Erinnern – German Style

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Sie tun Großes, sie tun Gutes. Sie zeigen, wie Erinnern auf deutsch geht…

Von Ramona Ambs

„Den Namen auf dem Stein in Berlin nehmen Zehntausende wahr, im „Tatort“ werden es Millionen sein.“ Millionen! Nicht nur so ein paar dahergelaufene Zehntausend.

So klingt der neue deutsche Größenwahn.

Drunter macht mans hier nicht.

Das Holocaustmahnmal ist schließlich auch groß.

Und die Einschaltquoten beim „Tatort“ auch.

Vor allem, wenn man vorab schon kräftig die Mediensuppe rührt. Wie derzeit, wo man landauf landab lesen kann, dass die neue „Tatort“-Kommisarin Margarita Broich sich den Namen ihrer Figur von einem Stolperstein in ihrer Straße gewählt hat…

„Das ist keine große Tat, sondern eine kleine Geste in der Verantwortung gegen das Vergessen. Den Namen auf dem Stein in Berlin nehmen Zehntausende wahr, im „Tatort“ werden es Millionen sein„, lässt der Sender also verlauten. Man wolle so „an das Nazi-Opfer Selma Jacobi erinnern“.

Das ist natürlich niedlich. Man konnte in den letzten Tagen viel Berichterstattung zu dem Fall lesen, aber über Selma Jacobi hat man praktisch nichts erfahren.

Um genau zu sein:

Geburtsjahr, Deportationszeitpunkt und Tod.

So werden Nummern verwaltet, nicht Menschen erinnert.

Ich kenne Selma also nicht.

Aber offenbar kennt die verantwortliche Leiterin des HR-Fernsehspiels, Liane Jessen, Selma sehr gut. Sie weiß, was ihr gefällt. Sie sagt nämlich laut Medienberichten: „Ich wäre glücklich in meinem Grab, wenn auf diese Art und Weise an mich erinnert werden würde. Wir tun hier etwas Gutes.Tatort-Kommissare sind schließlich die modernen Helden unserer Zeit, und wir lassen Selma Jacobi als Heldin wiederauferstehen. Das hätte ihr sicher gefallen“.

Selma ist nun also glücklich in ihrem Grab… -hat sie eigentlich eins? Ein Grab, mein ich?

Selma ist nun „Tatort“-Kommisarin. Eine Heldin. Millionen werden ihren Namen kennen.

Ihre Item-Nummer in Yad Vashem ist übrigens 4107129. Falls man das auch noch einarbeiten mag. Vielleicht auf dem Dienstausweis? „Tatort“-Kommisarin 4107129 . Das wär doch mal ne Nummer! Oder?

Aber vielleicht wär das auch ne Nummer zuviel… so genau will mans ja schließlich auch nicht wissen. Denn Selma Jacobi intressiert wohl eher nicht so. Nur ihr Name soll herhalten für ein scheinbar geschichtsbewußtes Image…

Was doch wohl nichts anderes ist als medienwirksame Koketterie mit  dem Schrecken der Shoa…  also ganz klassisch: Erinnerung- german Style.

Liebe Fernsehleute, ich sag Euch mal was:

An jemanden erinnern, heißt nicht, seinen Namen zu mißbrauchen.

An jemanden erinnern, heißt davon zu erzählen, wie der Mensch war, dem der Name gehört hat.

Selma Yacobi in der zentralen Datenbank von Yad Vashem:
http://db.yadvashem.org/names/nameDetails.html?itemId=4107129&language=de

3 Kommentare

  1. Wie sie auf die Idee gekommen ist – das ist IMHO nachvollziehbar. Sie wohnt dort, wo die deportierte Frau wohnte, deren Namen sie Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr liest. Es ist ihr abzunehmen, dass Frau Broich eine große Zuwendung empfindet – sie, fiktiv, gerne als Freundin hätte. Das muss so tief in sie eingedrungen sein, dass eine Art Identifizierung mit der Toten sie erfasst hat. Das will sie andere miterleben lassen, will es publik machen.

    Hätte der Name einer jener unschuldigen Frauen, die dem Hexenwahn zum Opfer fielen, auf dem Stolperstein gestanden, hätte sie vermutlich das Gleiche mit ihr sich eingebildet und sich jetzt deren Namen gegeben. Steht zu vermuten.

    In beiden Fällen aber ist es falsch, tiefstes persönliches Empfinden zum Zwecke des Broterwerbs, aber Hallo!, an die Öffentlichkeit zu tragen. Da hakt was. Und dann auch noch in einer Serie, in der es auf Grund der eigentümlichen Vorliebe von Leuten an Mord- und Totschlagsstorys darum geht, möglichst hohe Einschaltquoten mit der Rachsucht an den Bösen zu erzielen.

    Und erst Recht, wenn man sich die Rollen ansieht, die Frau Broich schon spielte, d.h. dann den Namen annahm, der Personen in den gespielten Stücke gegeben ist: u.a. den der Adelheid in Goethes Götz von Berlichingen. Diese Adelheid stiftet zu Mord mit Gift an und wird deshalb selbst zum Tode verurteilt.

    Broich ist Schauspielerin und mit einem Schauspieler verheiratet. Hm…

    Leben? Alles Schau, Show. Showbizz. Aber nicht so.

    Dem Hessischen Rundfunk ist wohlgeraten, diese Verirrung der Frau Margarita Broich schleunigst zu kippen und nicht auch noch hanebüchene Verteidigungen rauszutrompeten. Das, ich schließe mich Tabea an, ist wirklich zum … Liebermann …

    Soll Broich sich doch, ihren eigenen Vornamen abgekürzt mitverwendend, kurz und knapp Marga Hesse nennen. Millionen von TV-guckenden hessischen Frauen, sich dann als Heldinnen fühlen dürfend : -) werden es ihr danken. Selber hat sie dann auch was davon, diese Heldin.

  2. Ich schlage noch vor, dass zukünftig die richtig Bösen im Tatort Himmler, Göring, Goebbels etc. heißen und den Vornamen Adolf tragen müssen…

    Klar, alle Guten sind dann – aus Gründen des Respekts und der Erinnerungskultur Sarah Weinreb, Schlomo Rosenzweig oder David Cohen…

    Zudem ändern alle Geschäfte, die sich bei der „Arisierung“ bereichert haben, ihre Namen und firmieren nun wieder wie die beraubten Unternehmen: Kaufhäuser heißen dann Tietz und Versandhändler wieder Joel.

    Tja, dumm-deutsche Gedenkkultur mit öffentlich-rechtlichem Betroffenheitspathos… Zum Kotzen!

    Tabea B.

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