Front National stagniert auf Rekordniveau

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Den Umfragen zum Trotz konnte der FN bei den jetzigen Departement-Wahlen seinen Stimmenanteil von 25 Prozent, den er bei den EU-Wahlen 2014 erlangt hatte, nicht steigern. Der FN wurde von der konservativen Opposition (36 Prozent) und der regierenden SP mitsamt ihrer Verbündeten (29 Prozent) übertrumpft…

Von Danny Leder, Paris

Vordergründig gab es im ersten Durchgang der viel beachteten, landesweiten Departement-Wahlen in Frankreich am vergangenen Sonntag (22. März) nur Gewinner: an erster Stelle firmiert Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy. Sein konservativ-liberaler Oppositionsblock kam mitsamt weiterer, ihm nahestehender bürgerlicher Kandidaten auf 36 Prozent und dürfte im zweiten Wahlgang kommenden Sonntag (29. März) eine breite Mehrheit der Departement-Vorsitze (voraussichtlich 60 von insgesamt 101) erlangen.

Die Linke, die bisher über die Mehrheit der Departements (60) verfügte, wird wohl über ein Drittel ihrer Sitze verlieren. Ihr Stimmenanteil blieb aber unglaublich hoch im Vergleich zu den verheerenden Umfrage-Ergebnissen für die sozialistische Staatsführung und den EU-Wahlen im Vorjahr, als die SP unter 14 Prozent gesackt war. Diesmal errang die SP 21,85 Prozent, weitere 7 Prozent entfielen auf nahestehende Listen. Rechnet man Grüne und KP dazu, kam die Linke insgesamt sogar auch auf 36 Prozent.

Der „Front National“ (FN) von Marine Le Pen hielt sein, bei den EU-Wahlen erzieltes Rekordergebnis von 25 Prozent. In 20 Departements kamen die Nationalpopulisten sogar auf rund 30 Prozent. Das ist umso beachtlicher, als Nahbereichswahlen für den FN Neuland sind. Die Rechtsaußen-Partei verfügt nur selten über lokale Verankerung und sandte daher vielfach unbekannte, oft auch nichtansässige Kandidaten ins Rennen, darunter auch einige, mehr oder weniger ungenierte Rassisten und Hitler-Fans (von denen wiederum ein paar – aber nicht alle – vom FN ausgeschlossen wurden.)

Allerdings verfehlte der FN sein Wahlziel: Umfragen hatten den Nationalisten über 30 Prozent vorausgesagt, der FN hatte eine triumphale „marine-blaue Welle“ (in Anspielung auf den Namen Marine Le Pen) angekündigt. Insofern stellt diese Wahl auch einen ersten Dämpfer für Marine Le Pen dar, deren Aufstieg bisher als unwiderstehlich empfunden wurde. Der FN verlor jetzt auch das Prädikat „Erste Partei Frankreichs“, das er seit den EU-Wahlen als Markenzeichen voran getragen hatte.

Sarkozy entreißt dem FN den Titel „Erste Partei Frankreichs“

Es war die konservativ-liberale Allianz von Sarkozy, die dem FN dieses Prädikat jetzt wieder entrissen hat. Dabei hatte Marine Le Pen sowohl Sarkozy als auch seine Partei, die UMP, politisch bereits totgesagt.

Allerdings wurde die konservative Allianz, die aus der UMP und der kleinen Zentrumspartei UDI bestand, durch die langjährige Verankerung und Vertrautheit ihrer Kandidaten gerade im ländlichen Raum gegenüber den rechtsrechten Newcomern begünstigt. Dieser Startvorteil für Sarkozy dürfte aber bei den künftigen Regional-Wahlen (Dezember 2015) und den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2017 nicht mehr ins Gewicht fallen.

Außerdem versuchte Sarkozy durch scharfe Ansagen, die im eigenen Lager umstritten waren, Le Pen quasi rechts zu überholen: so forderte er eine Ausdehnung des Verbots des islamischen Kopftuchs auch an die Unis (bisher galt das Verbot „auffälliger religiöser Symbole“ nur an Frankreichs Schulen). Gleichzeitig unterstützte Sarkozy die Entscheidung von Bürgermeistern, in Schulkantinen die fleischlosen Alternativ-Speisen zu Schweinefleisch-Menüs zu streichen – eine Maßnahme, die muslimische Kinder (und wohl auch jüdische Kinder) aus den Schulkantinen vertreiben könnte.

Gleichzeitig zog Sarkozy aber auch einen scharfen Trennungsstrich gegenüber Marine Le Pen. Entgegen einer weit verbreiteten Stimmung unter UMP-Lokalpolitikern schloss Sarkozy jede wie immer geartete Allianz mit dem FN strikt aus. Zuwiderhandelnden in den eigenen Reihen drohte er mit Parteiausschluss. Als Begründung führte er aber vor allem an, dass der FN wahlarithmetisch die Sozialisten „unterstützen“ würde und ein „linksradikales Programm“ vertrete. Damit zielte er auf den von Marine Le Pen präsentierten, ebenso verlockenden wie unrealistischen wirtschaftspolitischen Maßnahmenkatalog: dieser mixt Staatsinterventionismus und ein soziales Füllhorn (Lohnerhöhungen, Rentenantritt ab 60, Wieder-Ausbau des öffentlichen Diensts) mit gleichzeitigem Steuerabbau.

Durch seinen jetzigen Erfolg dürfte Sarkozy seinen Führungsanspruch innerhalb der konservativen Opposition gegenüber mehreren Rivalen noch stärker als zuvor durchsetzen können.

Beherzte Kampagne von Premierminister Valls gegen den Front National

Die Sozialisten wiederum verdanken ihr verhältnismäßig starkes Beharrungsvermögen der beherzten und frontalen Abwehr-Kampagne von Premierminister Manuel Valls gegen die Gefahr aus der rechten Ecke. Der Regierungschef strahlt mehr Autorität als Hollande aus und ist auch populärer. Valls profilierte sich auch durch sein frühzeitiges und besonders deutliches Auftreten an der Seite der französischen Juden gegen ihre Peiniger aus der Islamisten- und Dschihadisten-Szene in den Vorstädten. So wie er dem antijüdischen Hetzer und Pseudo-Kabarettisten Dieudonné mit aller Kraft entgegen trat – auch wenn seinerseits Präsident Hollande ebenfalls ein maximales Engagement zur Verteidigung der französischen Juden an den Tag legte.

Valls sparte diesmal nicht an Wahlversammlungen in allen Landesteilen, darunter gerade in jenen Departements, in denen die soziale Krise besonders spürbar und der FN maximalen  Zulauf hat. Überall hämmerte Valls die selbe Botschaft: „Der Front National gehört nicht zur Republik. Diese Partei würde Frankreich ruinieren. Das Programm des Front National, der Euro- und EU-Austritt, wäre ein Desaster für unsere Unternehmer, Bauern, Arbeitnehmer, kleinen Sparer“.

Dabei hatten auch in den Reihen der SP einige Politiker gemeint, Valls würde durch sein Insistieren auf dem Kampf gegen Marine Le Pen diese erst recht aufwerten – die FN-Vorsitzende hatte das selber so gesehen. Nun aber scheint die Strategie von Valls aufgegangen zu sein, der genau wie Sarkozy auf bürgerlicher Seite, den Fehdehandschuh von Marine Len aufgriff. Seine vehemente Kampagne gegen Marine Le Pen scheinen Linkswähler und teilweise auch Zentrumswähler aufgerüttelt zu haben, von denen es zuvor geheißen hatte sie wären vollständig demoralisiert und demobilisiert. Damit wird freilich die Tatsache nicht aus der Welt geschafft, dass vorerst ein großer und wachsender Teil der französischen Arbeitnehmer und Linkswähler wegen der anhaltenden schweren sozialen Krise und der hohen Arbeitslosenrate (über zehn Prozent) bitter enttäuscht und desorientiert ist. Und dass diese Menschen, sofern sie den Verlockungen des FN widerstehen, in die Wahlenthaltung abgetaucht sind. Aber die sozialistische Regierung hat jetzt zumindest wieder ein wenig Spielraum gewonnen.

Für Valls ist einstweilen die Gefahr gebannt, von der noch knapp vor der Wahl die Rede war: dass er nämlich als Premierminister abgelöst werden müsste. Und so wie Sarkozy in den Reihen seiner bürgerlichen Partei, hat jetzt auch Valls im Lager der Sozialisten gegenüber den Kritikern seines sozialliberalen Reformkurses ein wenig Glaubwürdigkeit zurückgewonnen.

Insgesamt zeigen die Resultate, dass in Frankreich noch alles offen ist. Deshalb sollte man den vorzeitigen Prognosen für Frankreichs Polit-Zukunft und namentlich den – vom Front National gestreuten und von einigen Medien gierig aufgegriffenen – Siegesprophezeiungen für Marine Le Pen bei den Präsidentenwahlen 2017 mit größter Skepsis begegnen.