kleinbus mit sechs Erwachsenen und einem Kind. Die kleine Gruppe wurde in Wien von Polizisten überwacht. „Wir haben sie einfach beobachtet. Wenn etwas gewesen wäre in Richtung Verbotsgesetz  wären wir sofort da gewesen“, so ein Sprecher der Wiener Polizei. Ob die Gedenktafel in Braunau vor Hitlers Geburtshaus mit der Aufschrift „Für Frieden Freiheit und Demokratie. Nie wieder Faschismus. Millionen Tote mahnen“  den Neo-Nazis aus Ungarn gefiel, muss bezweifelt werden.

Fahne mit Davidstern

Eine Fahne mit Davidstern wurde im Wiener „Campus der Religionen“ in Aspern von Vandalen beschmiert. In einem berührenden Akt haben Vertreter der Stadt Wien, der Israelitischen Kultusgemeinde, der katholischen und evangelischen Kirchen und auch der Islamischen Glaubensgemeinschaft eine neue Fahne mit dem Davidstern gehisst.

Wiederbetätigung

Ein Mann aus der Steiermark stand wiederholt wegen NS-Wiederbetätigung vor Gericht. Diesmal wegen des „Verdachts der Verhetzung“. Vor dem Gericht in Graz gestand der Mann, nach seiner letzten bedingten Haftstrafe auch Spenden an ein Neonazi-Forum im Internet überwiesen zu haben. Der Staatsanwalt legte die Internet-Beweise des Angeklagten vor, wo er mehrmals den Holocaust geleugnet und gegen die Muslime gehetzt hat. Sein Slogan im Internet lautete: „Sichten und Vernichten“. Zudem beendete er seine Internet-Beiträge mit „Gruß 88“ und „Dank 88“. Bekannterweise steht die Zahl 8 für den achten Buchstaben des Alphabets: „H“. Und Doppelacht steht für „Heil Hitler“. Das Geschworenengericht sprach den Mann schuldig. Das Urteil:  20 Monate Haft, drei davon unbedingt.

Der braune Geist von Wien

Spät, aber doch. 70 Jahre nach der Befreiung Österreichs, wobei viele in Wien lieber vom „Zusammenbruch“ sprechen, erfolgt hierzulande eine konsequente Vergangenheitsverarbeitung. Dem Wiener Czernin-Verlag gelang dazu gleich mit zwei Büchern einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Die Autoren Eva Maria Bachinger und Gerald Lehner haben mit Ihrem Buch  „Im Schatten der Ringstrasse“ einen „Reiseführer durch die braune Topografie von Wien“ zusammengestellt. Völlig zu Recht ist der Verlag stolz auf diese genaue Auflistung des NS-Verbrechens in der Wiener Innenstadt und Umgebung: Die prachtvolle, sozial tief gespaltene und traditionell antisemitische Stadt war der gute Nährboden für Adolf Hitler. Nur zu gern, was psychologisch zwar verständlich, doch ethisch unhaltbar ist, wollten die Wiener recht bald nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Brutalität vergessen. Das Buch macht die historischen Stätten dieses dunklen Teils der Vergangenheit „erstmals begehbar“, wie das der Verlag schreibt. Das „Begehbare“ kann man auch wortwörtlich nehmen, weil diese Stätten Wiens mit Bild und Text wie eine „braune Landkarte“ dargestellt werden.

Mit dem zweiten Buch „Hochburg des Antisemitismus – Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhunderts“ von Klaus Taschwer wird vor allem die Tatsache untersucht, wieso die berühmte „Alma Mater Rudolfina“, wie die Wiener Universität heißt, seinen guten wissenschaftlichen Ruf mit dem Jahr 1938, anscheinend für längere Zeit, verlor. Weitgehend unerforscht blieben bisher der geistige Aderlass und die antisemitische Gewalt, die an der Wiener Universität einsetzten; und das immerhin seit dem Ende des Ersten Weltkriegs. Seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden jüdische Studenten regelmäßig verprügelt. Jüdische Wissenschaftler hatten kaum Chance auf eine akademische Karriere. Im Buch von Klaus Taschwer werden auch die geheimen antisemitischen Cliquen an der und im Umkreis der Wiener Universität aufgedeckt. Diese Kreise haben den Nazis 1938 den Weg zur der Vernichtung der wissenschaftlichen Werke von jüdischen Akademikern vorbereitet. Der Autor berichtet auch faktengenau sowohl über die „großzügige“ Entlastung von NS-Professoren und Dozenten nach 1945, aber auch über ihre schnelle Eingliederung in den wissenschaftlichen Betrieb als auch über die mangelnde Bereitschaft, vertrieben jüdische Professoren zurück zu holen.