Rivlin: Besorgt, aber optimistisch

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Staatspräsident Reuven Rivlin hat am Donnerstag bei der Diplomatic Conference der Zeitung Jerusalem Post eine Rede gehalten…

Dort sagte er:

„Ich möchte gerne mit einer traurigen Anmerkung zu den Ereignissen gestern beginnen, die zum Tod des palästinensischen Ministers Ziad Abu Ein geführt haben. Der Verlust eines Menschenlebens schmerzt immer. Der Staat Israel fühlt sich verpflichtet, eine sorgfältige Untersuchung der Ereignisse durchzuführen, die zum Tode Abu Eins geführt haben. Israel wird rechtsstaatlich handeln. In diesen schwierigen Zeiten hat Israel die Pflicht, verantwortungsvoll zu handeln und zur Ruhe aufzurufen.

Freunde, ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten so viel über die ‚Gesundheit der israelischen Demokratie‘ gehört und gelesen. Sowohl in Israel als auch im Ausland werden viele Fragen gestellt und viele Sorgen geäußert, und auch Anschuldigungen werden gemacht. Sie sagen, dass Israels Demokratie ‚unter Druck‘ ist, dass sie ‚dahinschwindet‘.

Es stimmt, dass wir in Israel ein schwieriges Jahr hatten. Wir haben im Gazastreifen einen schmerzhaften Kampf gegen die Hamas ausgetragen. Wir haben einen Anstieg der Terroranschläge im Land gesehen. Wir haben einen ernsthaften Anstieg der Spannungen zwischen Juden und Arabern gesehen. Auf der anderen Seite der Grenze gibt es noch mehr Instabilität und Krieg, mehr Blutvergießen und Hass. Und in anderen Regionen werden Israelis und Juden zum Ziel von Boykotts und Antisemitismus.

Wahrlich, es ist eine schwierige und schmerzhafte Zeit. Israel steht jetzt vor ernsthaften Herausforderungen: sozialen, politischen und sicherheitsrelevanten Herausforderungen. Doch als jemand, der sein ganzes Leben hier verbracht hat, kann ich Ihnen versichern: Der Staat Israel musste in der Vergangenheit mit Schwierigkeiten umgehen und hat sie überwunden. In ihrer kurzen Geschichte ist die israelische Demokratie vor so vielen Herausforderungen nicht eingeknickt. Sie hat die Evakuierung Tausender Juden aus ihren Häusern im Gazastreifen überlebt; sie hat Welle um Welle brutaler Terroranschläge gegen ihr Volk überlebt; sechs Kriege; große Militäraktionen; Zehntausende gefallener Soldaten und Zivilisten; sie hat die Ermordung eines Ministerpräsidenten überlebt.

Meine Freunde, ich bin nicht hier, um Ihnen eine Lektion in israelischer Geschichte zu erteilen. Manchmal sind meine Aussagen nicht hilfreich für die israelische öffentliche Diplomatie im Ausland (das, was Hasbara genannt wird), da ich lieber genau das sage, woran ich glaube. Israel ist ein stolzer demokratischer und jüdischer Staat. Jüdisch und demokratisch, das ist unsere DNS.

Lassen Sie sich nicht täuschen. Während es manchmal so scheinen mag, als gebe es in der politischen Debatte in Israel keine rote Linie, hat unsere Geschichte wieder und wieder bewiesen, dass die israelische Demokratie selbst über klare rote Linien und Grenzen verfügt. (Das machen auch unsere Gesetzgebung und unser Rechtssystem deutlich.) Diese moralischen Grenzen verleihen der uneingeschränkten israelischen Verpflichtung Ausdruck, die Rechte all seiner Bürger, die Rechte seiner Minderheiten, sowohl der Araber als auch der Juden zu verteidigen.

Und ich möchte Ihnen noch etwas sagen. Trotz jüngerer Versuche, zu unterstellen, dass der jüdische Charakter des Staates seine demokratischen Werte bedroht: In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. Unsere Verpflichtung zu demokratischen Werten ist ein unmittelbares Ergebnis unserer jüdischen Werte. Israels Grundgesetz Die Würde des Menschen und seine Freiheit ist nicht weniger jüdisch als demokratisch.

Ja, es hat seine Wurzeln in den Worten des großen Rabbi Akiva. ‚Der Mensch ist geliebt, geschaffen als Ebenbild Gottes‘. Dieselben Lehren, wie sie auch als Basis für die allgemeine Erklärung der Menschenrechte genutzt wurden.

Als ein Mensch, der sein Herz auf der Zunge trägt, sag ich es Ihnen ehrlich. Ich habe volles Vertrauen in Israels Demokratie, doch gleichzeitig gibt es Dinge, die mich beunruhigen.

Ich bin besorgt über die Gewalt, die in unserer Gesellschaft ihren hässlichen Kopf erhoben hat. Ich bin besorgt über die öffentliche und politische Atmosphäre, die uns das Nationalgesetz beschert hat. (Ein Gesetz, das im besten Falle unnötig ist, wie ich bereits gesagt habe.) Ich bin besorgt über die schlechten Beziehungen zwischen Arabern und Juden.

Ich bin sehr besorgt, dass die israelischen arabischen Führungsfiguren nicht klar die Hetze gegen und den Mord an ihren Mit-Israelis verurteilt haben. Dass einige innerhalb der arabisch-israelischen Bevölkerung unsere schlimmsten Feinde unterstützen und versuchen, den Staat anzugreifen, in dem sie leben.

Ich bin auch besorgt darüber, dass Israel nicht entschlossen genug ist, die signifikanten ökonomischen und sozialen Gräben anzugehen, die sich in diesem Land zwischen Arabern und Juden auftun. Die Wahrheit ist, wir haben nicht genug getan, um Brücken oder Vertrauen zwischen den Völkern in diesem Land aufzubauen. Diese Aufgabe steht uns noch bevor.

Liebe Freunde, trotz all dieser Herausforderungen, vor denen wir stehen, trotz der Probleme, die ich erwähnt habe, müssen wir uns am Ende doch daran erinnern, dass die Intensität der demokratischen Debatte in Israel nicht ein Zeichen der Schwäche ist, sondern eines der Stärke. Sie ist ein Zeichen für eine Gesellschaft, die stark genug ist, um mit den fundamentalsten Dilemmata umzugehen, die seine Identität und Werte betreffen. Ich habe keinen Zweifel in meinem Herzen, dass Israels Demokratie fähig ist, die Herausforderungen zu meistern, die vor ihm liegen. Und dies sie auch weiterhin tun, leidenschaftlich und mutig, auf ihre jüdische und demokratische Art und Weise.“

Präsidialamt, 11.12.14, Botschaft des Staates Israel