Ein Deal voller Risiken

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Das Atom-Abkommen mit dem iranischen Regime beseitigt die Gefahren nicht, die von den Machthabern in Teheran ausgehen. Diese können auf Zeit spielen und dabei Macht und Einfluss noch vergrößern…

Ein Kommentar von Stephan Grigat
Erschienen in: Der Standard vom 14.07.2015

US-Präsident Bill Clinton trat 1994 vor die Presse und lobte das soeben vereinbarte Abkommen zum nordkoreanischen Atomprogramm als „good deal“, der die ganze Welt sicherer mache. Zwölf Jahre später meldete das Regime in Pjöngjang den ersten erfolgreichen Test einer Nuklearwaffe. Die Atombombe der Kim-Dynastie wurde möglich, weil ihr Nuklearprogramm zwar beschränkt wurde, die Infrastruktur dieses Programms aber intakt blieb. Exakt das ist auch das Problem beim Abkommen der fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat und Deutschlands mit dem iranischen Regime.

Wenn man sich die Entwicklung seit der UN-Sicherheitsratsresolution von 2006 ansieht, in der eine vollkommene Einstellung der Urananreicherung im Iran gefordert wurde, kann dieses Abkommen nur als Kapitulation vor den Ayatollahs bezeichnet werden. Während es bis 2013 um eine Abrüstung des Nuklear- und Raketenprogramms ging, geht es nun nur noch um seine Begrenzung. Diese Herangehensweise hat schon jetzt ein nukleares Wettrüsten mit den arabischen Staaten ausgelöst, bei dem insbesondere die mit Teheran konkurrierende wahhabitische Religionsdiktatur in Saudi-Arabien alles daran setzt, eine dem Iran ebenbürtige nukleare Infrastruktur zu errichten, was ihr durch ihre Beziehungen zur Atommacht Pakistan nicht schwerfallen dürfte.

US-Präsident Barack Obama hatte in der Vergangenheit betont, dass es für ein „ziviles“ Atomprogramm keiner tief in einen Berg eingegrabenen Anlage wie in Fordow bedürfe. Doch nun kann die iranische Seite trotz nicht unwesentlicher Einschränkungen hinsichtlich des Nuklearprogramms triumphierend vermelden, dass keine einzige Atomanlage geschlossen wird. Nach allem, was bisher bekannt ist, werden zwei Drittel der Zentrifugen zwar in einem Lager eingemottet, aber keine wird verschrottet. Das Raketenprogramm bleibt unangetastet.

Spätestens nach dem Auslaufen des Abkommens hätte der Iran nahezu all seine Ziele erreicht: Die Infrastruktur des Atomprogramms wäre weitgehend intakt, die Sanktionen schon lange Geschichte, wodurch finanzielle Mittel bereitstünden, die Ergebnisse jener Atomforschung, die dem Iran offenbar auch während der Laufzeit eines Abkommens in vielen Bereichen erlaubt bleiben soll, in moderne Nukleartechnologie umzusetzen.

Das iranische Regime könnte also abwarten und sich einfach an die Bestimmungen des Deals halten. Die Machthaber in Teheran haben aber auch die Option, jederzeit aus dem Abkommen auszusteigen. Die Beteuerung, die Sanktionen könnten dann ebenso wie bei Verletzungen eines Abkommens durch Teheran umgehend wieder in Kraft gesetzt werden, ist schlicht unrealistisch.

Die Errichtung der ohnehin völlig unzureichenden Sanktionsarchitektur hat fast ein Jahrzehnt gedauert und musste gegen massive Widerstände durchgesetzt werden – nicht nur von Russland und China, sondern auch innerhalb der EU. Die iranischen Machthaber wissen genau, dass ihre Wiedereinsetzung in kurzer Zeit unmöglich sein wird, sobald sie erst einmal zurückgenommen wurden.

Milliarden werden als Ergebnis dieses Deals an das antisemitische Regime in Teheran fließen. Damit wird die Förderung des islamistischen Terrors von Gruppierungen wie der Hisbollah oder der Hamas ebenso neue Ausmaße annehmen wie die Expansion des Regimes in der arabischen Welt. Der Terror gegen die iranische Bevölkerung wird nicht ab-, sondern zunehmen: Schon jetzt werden unter dem vermeintlich „moderaten“ Präsidenten Hassan Rohani deutlich mehr Menschen hingerichtet als unter seinem Vorgänger Ahmadi Nejad.

Israel weiterhin bedroht

Nicht nur vor diesem Hintergrund ist es verfehlt, wie Walter Posch von einer „Deradikalisierung des Regimes“ zu sprechen (der Standard, 12. 7.), die er dann auch nur hinsichtlich einer möglichen Annäherung an die USA ausführt. Zugleich verschweigt er, dass es der von ihm zitierte, im Westen stets als „gemäßigt“ hofierte Expräsident Ali Akbar Rafsanjani war, der als heutiger Vorsitzender des einflussreichen Schlichtungsrates wenige Tage vor Abschluss des Deals abermals erklärte, Israel werde demnächst vernichtet werden.

Nicht nur Posch, sondern auch Obama verweist stets auf eine „praktische Ader beim iranischen Regime“. Die gibt es ohne Zweifel. Doch das Wesen des iranischen Regimes besteht gerade in der Gleichzeitigkeit von Pragmatismus und Vernichtungswahn, die es westlichen Kommentatoren bis heute ermöglicht, die Vernichtungsfantasien gegenüber Israel durch den Hinweis auf erstere Einstellung zu verharmlosen. Bei den Drohungen gegenüber Israel kann der Pragmatismus aber darin bestehen, den aus der Sicht Teherans richtigen Zeitpunkt für die Offensive abzuwarten.

Dieses Abkommen, das vom Charakter des iranischen Regimes vollkommen abstrahiert, wird die Gefahren des Atomprogramms nicht beseitigen, sondern institutionalisieren. Letztlich werden die Bedrohungen, die von der Ayatollah-Diktatur ausgehen, nur verschwinden, wenn dieses Regime verschwindet – was durch diesen Deal allerdings sehr viel unwahrscheinlicher geworden ist.

Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter an der Uni Wien und Autor des Buches „Die Einsamkeit Israels. Zionismus, die israelische Linke und die iranische Bedrohung„.

Protest gegen die Iranreise von Minister Gabriel / Gegen den Atomdeal mit Iran