Netanjahu vor der UNO

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Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat bei der diesjährigen Generalvollversammlung die Abbildung einer Atombombe auf einem großen Karton hervorgeholt, um der Welt die Fortschritte des iranischen Atomprogramms bildhaft darzustellen. Mit einem dicken Filzstift malte er schließlich eine „rote Linie“ zwischen der Anreicherung von Uran und der Entwicklung eines Zünders…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 28. September 2012

In Israel wurde der Auftritt Netanjahus mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Zwar sei es notwendig, dem Iran die Grenzen der Geduld aufzuzeigen und ihn bei dem Atomprogramm in die Schranken zu weisen, meinte die Vorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei, Scheli Jechimowitsch. Doch sollte das im stillen Kämmerlein passieren und nicht bei einem öffentlichen Auftritt. Sie wies darauf hin, dass der wahlkämpfende US-Präsident Barack Obama die israelischen Forderungen nach einem Ultimatum gegen Iran als „Hintergrundgeräusche“ kritisiert hatte. Entsprechend forderte die linke Politikerin Netanjahu auf, sich nicht weiter in den amerikanischen Wahlkampf einzumischen und seine persönlichen Beziehungen mit Obama wieder ins Lot zu bringen.

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Während die Nachrichtenagentur Reuters den Auftritt Netanjahus als offene Kriegserklärung wertete und sich schon fragte, ob Israel vor einem Militärschlag wenigstens die Wiener Atombehörde informieren werde, damit sich deren Inspektoren rechtzeitig in Sicherheit bringen könnten, liest der konservative ehemalige israelische UNO-Botschafter Salman Schoval genau das Gegenteil aus den Darstellungen Netanjahus heraus. Die „rote Linie“ habe der israelische Premier zeitlich betrachtet „irgendwann in einigen Monaten, weniger als einem Jahr, also im kommenden Sommer“ auf den Pappkarton gemalt, falls der Iran mit Sanktionen und diplomatischem Druck nicht gestoppt werden könne.  Netanjahu habe den Amerikanern implizit signalisiert, dass ein israelischer Militärschlag nicht unmittelbar bevorstehe. Ebenso habe er deutlich gemacht, dass Israel von der Weltgemeinschaft erwarte, die Gefahr einer iranischen Atombombe aus eigenem Interesse abzuwenden. Denn sowie Iran fähig zur Produktion einer Atombombe sei, könne sie auch in die Hände von El Kaeda oder anderen extremistischen Gruppen fallen. Anders als die Sowjets ließe sich Iran bei seiner theologisch motivierten Ideologie nicht abschrecken, solange der Iran „Horden von Selbstmordattentätern“ produziere.

Kritisiert wurde Netanjahu wegen seiner Bezüge zum Zweiten Weltkrieg. Ein rechtzeitiges Ultimatum gegen Hitler hätte den Weltkrieg und damit auch den Holocaust an den Juden verhindern können.  Jechimowitch erklärte, dass die Zeiten nicht verglichen werden könnten. Während die Juden damals den Nazis hilflos ausgeliefert gewesen seien, gäbe es heute einen starken jüdischen Staat, der sich gegen Angriffe gebührend wehren könnte.

Ausgerechnet die prominenteste Vertreterin der israelischen Linken bekräftigte so Netanjahus Ankündigungen, dass der Staat Israel eine erneute Bedrohung seiner physischen Existenz nicht zulassen wolle. Während sie letztlich einen israelischen Militärschlag vorhersagt, hat Netanjahu vor der UNO nicht einmal andeutungsweise eine israelische Attacke auf Iran erwähnt. Vielmehr forderte er in vielen Variationen die Weltgemeinschaft auf, dieses Problem mit Sanktionen, Diplomatie und „roten Linien“ zu lösen.

Netanjahu erwähnte erneut, dass er seit 15 Jahren auf die Gefahr einer iranischen Atombombe hinweise und dass es seine „Pflicht“ sei, darüber zu sprechen. Die militärische Alternative oder gar ein israelischer Alleingang kam in seiner Rede nicht vor.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com

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