Kurt Landauer – Oder der deutsche Jude, der den FC Bayern erfand

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Am Mittwoch, den 15. Oktober 2014, lief in der ARD ein bemerkenswerter Film unter dem Titel „Kurt Landauer- Der Präsident“. Der Film unter der Regie von Hans Steinbichler, nach dem Drehbuch von Dirk Kämper, vermittelte einen tiefen Einblick in die deutsche Zeit- und Sportgeschichte. Anhand der Person von Kurt Landauer wurde klar, welch positive Rolle deutsche Juden auch im Sportgeschehen spielten…

Von Max Brym

Der FC Bayern München wurde 1932 zum ersten mal deutscher Fußballmeister. Der Club wurde intensiv von den Nazis angefeindet. Im Jahr 1932 galt der FC. Bayern als „Judenclub.“ Bayern wurde Meister unter einem jüdischen Präsidenten, mit einem jüdischen Mittelstürmer und einem jüdisch – ungarischen Trainer. Es bedarf keiner großen Phantasie, um sich vorzustellen , wie damals in der sogenannten „Hauptstadt der Bewegung“, der FC. Bayern angefeindet wurde. Der Film beginnt mit einer Originalaufnahme aus dem Endspiel, um die deutsche Meisterschaft, zwischen dem FC. Bayern und Eintracht Frankfurt im Juni 1932. Der FC. Bayern gewann das Endspiel 2:0. In schwarz weiß Originalaufnahme ist der wirkliche Kurt Landauer, jubelnd am Spielfeldrand zu sehen. Dann springt der Film in das Jahr 1947. Kurt Landauer befindet sich aus der Schweiz kommend, im Zug auf dem Weg nach München. Kurt Landauer wird hervorragend gespielt von dem Schauspieler Josef Bierbichler.

Kurt Landauer beabsichtigt über München nach New York zu emigrieren. In München angekommen muss Kurt Landauer feststellen, dass seine komplette Familie der Shoah zum Opfer fiel. Allerdings traf er seine ehemalige Haushälterin Maria Baumann aus Memmingen wieder , mit der er die alte Liebesbeziehung fortsetzt. In den fünfziger Jahren heiratet er diese Frau in München. Vom Fußball kann Landauer allerdings nicht lassen. Er erscheint bei einer Mitgliederversammlung des FC Bayern und wird sofort als Präsident gefeiert. Landauer emigrierte nicht in die USA , sondern er lässt sich beschwatzen, wieder den Posten des Präsidenten beim FC Bayern anzutreten. Der Club lag damals völlig am Boden. Es gibt kein vernünftiges Trainingsgelände, keinem bespielbaren Platz und kein Geld. Landauer krempelt sofort die Ärmel hoch und organisiert die Wiederherstellung des Fußballplatzes an der Grünwalderst. Zusätzlich verhandelt Landauer mit den damaligen US Behörden und erwirbt faktisch kostenlos das heute noch benutzte riesige Trainingsgelände an der Säbener Straße.

Im Film fährt Landauer mit dem Team aufs Land um dort viele Trainingseinheiten und Spiele abzuhalten. Ein wesentlicher Grund war die damalige Ernährungslage. Fußballspieler benötigen bekanntermaßen eine gewisse Kalorienmenge. Das Fleisch, die Eier, sowie die Milch war damals nur in ausreichendem Maß von der Bauern zu haben. Die Lebensgefährtin von Landauer warnt ihn immer wieder vor seinem allzu „großen Engagement“. In einer Filmsequenz sagt die Lebensgefährtin zu Landauer,“ die benützen dich nur“ . Der Film zeigt wie stark der Antisemitismus nach 1945 in Deutschland war. Landauer hat nicht nur Freunde im Gegenteil, in einer Filmszene werden ihm die Fensterscheiben seiner Wohnung eingeworfen. Zuvor hatte Landauer einen Jugendlichen entdeckt ,welcher das Talent zum Fußballspielen hatte. Allerdings musste Landauer feststellen, dass der Vater des Jungen, der ihn um eine Stelle anbettelte, ein SS Mörder war. Landauer zeigte den Kerl nach einigem Zögern an. Im Jahr 1951 wurde eine vereinsinterne Intrige gegen Kurt Landauer gestartet und er verlor sein Präsidentenamt. Am Schluss des Films sitzt Landauer -händchen haltend mit seiner Lebenspartnerin in einer Grünanlage. Der Film macht deutlich, dass viele aus dem Umfeld des FC Bayern den jüdischen Emigranten nur benutzen, um an Kohle und an ein Trainingsgelände zukommen. Nachdem der Mohr seine Schuldigkeit getan hatte, konnte er gehen.

Kurt Landauer der Jude und der Fußball

Kurt Landauer wurde im Juli 1884 in Planegg bei München geboren. Am 21. Dezember 1961 verstarb er in der bayerischen Landeshauptstadt. Im damaligen Vereinsheft des FC Bayern gab es nur eine sehr kleine Todesanzeige. Darin stand: „Kurt Landauer, der ehemalige Präsident des FC Bayern, verstarb am 21. Dezember.“ In der Traueranzeige war ein katholisches Kreuz statt einem Davidstern abgedruckt. Diese Anzeige belegt, wie sehr der FC Bayern mit seiner „jüdischen Vergangenheit“ gebrochen hat und in der deutschen Normalität der Sechzigerjahre ankam. Der ehemalige Spieler und Präsident des FC Bayern wurde abgesehen von dieser seltsamen Todesanzeige im Jahr 1961 beim FC Bayern lange Zeit totgeschwiegen. Der ehemalige Bayern Präsident Uli Hoeneß, sagte vor mehr als zwei Jahren gegenüber dem „Stern“: „ Ich hatte anderes zu tun als mich um die Vergangenheit zu kümmern.“ Der jetzige Bayern Präsident Karl-Heinz Rummenigge erklärte: „Ich spielte von 1974-1984 beim FC Bayern. Den Namen Kurt Landauer habe ich damals nicht ein einziges mal gehört“. Erst durch die Aktivitäten des Ultra Fanclubs „Schickeria“ wurde der Name Landauer beim FC Bayern aus der Vergangenheit geholt. Diese Aktivitäten der Schickeria lobte der Film explizit in seinem Abspann. Im November 2013 wurde Kurt Landauer zu einem der drei Ehrenpräsidenten des FC Bayern ernannt. Der ehemalige Präsident, der im Jahr 1933 sein Amt niederlegen musste und nach der Pogromnacht 1938 einige Monate in Dachau inhaftiert war, konnte 1939 in die Schweiz emigrieren. Jetzt einen Film über Landauer in der ARD zu zeigen ist höchst ehrenwert. Allerdings stellt sich schon die Frage, warum die Stadt München nur einen besseren Kiesweg in der Nähe der Allianz Arena nach Kurt Landauer benannt hat.

Gedanken zur Realität und Geschichte des Fußballs

Der Spielfilm konnte selbstverständlich nicht erklären, warum beim FC Bayern, deutsche Juden eine so große Rolle vor 1933 spielten. Deswegen hier einige Überlegungen. Im deutschen Kaiserreich galt Fußball nach seiner Majestät als „Sport aus dem perfiden Albion“ ( England) . Nach Meinung des Kaisers hatte der „Deutsche an Reck und Bock“ sich sportlich zu betätigen. Die damals aktiven Fußballvereine hatten ihre Basis einerseits in den industrialisierten Zonen des Kaiserreichs, in Dortmund, Gelsenkirchen, oder Hamburg und Bremen. Dort wurde Fußball damals zum klassischen Arbeitersport welcher sich eng an die Arbeiterbewegung angelehnte. Im süddeutschen Raum hingegen setzte speziell in der Stadt München die industrielle Entwicklung erst im Rahmen des ersten Weltkrieges in größerem Maßstab ein. Von daher war es kein Zufall, dass sowohl in München als auch in Stuttgart, viele jüdische Studenten in ihrer Freizeit Fußball spielten. Sie waren faktisch in der deutschen Turnerbewegung antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Der Fußball bot eine mehr als spaßmachende Alternative an. Aus diesem Grund war der Fußball bis weit in die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts hinein, speziell in Süddeutschland sehr stark jüdisch- liberal geprägt. Der TSV 1860 München war Ende der Zwanzigerjahre hingegen stark an die Nazibewegung gebunden und von SA-Führern geleitet. Mit dem Machtantritt des Faschismus wurden selbstverständlich die jüdischen Spuren, speziell im süddeutschen Fußball liquidiert.

Nach 1945 konnte die jüdische Fußball Tradition in Süddeutschland, nur kurz und oberflächlich, über die Person Kurt Landauer wieder aufgenommen werden. Die deutsche Gesellschaft gab sich ab Anfang der Fünfzigerjahre, dem so genannten Konsumwunder hin. Es wurde alles aufgearbeitet nur nicht die Vergangenheit. Einem Bruch mit der unausgesprochen weiter herrschenden antisemitischen Leitkultur auch im Fußball vollzog in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts Borussia Mönchengladbach, unter dem legendären Trainer Hennes Weisweiler. Gladbach hielt regelmäßige Trainingslager in Israel ab. Deshalb wurde damals Gladbach als „judenfreundlicher Club“ angegriffen. Der FC Bayern spiegelte hingegen in dieser Zeit die bundesdeutsche Realität wieder. Es wurde kein Wort über die Vergangenheit verloren und Kurt Landauer dem Vergessen preisgegeben.

Durch die Basisaktivität der „ Ultrafans“ von der „Schickeria“ brach 2011 jedoch dieser Bann. Die Kurven der Allianz- Arena wurde mit einer Riesentransparent zum Gedenken an den 50. Todestag von Kurt Landauer ausgestaltet. Auch bei den Löwen, dem TSV 1860 München wurde ab den neunziger Jahren, speziell durch die Aktivität der Faninitiative „Löwen gegen Rechts“ , die Vergangenheit aufgearbeitet. Beide Faninitiativen erhielten für ihre Arbeit mehrere Auszeichnungen.

In den Stadien, bei beiden Vereinen muss es aber weiterhin darum gehen, Faschisten und Rassisten zu bekämpfen. Der Rassismus gegenüber dunkelhäutigen Spieler, aber auch gegen Juden bricht, immer wieder durch. Es gibt fortschrittliche Fans und es gibt organisierte reaktionäre Fans. Den Rassismus in allen Stadien zu bekämpfen, ist eine Aufgabe, die uns Kurt Landauer hinterlässt.

Literatur:

Dietrich Schulze-Marmeling: Der FC Bayern und seine Juden. Aufstieg und Zerschlagung einer liberalen Fußballkultur. Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2011.
Dirk Kämper: Kurt Landauer. Der Mann, der den FC Bayern erfand. Eine Biografie. Verlag Orell Füssli, Zürich 2014.
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