Iran sagt Barenboim-Konzert ab

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Unter der Schirmherrschaft von Außenminister Steinmeier plante das Orchester der Berliner Staatsoper ein Konzert in Teheran. Gedacht war es als „Zeichen für die politische Zeitenwende: Der Iran wird vom Westen nach dem Atomkompromiss nicht mehr isoliert“ (Südwestpresse, 28.8.15). Als der zuständige Kultusminister allerdings erfuhr, dass die Staatskapelle von Daniel Barenboim dirigiert werden sollte, sagte er den Auftritt kurzerhand ab…

Von Detlef zum Winkel

„Der Iran erkennt das zionistische Regime nicht an und wird auch nicht mit Künstlern dieses Regimes zusammenarbeiten“, erklärte ein Sprecher. Barenboim ist Israeli, hat aber auch einen palästinensischen Ausweis. Zusammen mit Edward Said gründete er das West-Eastern Diwan Orchestra aus israelischen und arabischen Musikern, um einen Beitrag zur Völkerverständigung im Nahen Osten zu leisten. Mit der Politik Israels liegt er im Dauerzwist. Die Mullahs interessiert das nicht. Rohanis Kultusminister, von dem sich der Westen eine geistige Öffnung des Landes, eine Lockerung der Zensurbestimmungen und einen kulturellen Aufbruch versprach, guckt auf den Vor- und Nachnamen des Dirigenten, und die Sache ist für ihn klar. Der geht gar nicht.

Nun ist es für die deutsche Politik ganz wichtig, nicht die Nerven zu verlieren und aus diesem singulären Ereignis keine voreiligen und geschäftsschädigenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Teheraner Regierung wird sich im klaren darüber gewesen sein, dass die Weltpresse über sie herfällt und sie weiß ja auch, wem die Medien gehören. Aber musste sie das nicht einfach auch mal sagen? Der Iran weiß, dass die arroganten Mächte jedes, also auch sinfonische Mittel nutzen, um in das Land einzudringen. Das hat Revolutionsführer Khamenei gerade erst wieder hervorgehoben. Er warnte die Studentenschaft davor, sich von Musikveranstaltungen von der Nuklear- und Nanotechnologie ablenken zu lassen.

Zweitens sagte schon Jakob Augstein das berühmte Wort: Na und! Der Iran reagiert ja nur darauf, dass in den philharmonischen Orchestern der Welt zahlreiche Juden vertreten sind, aber nur wenige Perser. (*) Das ist sein Widerstand gegen diese jahrzehntelange Anomalie.

Drittens darf die Entscheidung der Teheraner Regierung keinesfalls missverstanden oder gar falsch übersetzt werden. Das Kultusministerium grenzt sich vom Zionismus ab, lässt aber das Judentum unerwähnt. Es handelt sich also eindeutig nicht um Antisemitismus, sondern um eine berechtigte Israelkritik.

Viertens ist diese Maßnahme politischer Natur ist, was man sicherlich unterschiedlich sehen kann. Aber sie hat mit dem Islam nichts zu tun. Objektive Iran-Reisende wie die bekannten Journalisten Jürgen&Jürgen (Todenhöfer&Elsässer) haben in der Bevölkerung keine Musikfeindlichkeit beobachtet. Auch Juden sind diesen aufrichtigen Zeugen zufolge im Iran wohlgelitten und haben sogar einen eigenen Parlamentsabgeordneten.

Fassen wir zusammen: unter alten Freunden kann man über unterschiedliche Ansichten offen reden. Steinmeier und Zarif müssten genug Erfahrungen miteinander gesammelt haben, um den Konflikt diplomatisch beilegen. Eine Lösung könnte zum Beispiel darin bestehen, was der israelische Musiker Matisyahu auf dem diesjährigen sunsplash Reggae Festival in Spanien verweigerte: dass der Maestro am Dirigentenpult einen Aufruf zum Boykott Israels verliest. Und vielleicht Wagner ins Repertoire aufnimmt: Barenboim dirigiert Götterdämmerung in Teheran. Wär das was? Notfalls geht die Zeitenwende aber auch ohne Barenboim weiter. In ihrem Endstadium ist er sowieso nicht mehr vorgesehen.

(*) Tatsächlich gab es Mitte des letzten Jahrhunderts einen Aufschwung der klassischen Musik im Iran mit vielen erfolgreichen und ermutigenden Ansätzen. Doch das war unter dem Schah-Regime. Nach 1979 emigrierten die meisten Musiker ins Ausland.