Holocaust: Die Entschädigung der Überlebenden (Fakten 1)

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Zwei von drei Überlebenden haben nie eine Entschädigung erhalten. Nur ein winziger Teil der jüdischen Vermögensverluste wurde kompensiert. Trotzdem gilt Deutschlands „Wiedergutmachung“ als beispielhaft. Raul Teitelbaum nennt Zahlen und Fakten und beschreibt Verzweiflung und Verbitterung, die die Beschäftigung mit diesem Thema mit sich bringt. Wollen Sie sich das antun?…

Die Schoah war nicht nur der größte planmäßig durchgeführte Massenmord in der Menschheitsge­schichte, es war auch der größte aller Raubzüge…

Raul Teitelbaum

In seinem »totalen Krieg« wurde Deutschland besiegt, in seinem Krieg gegen die Juden nicht. Im Laufe einer Generation gelang es dem Land, sich zu wiederaufzubauen und eine Schlüsselstellung in Europa zurückzuerobern. Mit der Wiedervereinigung glaubte es fast alle Konse­quenzen der Niederlage überwunden zu haben. Nicht so die Juden. Ihre Wunden sind nie verheilt, ihre kulturellen und geistigen Zentren wurden zerstört. Das jüdische Volk ist nicht mehr dasselbe, weder geographisch noch demographisch. Die Schoah endet nicht mit der Befreiung der Lager, sie bleibt in der Erinnerung der Überlebenden und im Bewusst-sein der nachfolgenden Generationen lebendig.

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges hatten zwei Drittel des jüdischen Volkes in Europa gelebt. Heute haben sich seine demographi­schen Zentren nach Osten und Westen verschoben, in die Vereinigten Staaten und nach Israel. Im Jahre 2005 lebten nach Angaben des Jewish People Policy Planning Institute von weltweit 13 Millionen Juden 41 Prozent in Israel (1939 waren es 3 Prozent), 46 Prozent in Nord-, Mittel- und Südamerika, nur 11 Prozent in Europa (einschließlich des Gebiets der ehemaligen Sowjetunion) und 2 Prozent in der übrigen Welt.

Mittel- und Osteuropa, die Hauptvernichtungsgebiete, sind nach wie vor nahezu »judenrein«. Vordem Krieg haben in Polen ungefähr 3,3 Mil­lionen Juden gelebt, heute ist die jüdische Gemeinschaft auf 3.300 See­len, also 0,001 Prozent, geschrumpft. Von 1,5 Millionen Juden, die vor dem Krieg in der Ukraine lebten, sind 100.000 geblieben, von 845.000 Juden in Russland 235.000; in Weißrussland leben noch etwa 20.000 von vormals 375.000. Von 750.000 rumänischen Juden blieben ganze 11.000, von 400.000 ungarischen Juden 50.000. In Deutschland, Öster­reich, der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Bulgarien wurden jüdi­sche Zentren zerstört. Dafür kann es keine Sühne, keine materielle Ent­schädigung geben, schon gar nicht für verlorenes Leben.

Die wirkliche Aufgabe liegt in den historischen Lehren, die es zu ziehen gilt, in dem Versuch einer Antwort auf die Frage, wie ein solcher Massenmord mög-lich war. Die Entscheidung für die Demokratie ist eine der Lehren, die das deutsche Volk aus zwölf Jahren Hitlerdiktatur zog. Seine Wachsam­keit darf aber nicht nachlassen, denn wenn es der Beschäftigung mit sei­ner Vergangenheit müde wird, stellen »Normalität« und Vergessen sich ein, und darin liegt die Gefahr für die Zukunft.

Blick in die israelische Presse

Raul Teitelbaum
Die biologische Lösung
Wie die Schoah „wiedergutgemacht“ wurde
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4 Kommentare

  1. Zitat: „Die wirkliche Aufgabe liegt in den historischen Lehren, die es zu ziehen gilt, in dem Versuch einer Antwort auf die Frage, wie ein solcher Massenmord mög-lich war“ —

    Das war der „Segen“ der Propaganda, das wäre die historische Lehre und der verfaulte Zahn den es zu ziehen gilt.

  2. Der Artikel ist für jemand, der in Geschichte nicht ein wenig bewandert ist, leicht misszuverstehen. Deshalb sei ein bisschen Nachhilfe gestattet.

    Es war nicht „das deutsche Volk“, das die sog. Wiedergutmachung leistete, noch gelang es „im Laufe einer Generation“ (1 Generation = 20 Jahre, d.h. bis etwa 1965)
    „dem Land, sich zu wiederaufzubauen und eine Schlüsselstellung in Europa zurückzuerobern.“

    Anders: die „Wiedergutmachung“ (ein verunglückt euphorisches Wort) wurde nicht von dem „Großdeutschland“ geleistet, das mit Erfolg einen großen Teil des europäischen Judentums in die Vernichtung, gemäß Hitlers Worten, geführt hatte.

    Zu jenem „Großdeutschland“ gehörten das annektierte Österreich, die Sudetengebiete und andere kleinere. Die „Wiedergutmachung“ aber leistete allein die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, d.h. eines zuvor in drei
    Besatzungszonen aufgeteilten Bereiches des Deutschland der (geografisch gesehen)früheren Weimarer Republik, auf ungefähr nur einem Drittel ihres Gebietes, in dem sich
    etwa 7-8 Millionen der ca. 9,5 Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem von SU und Polen annektierten und 1990 rechtmäßig für verloren gegebenen Viertel ansiedelten (die resultierende Wohnungsnot kompensierte sich erst in den 80er Jahren).

    Nur mit Hilfe dieser Leute gelang es, die zerstörten Städte und die Infrastruktur sowie die Industrie in diesem Drittel allmählich wiederherzustellen und dennoch die „Wiedergutmachung“ zu leisten.

    Das verbliebene übrige Restdeutschland, die DDR, zahlte dazu keinen Pfennig, entrichtete jedoch alleine die eigentlich allen Deutschen auferlegten Reparationszahlungen in Höhe von 10 Milliarden Dollar damaligen Nennwertes an die SU. Zwar wurden die Ãœberweisungen nach rel. kurzer Zeit gestoppt, die Reparationen liefen jedoch weiter, bis zur „Wiedervereinigung“, in Form von Sachleistungen, Abwertung von in die SU exportierten Industriegütern usw., von den zuvor erfolgten Demontagen ganzer Fabriken mal abgesehen, bis hin zu so gut wie fast sämtlichem Uran für die sowjetischen Atomwaffen und Kernreaktoren.

    Man könnte fast von einer Aufgabenteilung sprechen: das eine „Deutschland“ zahlte an Israel, das andere an die SU.

    1965 (also nach einer Generation) lagen noch große Teile in Schutt und Asche, in der DDR mehr als in der BRD… Die Aussöhnung mit dem „Erbfeind“ Frankreich durch einzig allein die BRD war da gerade mal seit ein paar Jahren konkreter geworden. Und den beiden Deutschland war die Wiederbewaffnung für einen erstrangig gegeneinander evtl. zu führenden Krieg aufgezwungen worden.

    Von einer „zurückeroberten Schlüsselstellung in Europa“ (das bekanntlich, aber oft nicht beachtet, bis zum Ural reicht), kann beim besten Willen da wirklich keine Rede sein. Hätte irgendwer das damals z.B. den Briten oder auch den Sowjets erzählt, wären die vor Lachen… Kaum eine der damaligen Kasernen der früheren Besatzungsmächte
    war damals geräumt, in der Gegend hier lagen z.B. noch Belgier, Kanadier, Briten… Es war die Zeit des Kalten Krieges und des Eisernen Vorhangs. Die Schlüsselstellungen
    in Europa gehörten nach wie vor den Siegermächten, bis Gorbatschow kam. Aber noch heute warten in Büchel in der Eifel US-Atomwaffen auf ihren Einsatz.

    Und Österreich, genauso beteiligt am Holocaust – was leistete das an Wiedergutmachung? Man lese dazu z.B.:

    http://david.juden.at/kulturzeitschrift/57-60/58-Scholz.htm

    Niemals vergessen werden dürfen etliche europäische Staaten, die bereitwillig mitmachten bei der Shoah, und dann die „Zulieferer“, d.h. Teile der Beamtenschaft und der Polizei des besetzten und des unbesetzten Frankreich, der Niederlande und Belgiens, Italiens…

    Selbstverständlich kehre jeder vor der eigenen Haustür.

    Eichmann wäre aber bei Weitem nicht so „erfolgreich“ gewesen, wenn er nicht auf die Hilfe anderer Europäer hätte rechnen können, was keine Relativierung deutscher Schuld ist, aber trotzdem nicht vergessen werden darf.

    Fast ganz Europa steht schon deshalb in jüdischer Schuld – und das weiß es.

    Teitelbaums Satz: „Seine Wachsamkeit darf aber nicht nachlassen, denn wenn es der Beschäftigung mit seiner Vergangenheit müde wird, stellen »Normalität« und
    Vergessen sich ein, und darin liegt die Gefahr für die Zukunft.“ gilt für Europa. Vom Atlantischen Ozean bis zum Ural – und nicht nur für uns Deutsche.

    btw.: Die Sache mit den Mirage aber, ein Bruch dieser Verantwortungsverpflichtung in einer für Israel und damit einen Großteil des jüdischen Volkes lebensbedrohlichen Lage – das hätte keinesfalls sein dürfen. Kein Wunder, wenn Israel das nicht vergisst, skeptisch ist gegenüber Europa und eher Uncle Sam vertraut.

  3. Ich habe bis heute nicht herausgefunden, wie in meiner Familie alles war, aber ich weiß, daß meine Großmutter nach jahrelangen Kämpfen („wo ist denn dies Dokument, bitte? – na verbrannt, das ganze Anwesen ist nicht mehr da, darum geht es – unter vielem anderem!“ – „ja wo ist denn dieses Dokument, bitte“ – Stil…) eine „Entschädigung“ erhielt.
    Die Familie war sehr reich gewesen, all das war verloren (und im Vergleich auch völlig, völlig egal damals – was kann Geld „gutmachen“).
    Aber eine Entschädigung, das sie als Grundlage nahm, auf dem großen Grundstück zwei neue Mietshäuser zu bauen, bekam sie nach vielen Jahren wohl.

    Es wäre wichtig, zu wissen, wie das bei all den so vielen Menschen im Alltag war, die also nichts bekamen. Meine Oma – ich war sehr jung, als sie gebrochen starb, weiß also trotz vieler Nachforschungen wenig – dachte, weitgehend betrogen worden zu sein. Das stimmt auch, aber sie wußte sicher nicht, wie viele überhaupt nichts bekommen hatten.
    Bei ihr kam auch dazu, und das wird bei einigen so gewesen sein, daß sie als Zeugin in Prozessen gegen lokale Nazis auftreten mußte, und dort wohl von den Verteidigern der Nazis als schwerkranke Frau derart unmenschlich behandelt wurde, daß sie zusammenbrach und sich dann weigerte, jemals wieder als Zeugin auszusagen. Sie war nicht nur durch den Tod ihrer Lieben und ihr eigenes Überleben gebrochen, sondern hatte dann keinerlei Kraft mehr, etwa gegen Bürokraten anzugehen, in Geldfragen.

    Von der deutschen sogenannten „Wiedergutmachung“ – was für ein jämmerliches Wort, das man dauernd hörte – abgesehen, waren vielleicht für viele auch die Umstände so unaussprechbar grauenhaft, daß die, die „entschädigen“ wollten, das hätten berücksichtigen müssen.
    Sprich, statt sinnlos langer Nachfragen hätte man mit einem Hauch von (auch heute nicht vorhandenen; auch wenn man das nicht vergleichen kann, höre man sich die neoliberalen Dauersätze gegen Griechenlands Menschen an, während sogar Chemotherapien krebskranker Menschen usw. grade abgebrochen werden müssen wegen der „Sparmaßnahmen“ Merkels, Lagardes, Röslers et al.) Sensibilität nicht noch solche Hürden aufbauen müssen.
    Aber das scheint in keinem Bürokratiesystem, in dem noch dazu jede Menge versteckter Ressentiments herrschten, („einmal muß Schluß sein“ hieß es wohl schon ab 1949?) möglich zu sein. Und wenn dann eben noch „einmal muß Schluß sein“ der Hinterzimmer-Grundgedanke ist…

  4. >>“Seine Wachsam­keit darf aber nicht nachlassen, denn wenn es der Beschäftigung mit sei­ner Vergangenheit müde wird, stellen »Normalität« und Vergessen sich ein, und darin liegt die Gefahr für die Zukunft.“<<

    Blödsinn!

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