Laternenmasten als „Der III. Weg“ für bayerische Rechtsextreme

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Deutschlands Rechtsordnung missachtet der niederbayerische NPD-Chef souverän, jetzt machen es ihm Gleichgesinnte plump und hasserfüllt nach: Aktivisten einer neuen Partei der Rechtsextremen schüren mit Flugblättern Ängste vor Asylbewerbern. Und mit Aufklebern an Laternenmasten verursachen Mitglieder der Partei „Der III. Weg“ Sachschäden zu Lasten der ohnedies klammen Gemeindekassen…

Von S. Michael Westerholz

Alfred Steinleitner, NPD-Vorsitzender im Landkreis Deggendorf und im Bezirk Niederbayern, hat ein Problem: Egal, wo in Zeitungsberichten das Wort „Ewiggestrige“ zu lesen ist, fühlt er sich angesprochen. Im Deggendorfer Stadtrat hat sich seine Partei mittlerweile in heftigen Streitigkeiten so lächerlich gemacht und zerlegt, dass sie nur noch ein Mitglied in der 40-köpfigen Mannschaft zählt. Dass sie in Deggendorf wie in ganz Niederbayern keinen Fuß mehr auf den Boden bekommt, hat weitere gute Gründe: Von Schülerprotesten in Landshut, mutigen Gegenreaktionen zu NPD-Auftritten in Kreisstädten und Gemeinden bis hin zu vorbildlich demokratisch-friedlichen Protest- und Gegendemonstrationen von Kirchen-, Partei-, Gewerkschafts- und Vereinsvertretern gegen NPD-Auftritte reicht das Spektrum des Widerstands gegen neonazistische Umtriebe – und wo die NPD glaubte, Niederbayern gegen unglückliche Bürgerkriegs- und Terrorflüchtlinge aus Afrika und dem Orient aufhetzen zu können, reagierten überzeugte Christen geistig und pragmatisch mit Nächstenliebe: Nie wurden mehr unbegleitete Flüchtlingskinder, traumatisierte Boatpeoples, IS-Vertriebene und hilflose Greise in privater Initiative vor Ort betreut.

NPD-Chef Steinleitner musste aber auch hinnehmen, dass der Lokalchef der Deggendorfer Ausgabe der größten niederbayerischen Zeitung PASSAUER NEUE PRESSE, Stefan Gabriel, ihm den Zugang zur Leserschaft der Zeitung versperrte: Bereits im September 2010 wies Gabriel Steinleitner ab: „Ich lehne es ab, eine verfassungswidrige Partei bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen. Da Sie (Anm.: Steinleitner!) Kreisvorsitzender der NPD sind, werde ich grundsätzlich keine Leserbriefe von Ihnen veröffentlichen.“

Dass die PNP hier und da Leserbriefe veröffentlicht, die bedenklich rechtsextremistisch wirken, nützt Steinleitner wenig: Er versucht seither, mit „Offenen Briefen“ Aufmerksamkeit zu erzielen, hat damit aber bestenfalls Lacherfolge. Sowohl solche Briefe, als auch seine ins Netz gestellten Weihnachts- und Neujahrsaufrufe finden kaum Aufmerksamkeit. Am 21. Dezember 2014 beklagte er teils fettgedruckt „in Sorge um Deutschland“ die angeblich „dauerhaft einseitige Aufarbeitung der Geschehnisse um den Zweiten Weltkrieg“ und: „Die Besieger wollen Deutschland weiterhin abkassieren.“ Quintessenz des Ärmsten mit der selbst auferlegten Sorgenlast für Deutschland auf den Schultern: „Deshalb müssen wir die Gespenster des Zweiten Weltkrieges aus den Köpfen verbannen.“

Typisch für die NPD, ihre Auffang-Neugründungen und Steinleitner ist, dass sie Ordnungsrufe und gesetzliche Rechte von Mitbürgern souverän ignorieren: Im November 2014 sprach ein genervter Mitbürger gegen Steinleitner ein Kontaktverbot aus. Die extremen Steinleitner´schen Politergüsse, die jegliche Historikererkenntnis der Verbrechen Deutschlands in den Jahren zwischen 1933 und 1945 leugnen, waren unerträglich geworden. Doch Steinleitner, der wie praktisch alle Rechten stetig irgendwelche Rechte anmahnt und für sich in Anspruch nimmt, belästigte diesen Adressaten weiterhin mit seinen teils dümmlichen, teils frechen und hanebüchenen Aussagen. Das hörte erst auf, als der Prozess um ein von den deutschen Bundesländern beantragtes Verbot der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe näher rückte. Steinleitner, mittlerweile im Fahrwasser der finstersten Pegida-Meinungen über Verschwörungen von Politikern mit der Wirtschaft, „gekauften Journalisten“ und den freien Medien, schweigt plötzlich.

Gleichzeitig aber eröffnete die im September 2013 in Heidelberg gegründete Partei „Der III. Weg“ ihre Wühlarbeit – eine laut Verfassungsschutz „neonazistisch geprägte Partei“. Polit-und Rechtsexperten beim Verfassungsschutz sind sicher: „Sie bereitet den Übergang von der NPD in die Zeit nach dem Verbot vor.“ Dafür spricht, dass ihr Vorsitzender Klaus Armstroff ein Ex-NPD-Funktionär und „ein bekannter Rechter“ ist. Bald nach ihrer Gründung hatte die Partei der plumpen, bösartigen Hetze, populistischen Parolen und rassistischen Klischees gegen Ausländer, Flüchtlinge, „die BRD-Spaßgesellschaft“ und als „Gutmenschen“ verhöhnte tolerante Deutsche, Mitglieder des im Juli 2014 verbotenen neonazistischen „Freies Netz Süd“ aufgefangen.

Auffällig ist auch, dass Steinleitner wie viele weitere NPD-Funktionäre seit dem Zeitpunkt schweigt, an dem das Bundesverfassungsgericht die wider die NPD klagenden deutschen Innenminister neuerlich mahnte, alle Geheimdienstmitarbeiter zurück zu ziehen, die auftragsgemäß in der NPD und dort vorwiegend in den Reihen der Spitzenfunktionäre spionierten. Dass früher sehr viele dieser „Schlapphüte“ dort auf Funktionärsposten saßen, hatte vor Jahren dazu geführt, dass ein erster Versuch des NPD-Verbots gescheitert war.

Mittlerweile haben auch in Bayern Asylbewerberunterkünfte noch vor ihrem Bezug gebrannt. Die Polizeipräsenz wurde sichtbar erhöht. Auch im niederbayerischen Bahn- und Autobahnknotenpunkt Deggendorf-Plattling wurde der Schutz von Asylbewerbeinrichtungen verstärkt: Immerhin befindet sich in uralten Wehrmachts-Lagerhallen in Deggendorf, die 1989/90 auch schon einmal den Massenansturm von Flüchtlingen aus der untergehenden DDR kanalisierten, eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge aus aller Welt. Sie werden hier registriert, über ihre Fluchtgründe angehört und nötigenfalls medizinisch und mit Kleidung versorgt, ehe sie über das Land verteilt werden.

Der Andrang ist so stark, dass in der Deggendorfer Eissporthalle zusätzliche Zelte aufgestellt und zahlreiche Betten aufgeschlagen wurden. An und gar auf Standspuren der halb Europa querenden Autobahnen im Kreis Deggendorf werden nämlich fast täglich Asylbewerber aufgegriffen, die von verbrecherischen Schleusern einfach ausgesetzt wurden – mitunter aus kleinen Transportfahrzeugen, in die die skrupellosen Schleuser bis zu 36 Menschen aller Altersstufen pferchten. In Plattling sollen in einer einstigen Spielhalle bis zu 48 unbegleitete jugendliche Flüchtlinge untergebracht werden – und seit das bekannt wurde, verteilen Parteiaktivisten des „III. Wegs“ Flugblätter mit üblen Parolen und Warnungen, die Menschen in der Umgebung teils ängstigen, teilweise aber auch zu Widerständlern gegen solche Hetze machen. Dass jetzt auch noch Klebezettel mit typisch rechtsextremistischen Hassparolen an zahlreichen Laternenmasten angeklebt wurden, empört auch die Gemeindekämmerer: Die Zettel zu entfernen erfordert hohen Aufwand, weshalb unter anderem Plattling Anzeige wegen Sachbeschädigung bei der Polizei eingebracht hat.

Die losen Verbünde der demokratischen Widerständler gegen die Neonazis in der gesamten Region rüsten sich für neue Aktionen gegen die Ewiggestrigen. Sie haben unter Führung von Geistlichen, Lehrern und Politikern bereits mehr als einmal bewiesen, dass sie binnen Stunden gegen Nazi-Demos auftreten und diese friedlich in ihre Schranken weisen können. Niederbayerns Polizisten und die ihnen zugeordneten Staatsschützer widerlegen überdies die übelsten Parolen der Rechtsextremisten: Weder „offener Drogenhandel“ noch „steigende Kriminalität“ oder „massive Lärmbelästigungen“ wurden in der Umgebung von Asylunterkünften festgestellt. „Schon interessant“, sagt ein bayerischer Beamter, „dass diese vorgeblich so gesetzestreuen und selbsternannten `Wächter der Demokratie und der Meinungsfreiheit´ so hemmungslos lügen und verleumden, selbst aber eindeutige Ordnungsgesetze wie selbstverständlich missachten!“

1 Kommentar

  1. Der Beitrag lenkt ab vom zentralen Problem der Deggendorfer. Nicht nur die Aktivitäten der Neonazis dort gilt es zu beklagen, sondern die unglaubliche Passivität und Gleichgültigkeit der Masse der sog. anständigen Bürger der Stadt. Es entstand jedenfalls dort ein Klima, in dem rechtes Gedankengut nur so sprießen konnte und kann. Das CSU-Rathaus schaut(e) weg und Proteste gegen rechtsextreme Machenschaften waren nur wenig wirksam. Denn, bürgerlich-konservative Deggendorfer sind vielfach selbst fremdenfeindlich, antisemitisch, naiv-ungebildet, eigenverliebt, unkritisch, gedankenlos. Nicht umsonst sind weit verbreitet Wortspiele wie Deggendorf – Deppendorf im Umlauf.

    Kürzlich erschien auf der Regensburger kritischen Plattform „Regensburg-digital“ zu Deggendorf („Liebenswertes Neonazizentrum“) und seinen Rechtsextremen ein lesenswerter Beitrag, unter dem sich rasch hochinteressante Kommentare von Insidern einstellten:

    http://www.regensburg-digital.de/liebenswertes-neonazizentrum/16052015/

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