Presseschau zur Wahl: Netanjahu siegt und verliert

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Bei den Parlamentswahlen in Israel hat das rechte Parteienbündnis Likud-Beitenu von Premier Benjamin Netanjahu am Dienstag die meisten Stimmen erhalten. Gegenüber der letzten Wahl verlor es jedoch deutlich an Stimmen. Netanjahu hat sich mit dem vorgezogenen Wahltermin verzockt, meinen Kommentatoren, denen auch die neue Machtverteilung in der Knesset wenig Hoffnung für den Nahost-Friedensprozess macht…

La Liberté – Schweiz
Israel fehlen historische Führungsfiguren

Während Netanjahus rechtes Parteienbündnis Likud-Beitenu bei der Parlamentswahl voraussichtlich 11 von 42 Sitzen eingebüßt hat, schnitten die neue liberale Partei Jesch Atid wie auch die neue ultrarechte Partei Habait Hajehudi mit 19 beziehungsweise 17 Mandaten stark ab. Die Regionalzeitung La Liberté fürchtet, dass in dieser zerstückelten Parteienlandschaft mutige Entscheidungen kaum zu fällen sind:

„Am Tag nach den Parlamentswahlen in Israel wirkt die politische Landschaft chaotischer und zerstückelter als je zuvor. Netanjahu ist ein schlechter Taktiker, der sich in seinem eigenen Netz verfängt. Er wirkt wie ein Anführer, der nur aus Mangel an Alternativen gewählt wurde. Der Premier sieht sich gezwungen, eine Koalition aus kleinen Parteien zusammenzustellen, und wird eher ihre Geisel als ihr Mentor sein. Diese Wahlen bestätigen das Verschwinden jeglicher ‚Vision‘ auf höchster Staatsebene seit dem abrupten Ende der Amtszeit von Ariel Scharon vor sieben Jahren. … Jerusalem hat sich nie vom Verschwinden seiner historischen Führungsfiguren erholt, die dazu fähig gewesen wären, dauerhafte und folglich schmerzhafte Reformen durchzuführen.“
(23.01.2013) französisch

Corriere della Sera – Italien
Netanjahu hat sich verzockt

Nach den Wahlen in Israel zeichnet sich eine Pattsituation in der Knesset ab: Sowohl Netanjahus bislang regierendes Rechts-Bündnis Likud-Beitenu als auch das Mitte-Links-Lager können mit 60 Mandaten rechnen. Der Premier hat sich verschätzt, urteilt die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera:

„Benjamin Netanjahu hat die Wahlen vorgezogen, um sie zu gewinnen. Nun hat er gewonnen, doch es ist, als hätte er sie verloren. Seine Rolle ist mit einem Schlag beeinträchtigt worden. Denn die eigentlichen Protagonisten dieses politischen Erdbebens sind nicht Netanjahu und sein ultranationalistischer Bündnispartner, Außenminister Avigdor Lieberman, sondern drei neue Führungskräfte. … Es ist noch nicht der Beginn der ‚Verschrottung‘, des Ablegens des alten Eisens der Politiker, doch die Botschaft, die der Urnengang sendet, lässt wenig Zweifel: Die Likud-Partei hat nicht den geringsten Vorteil von ihrer Allianz mit Lieberman [und seiner Partei Israel Beitenu] gehabt. Einheit macht eben nicht immer stark, sondern kann auch schwächen.“
(23.01.2013) italienisch

taz – Deutschland
Auch die Mitte steht in Israel nicht für Frieden

Die neue liberale Zukunftspartei des ehemaligen TV-Moderators Jair Lapid ist bei den Parlamentswahlen in Israel überraschend zweitstärkste Kraft geworden. Die linke Tageszeitung taz sieht trotz des starken Abschneidens der Gemäßigten keine Hoffnung auf Friedensverhandlungen mit den Palästinensern:

„Lapid, der kein außenpolitisches Programm hat, weder, was die Palästinenser betrifft, noch Iran oder Syrien, positioniert sich selbst leicht rechts von der Mitte. Nicht zufällig startete er seinen Wahlkampf in der Westjordanland-Siedlung Ariel. Zugeständnisse an die Palästinenser genießen bei ihm keine Priorität. Er will seine Macht als starker Koalitionspartner auf den Kampf gegen die Ultraorthodoxen konzentrieren. … Der Rechtsruck in Israel wird mit Lapid auf Platz zwei nur scheinbar gedämpft. Unter dem Strich erreichten die rechten Parteien, die die Zwei-Staaten-Lösung offen oder versteckt ablehnen, einen klaren Punktesieg. Damit ist kein Ende der Besatzung in Sicht und kein Frieden, stattdessen noch mehr Siedler, die ins Westjordanland ziehen und sich auf palästinensischem Land niederlassen.“
(23.01.2013) deutsch

Magyar Narancs – Ungarn
Linke haben Netanjahu nichts entgegenzusetzen

Die politische Linke in Israel ist zu schwach und zu zersplittert, um Premier Netanjahu gefährlich zu werden, analysiert der Publizist Attila Ara-Kovács in der linksliberalen Wochenzeitung Magyar Narancs:

„Die Mitte-Links-Partei Kadima, die bislang der größte Kontrahent für Netanjahu war, ist in nicht weniger als acht verschiedene Fraktionen zerfallen, die eher gegeneinander kämpfen als gegen die Rechte. … Die fehlende Einheit im Lager der Linken rührt für viele daher, dass die unterschiedlichen Splittergruppen zuletzt mehr daran interessiert waren, ein paar Parlamentssitze zu gewinnen, als Netanjahu geschlossen zu besiegen. Bei der Linken fehlen nicht nur charismatische Politiker, sondern auch eine überzeugende Ideologie und ein klares politisches Ziel.“
(21.01.2013) ungarisch

Kaleva – Finnland
Israelis strafen Falken Netanjahu ab

Der überraschende Wahlerfolg der liberalen Partei Jesch Atid in Israel wird dazu führen, dass Premier Benjamin Netanjahu mehr Verhandlungsbereitschaft gegenüber den Palästinensern und Iran zeigen muss, prophezeit die liberale Tageszeitung Kaleva:

„Die Wahlniederlage der rechten Parteien ist ein eindeutiger Protest der Wähler gegen die falkenhafte Politik Netanjahus. Um seine Regierungskoalition zusammenzuhalten musste er den religiösen Parteien Zugeständnisse machen. Die gemeinsame Regierungsarbeit mit Jesch Atid verringert Netanjahus Abhängigkeit von den religiösen Parteien, aber er muss seine harte Linie gegenüber den Palästinensern und Iran aufweichen. Netanjahu hat über den Plänen für einen eigenen Angriff gegen Iran gebrütet, um den Bau von Atomwaffen zu verhindern. Aber nun muss er sich der Iran-Politik der USA anpassen. Das Wahlergebnis ermöglicht den USA, Druck auf Israel auszuüben, wieder an Friedensverhandlungen teilzunehmen.“ (24.01.2013) finnisch

1 Kommentar

  1. Das ist doch unerhört, da haben alle unsere „Nachostsachverständigen“ einen schrecklichen Rechtsruck prophezeit. Und was machen die „bösen“ Israelis, sie schwächen den Likud. Rührend wie alle besorgt auf Israel schauen, die überhaupt nicht besorgt sind, wenn es schon über 60000 Todesopfer in Syrien gibt.

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