Griechenland vor der Wahl: Braune Morgendämmerung?

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Auch in Griechenland werden am 25. Mai Abgeordnete gewählt, die das Land im EU-Parlament vertreten sollen. Ein oder zwei könnten dabei einer Nazi-Partei entstammen…

Lucius Teidelbaum

In Griechenland existiert mit der „Goldenen Morgenröte“ oder „Chrysi Avgi“ (CA) eine aggressive Nazi-Partei, die am Sonntag auch zu den Europawahlen antritt, obwohl die Hälfte ihrer Parlamentsabgeordneten inhaftiert wurde. Umfragen verheißen der Partei 8 oder 9%. Bei den Kommunalwahlen am 18. Mai holte der Bürgermeister-Kandidat der CA, Ilias Kasidiaris, in Athen bereits 16,2 % der Stimmen.

Chrysi Avgi: Nazi-Sekte in Parteiformat

Obwohl CA seit Jahrzehnten existiert, führte sie lange Zeit nur eine Randexistenz. Ihre offensichtliche Orientierung am deutschen Nationalsozialismus war lange Zeit in Griechenland nicht sonderlich attraktiv. Denn während der gesamten Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg starben in Griechenland etwa 520.000 Personen, u.a. durch Hunger oder durch Vergeltungsmaßnahmen.

Auch dass die Parteiführung längere Zeit offen paganistisch und teilweise antichristlich war, verhalf ihr im stark christlich-orthodox geprägten Griechenland nicht gerade zu mehr Zuspruch.

Im Verlauf der Wirtschaftskrise verdrängte CA 2012 die extrem rechte Partei „Orthodoxe Volksbewegung“ (LAOS), die sich durch eine Regierungsbeteiligung bei ihren Wähler/innen unbeliebt gemacht hatte. Die bis dato erfolglose Minipartei erhielt plötzlich landesweit 7% der Stimmen. Inzwischen verfügt sie landesweit über mehrere dutzend Büros und versucht zusätzlich noch Auslands-Dependancen in Ländern mit einer großen griechischen community zu eröffnen. Geld bekommt CA dabei durch ihre Verstrickung in mafiöse Geschäfte, zudem sollen auch Spenden durch mehrere reiche griechische Reeder geflossen sein.

Die Wählerschaft und Mitgliederzahl von CA wuchs sprunghaft an. CA hatte im Jahr 2012 10.000 Mitglieder und fungierte praktisch als Sammelbecken für Neonazis und andere extreme Rechte. Die gewalttätige Partei-Basis der Partei rekrutiert sich stark aus den Fußball, Hooligans, dem Security-Milieu und aus den Reihen der Spezialkräfte der Polizei.

Strategie der CA ist es, ähnlich wie die SA in der Weimarer Republik, bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen und sich im Bürgertum als einziger Garant von Ordnung gegen Links und ‚Migrantengewalt‘ zu inszenieren. Mit Bürgerkriegen kennt sich CA tatsächlich bereits aus. Mehrere Dutzend CA-Mitglieder kämpften im jugoslawischen Bürgerkrieg auf serbischer Seite und sollen sogar 1995 in das Massaker von Srebrenica verwickelt gewesen sein.

Die Fußtruppen von CA sind nicht zufällig, sondern gezielt immer wieder in Straßengewalt involviert. Selbst einzelne Angriffe scheinen per Telefon mit der Parteiführung abgestimmt worden zu sein. Bis heute funktioniert die Partei nach dem Führerprinzip unter ihrem Vorsitzenden Nikolaos Michaloliakos, einem offenem Holocaustleugner.

Auch wenn sich die Parteiführung nach Außen von solchen Aktionen halbherzig distanziert, so ist dieses Vorgehen doch eine gezielte Strategie.

Die rechte Gewalt bis zum Mord von CA richtete sich vor allem gegen Migrant/innen. Schätzungen gehen von bis zu mehreren dutzend rassistisch motivierter Morde in den letzten Jahren in Griechenland aus. Das interessierte die Regierung und Behörden lange nicht. Zumal es in der Polizei ohnehin nicht unerhebliche Sympathien mit CA gibt. Erst als im September 2013 der linke Rapper Pavlos Fyssas durch das CA-Mitglied Giorgos Roupakias ermordet wurde, sah sich die Regierung zum Handeln veranlasst. Zeitweise wurden bis zu fünfzig Personen verhaftet. Ein Verbot der Partei steht im Raum, wird aber auch von vielen Gegner/innen nicht befürwortet. Die Erfahrungen unter der Militär-Junta mit sich gegen linke Gruppen richtenden staatlichen Maßnahmen sprechen für sie dagegen. Im Gegensatz zu Deutschland will man CA lieber entgegentreten und misstraut staatlichen Verbotsmaßnahmen.

Ohnehin steht im Verbotsfall bereits eine Ersatz-Partei mit dem Namen „Ethniki Avgi“ („Nationale Morgenröte“) bereit. Das ist vielleicht aber gar nicht notwendig, da das höchste griechische Gericht CA per Beschuss erlaubte an den EU-Parlamentswahlen teilzunehmen.

Morgenröte in den MüllGegenstrategien

Nach den ersten Erfolgen von CA verlegten sich viele Antifaschist/innen darauf CA als Nazi-Partei zu enttarnen. Dabei verhehlt die Partei kaum, dass sie sich am deutschen Nationalsozialismus orientiert. Selbst im Vergleich mit der NPD ist CA weitaus offener neonazistisch. Genau dieser Umstand macht auch die Attraktivität von CA bei Neonazis weltweit aus, die derzeit mit glänzenden Augen nach Griechenland schauen.

Nachdem trotz diverser Aufklärungs-Kampagnen die Zustimmung zu CA nicht gesunken ist, muss diese Strategie der Enttarnung als fehlgeschlagen eingestuft werden.

Ob tatsächlich alle Wähler/innen die Nazi-Ideologie von CA teilen darf aber trotzdem bezweifelt werden. Ein größerer Teil der CA-Wählerschaft dürften rassistische und autoritäre Abwehrwähler/innen sein. Aus rassistisch geprägten Ängsten heraus sind diese auf der Suche nach den radikalsten ‚Lösungsangebot‘ von rechts auf dem Markt. Der in breiten Bevölkerungsteilen bereits vorhandene Rassismus machte egalitäre linke Konkurrenzangebote unannehmbar. Den Hitlerismus von CA wohl eher ignorierend war die allgemeine faschistische und autoritäre Antwort auf die Krise ausschlaggebend für eine Stimmenabgabe zugunsten von CA.

Diese Erklärung allein mag aber nicht ausreichen. Andere verweisen auf die hohen Zustimmungswerte für CA in Regionen, in denen in der Besatzungszeit die NS-Kollaborateure stark waren.

Durch das mögliche Verbot aber auch durch die Ermordung zweier CA-Mitglieder durch Unbekannte, offenbar Linke, verhält sich die Partei derzeit relativ ruhig. In den beiden großen Städten Athen und Thessaloniki existiert eine auch große anarchistische Szene, die darauf achtet dass CA zumindest nicht problemlos in der Innenstadt auftreten oder für sich Wahlwerbung machen kann. Eine Woche vor den Kommunalwahlen und zwei Wochen vor den EU-Wahlen war in Athen keinerlei Werbung von CA zu sehen. Nur übersprühte Nazi-Symbolik wie das Keltenkreuz weist darauf hin, dass CA und seine Anhängerschaft früher auch hier aktiv war.

Antisemitismus: Spitzenreiter Griechenland

Die jüdischen Gemeinden in Griechenland sind klein. Bei Kriegsende 1945 waren von den 78.000 griechischen Juden nur noch 10.000 übrig. 65.000 waren der Shoah zum Opfer gefallen. Heute zählt die griechisch-jüdische Gemeinschaft insgesamt weniger als 5.000 Mitglieder.

Diese sehen sich mit einem gesteigerten Antisemitismus konfrontiert. Laut einer neuen Studie des Simon-Wiesenthal-Centers steht Griechenland in Europa an der Spitze bezüglich Umfragewerte in Sachen Antisemitismus. Etwa 69 Prozent der erwachsenen Bevölkerung weisen antisemitische Einstellungsmuster auf.

Ähnlich wie in Deutschland stehen in Griechenland die Synagogen unter ständigem Polizeischutz, wodurch es bisher zu keinen Angriffen kam. Es kam in jüngster Zeit auch mehrfach zu antisemitischen Friedhofsschändungen.

Golden Dawn