„Die weltpolitische Strategie“

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Ein Friedensbekenntnis mit antisemitischer Note und einem Hauch Verschwörungstheorie…

„Wir wehren uns, ja – und wir hätten uns schon viel früher wehren müssen. Denn die letzte Woche hat uns alle daran erinnert, dass Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit weder selbstverständlich noch kostenlos sind, dass wir immer wieder neu für sie eintreten, für sie kämpfen und sie notfalls sogar mit unserem Leben verteidigen müssen… es liegt an uns Muslimen, dem höchsten Gebot des Islams, der Barmherzigkeit, Geltung zu verschaffen.“
Navid Kermani zu den Anschlägen in Paris

Von Ramona Ambs

Ich hatte mich sehr gefreut, als ich von der, von muslimischen Verbänden organisierten, Mahnwache gehört habe: „Terror, nicht in unserem Namen!“ hieß es in der Ankündigung. Endlich!, dachte ich, endlich! wehren sich die Muslime klar und eindeutig gegen die Vereinnahmung durch Islamisten. Endlich überlassen sie das öffentliche Bild des Islam nicht mehr denjenigen, die damit Angst und Schrecken verbreiten- seien es die Terroristen von Paris oder die Extremisten, die im letzten Sommer auf den Anti-Israel-Demos neben dem Takbir auch  „Tod den Juden“ skandiert haben. Endlich reißen sich mal alle zusammen und machen deutlich, dass sie Gewalt und Hass verabscheuen.

Dachte ich.

Aber dann musste ich feststellen, dass wohl doch sehr wenige Muslime dem Aufruf der vielen Verbände gefolgt sind: „Bei dieser Mahnwache waren fast mehr Minister als Moslems.“ beschrieb Andreas Hoidn-Borchers, den, aus seiner Sicht, skurrilen Abend. (( http://www.stern.de/politik/deutschland/mahnwache-in-berlin-fast-mehr-minister-als-moslems-2166065.html ))

Jedenfalls waren es zu wenige, um zahlenmäßig ein echtes Gegengewicht zu den antisemitischen Demonstrationen des letzten Sommers zu bilden. Und damit waren es zu wenige, um mir das Gefühl zu geben, dass hier eine breite, echte, zuverlässige Solidarität existiert.

Und als ob das alleine nicht schon betrüblich genug wäre, muss man dann unter den Demonstrationsaufrufern einen Imam finden, der schon länger von sich Reden macht: Abdul Adhim Kamouss, der charismatische Salafistenprediger, der den Islam als politische Ideologie verkauft und damit bundesweit berühmt wurde. ((www.youtube.com/watch?v=VRldxmz_dE0))

Er rief via Facebook zu der Mahnwache auf- und stieß seine Anhänger damit erwartungsgemäß vor den Kopf. Die harmloseren Postings beschwerten sich darüber, dass er überhaupt zu einer gemischten Veranstaltung aufrief, -die härteren Reaktionen warfen ihm vor, Kafir zu sein:„Derjenige der sich mit Kuffar zusammenmacht und sie unterstützt gegen die Muslime ist ein Kafir!.“ (Als Kafir bezeichnet man Ungläubige, Gottesleugner bzw. Gegner Mohammeds). Andere Follower wünschten ihn direkt ins Jenseits:

Mahnwache Berlin

 

Tenor der Antworten: er ist ein Verräter an der Religion und seinen eigenen Überzeugungen.

Das wollte er denn doch nicht auf sich sitzen lassen und postete deswegen eine Erklärung, in der er nicht nur klarstellte, dass die Muslime die eigentlichen Opfer sind, sondern auch gleich darauf anspielte, wer hinter all dem Unbill dieser Welt steht:

“Liebe Geschwister im Islam,

leider musste ich feststellen, dass mein Aufruf zur Kundgebung gegen Terror am Brandenburger Tor bei vielen auf Ablehnung gestoßen ist. Es liegt mir am Herzen, einige wichtige Punkte klarzustellen, damit es keine Missverständnisse gibt und ihr meine Gedanken dazu erfahrt:

Ich beschäftige mich täglich ausführlich mit den weltpolitischen Ereignissen und bin traurig und schockiert, was derzeit geschieht.

Ich sehe genauso wie ihr, dass die Muslime und der Islam ins Unrecht gezogen werden, dass die Medien völlig unverantwortlich berichten und dass der Hass und die Angriffe gegen den Islam und die Muslime deutlich zunehmen.Ich persönlich denke, dass der Westen mit seiner Kriegs- und Wirtschaftspolitik der Hauptverantwortliche für die momentanen weltweiten Zustände ist, ich glaube, dass ISIS und andere Terrorgruppen von einer Spionagemaschinerie durchdrungen und gesteuert sind und dass es eine weltpolitische Strategie gegen den Islam gibt.

Mich verletzen all diese Dinge tief und ich kann so etwas nicht einfach dulden und fühle mich verpflichtet, meinen kleinen bescheidenen Beitrag als Imam dazu zu leisten, gegen diese Ungerechtigkeiten etwas zu tun.

Aber…

Bei dieser Aktion geht es um etwas anderes.

Es geht nicht darum, um die „Prophetenbeleidiger und -schmäher zu trauern“.

Es geht nicht darum, zu „schleimen“.

Mit der Kundgebung „befürworten wir die Karikaturen“ nicht.

Wir stehen nicht dort, um uns zu „rechtfertigen“.

Sondern…

Die Allgemeinheit in Deutschland hat durch die Medienmanipulation ein total falsches und schlechtes Bild vom Islam. Diese Kundgebung ist eine Gelegenheit für uns, die Grundsätze des Islam wie Menschlichkeit, Barmherzigkeit, Friedfertigkeit und Unantastbarkeit des Menschen zu betonen und klarzustellen, dass Mord, Terror und Selbstjustiz islamisch absolut nicht zu vertreten sind. Es spielt keine Rolle, ob der Anschlag tatsächlich von Muslimen durchgeführt wurde oder nicht, oder ob die Getöteten Islamhasser waren oder nicht, wichtig ist für uns zum Ausdruck zu bringen, dass die Heiligkeit des Blutes, des Besitztums und der Würde im Islam fest verankert ist, unabhängig davon, ob Täter oder Opfer Muslime oder Nicht-Muslime sind…“ (( https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=838453222863651&id=161761237199523 ))

Die restlichen Suren erspar ich uns. Es ist viel von Frieden die Rede und von Verzicht auf Gewalt. Kurz: ein großes islamisches Friedensbekenntnis. Und zu einem islamischen Friedensbekenntnis gehören offenbar die zwei immer gleichen Wahrheiten dazu:

  1. Wir Muslime sind die eigentlichen Opfer.
  2. Da steckt was ganz anderes dahinter.

Und deshalb bin ich nachträglich garnicht mehr so unglücklich über die geringe Teilnehmerzahl bei dieser muslimisch initiierten Mahnwache. Auf Friedensbekenntnisse dieser Art kann ich nämlich komplett verzichten. Echte Solidarität klingt anders. Zum Glück weiß ich, dass es viele Muslime gibt, auf die ich mich verlassen kann. Ich fürchte nur immer mehr: sie sind nicht die Mehrheit…

1 Kommentar

  1. „1.Wir Muslime sind die eigentlichen Opfer.
    2.Da steckt was ganz anderes dahinter.“
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    Solange solch Denkungsart heimisch ist, solange
    kann der Islam mitnichten in einer pluralistischen
    Gesellschaft ernstgenommen werden.

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