Felix Theilhaber: Ein engagierter deutscher Jude

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Mein Vater, Felix Aron Theilhaber, geboren 1884 in Bamberg, gestorben 1956 in Tel Aviv, Arzt, Schriftsteller und Soziologe, war von früh auf ein leidenschaftlicher Zionist. Er ließ sich bereits 1906 nach seinem ersten Universitätssemester, auf einem Schiff nach Palästina anheuern, um dort als Landarbeiter von Siedlung zu Siedlung zu wandern…

von Adin Theilhaber-Talbar

Mein Grossvater, Hofrat Dr. Adolf  Theilhaber — ein berühmter Gynäkologe — war sehr konservativ. Von ihm nach München zurückgerufen, nahm mein Vater sein Medizin-Studium wieder auf.

Zwischen 1907 und 1910 übernahm er die Herausgabe der monatlichen Wirtschaftszeitung „Palästina“ und setzte sich als engagierter Vertreter des „Praktischen Zionismus“ für die ökonomische Entwicklung des Landes ein. Er war ein begeisterter Turner und Mitbegründer des Jüdischen Sportvereins in München, aus dem der heute noch bekannte „Makkabi„-Weltverband hervorging.

Mit der Promotion schloss er 1911 sein Medizinstudium ab und veröffentlichte noch im selben Jahr sein erstes vielbeachtetes demographisches Buch „Der Untergang der deutschen Juden„. 1912 folgte „Das sterile Berlin“, eine soziologisch-demographische Studie und die Gründung der „Gesellschaft für Sexualreform„.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=yQ6ErkO6q1w[/youtube]

Mit dem Ziel, als junger Arzt in das türkisch verwaltete Palästina zu gelangen, ging er mit der türkischen Armee zunächst nach Tripolis und nahm am italienisch-türkischen Krieg teil und später am Balkankrieg. Nachdem die türkische Armee durch die bulgarische besiegt wurde, setzte er seine Arbeit als Arzt bei den Verwundeten fort. Für seine Verdienste wurde er persönlich von der Zarin in Sofia mit der höchsten Auszeichnung geehrt.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges eilte mein Vater zu den deutschen Fahnen. Er diente als Feldarzt an der West- und Ostfront, und setzte dabei aber auch seine schriftstellerische Arbeit fort. 1916 veröffentlichte er das Buch „Juden und der Weltkrieg“, in dem er die armselige Lage der Juden im Osten beschrieb. Als er an die Westfront verlegt worden war, veröffentlichte er 1917 seine „Schlichten Kriegserlebnisse“.

1915 bereits mit dem „Eisernen Kreuz Zweiter Klasse“ ausgezeichnet, wurde ihm im April 1918 nach der sogenannten „Großen Schlacht in Frankreich“ auch noch das „Eiserne Kreuz Erster Klasse“ verliehen.
Trotz aller Verdienste der deutschen Juden im Ersten Weltkrieg, musste mein Vater am Ende des Krieges zunehmend Verleumdungen und Anschuldigungen gegen Juden zur Kenntnis nehmen. In seinem Unmut darüber fiel ihm eine Liste in die Hände, die Dutzende von Namen jüdischer Flieger enthielt, die für Deutschland gekämpft hatten. Diese veröffentlichte er zunächst 1918 unter dem Titel „Jüdische Flieger. Ein Blatt der Erinnerungen“.

1924 gab Felix A. Theilhaber schließlich das hier vorliegende Buch „Die Jüdischen Flieger im Weltkrieg“ heraus, auf das die Öffentlichkeit mit Erstaunen reagierte.

… „Die vorliegende Sammlung umfasst nur einen Bruchteil jüdischer Flieger. Schon dieser kleine Ausschnitt ist so lehrreich, dass man ihn der Öffentlichkeit vorlegen muss. Die schlichten, ansprechenden und bezwingenden dokumentarischen Aufzeichnungen geben eindeutige Antwort auf die Frage, mit welchem Rechte eine kritiklose und hammelherdenähnlich geführte Masse bewährten Kriegsteilnehmern Schimpf und Schande antut, anstatt in stiller Erkenntnis eigener Inferiorität das Haupt zu beugen“…

(Aus dem Geleitwort zur Erstausgabe von 1924)

Fast ein Jahrhundert ist inzwischen vergangen. Die „Jüdischen Flieger im Weltkrieg” erscheinen abermals. Warum diese Neuausgabe ? Damit das Werk meines Vaters nicht in Vergessenheit gerät, damit den Menschen, von denen dieses Buch handelt, noch einmal eine Ehrung zuteil wird und damit auch der heutigen Generation bewusst wird, wie viele deutsche Juden stets patriotische Deutsche sein wollten und waren. Mein Vater, sein Leben und sein Werk sind ein besonderes Beispiel dafür.
Adin Theilbaber-Talbar Jerusalem, im September 2009

siehe auch unter aerzte.erez-israel.de

6 Kommentare

  1. „“Die jüdischen Flieger im Weltkrieg waren eben ganz normale Deutsche – und ganze normale Europäer der “Generation 1914″.“

    und wieviele juden sind in den krieg gegangen mit der
    hoffnung als ganz normale deutsche oder oesterreicher
    anerkannt zu werden?

    Leider um sonst. auch daraus sollte man lernen.

    J

  2. Was ist jüdische Identität? Wie ist die Beziehung zwischen jüdischer Identität, Israel, leben im Exil?
    Dies war Thema eines hier vorgestellten Buches
    buecher.hagalil.com/2012/07/identitaeten-2/

    und hierzu ist soeben in Haaretz
    (Bezug nehmend auf Sigmund Freuds komplizierten Lebensweg: test.hagalil.com/2008/11/freud-e.htm)

    bezogen ein sehr feinsinniger Beitrag erschienen:
    http://www.haaretz.com/opinion/why-israelis-should-still-feel-like-strangers-even-when-they-re-home.premium-1.515379

  3. Danke für diese Erinnerung an Felix Theilhaber, der dem Irrenhaus Deutschland entfliehen konnte. Aus einer Rede von Dr. Klaus von Dohnanyi, späterer Bürgermeister von Hamburg, möchte ich hier einen Auszug in Erinnerung rufen:

    „Die jüdischen Flieger im Weltkrieg waren eben ganz normale Deutsche – und ganze normale Europäer der “Generation 1914″. Denn nicht nur die deutsche Jugend zog damals enthusiastisch in diesen sinnlosen Krieg: Pathos, Idealismus und Kriegsbereitschaft zeigten sich auch in England und Frankreich, wie Robert Wohl in „The Generation of 1914“ und Elisabeth Marsland in „The Nation’s Cause”, einem Buch über französische, englische und deutsche Poesie des Ersten Weltkrieges, so erstaunlich dokumentieren. Dieses Zeitalter der nationalistischen Völker ist vergangen — jedenfalls in Europa. Der Weg war schmerzhaft. Aber heute, wenn wir zurückblicken, können wir sagen: Von dort sind wir fort geschritten.
    Den Herausgebern dieses Buches ist zu danken für diese Erinnerung an die jüdische und nicht-jüdische Gemeinschaft in Deutschland — die es gab und die wir nie vergessen wollen.“

    Dr. Klaus von Dohnanyi Hamburg, im September 2009

    Er sagte u.a. über den 1. WK auch das Richtige, das wir nicht vergessen dürfen! >Denn nicht nur die deutsche Jugend zog damals enthusiastisch in diesen sinnlosen Krieg: Pathos, Idealismus und Kriegsbereitschaft<

    Wir dürfen die vielen deutschen Mahner vor dem sinnlosen 1. WK auf keinen Fall vergessen, zu denen gehörten Bebel, Clara Zetkin und Rosa Luxemburg und viele andere mutige Kommunisten ebenfalls, die vor der deutschen Kriegshetze deutliche Worte aussprachen, und denen heute niemand gedenkt oder gar dankt.

    Ob ein jüdischer, deutscher, englischer oder französischer Flieger, jeder von ihnen hat im Auftrag der jeweiligen Militärmächte anderen Kindern ihre Väter ermordet; Dafür erhielten sie Blech angeheftet, die man stolz als Eiserne Kreuze, oder was weiß ich in welcher Sprache, bezeichnet hat.

  4. „wie viele deutsche Juden stets patriotische Deutsche sein wollten und waren“

    Der Dank fuer den Patriotismus gegenueber Deutschland waren nur 15 Jahre spaeter die Nuernberger Rassengesetze die Aberkennung der Deutschen Staatsbuergerschaft, Zwangsverkauf des Juedischen Eigentums ( siehe die Auffaellig vielen 100 Jaehrigen Jubeleumsfeiern in Deutschland ) Vertreibung, Ermordung durch Zwangsarbeit oder durch Vergasung in Auschwitz.

    Heute Abend beginnt in Israel der Holocaust Gedenktag und der Gedenktag der Helden.

    Und der 70. Jahrestag des Warschauer Ghetto Aufstandes

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