Rechts-Rechts-Getümmel in Frankreich

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Die rechtsextreme Politiker Marine Le Pen kann, nach einigen Unklarheiten diesbezüglich, definitiv als Präsidentschaftskandidatin antreten. Symbolisch hängt dies auch mit Israel zusammen…

Von Bernard Schmid, Paris

An diesem Montag, den 19. März 2012 wird in Paris die endgültige Liste der Namen der Präsidentschaftskandidatinnen und –kandidaten veröffentlicht. Es handelt sich um jene Bewerber/innen, die nach Überprüfung durch das Verfassungsgericht die rechtliche Voraussetzung dafür erfüllten und bis zum vergangenen Freitag, den 16. März mindestens 500 Unterschriften von Mandatsträgern der Republik vorlegen konnten.

Anders als in deutschen Medien mitunter dargestellt handelt es sich dabei mitnichten um „Stimmen“, sondern um einen formalen Akt, den viele Bürgermeister kleinerer Kommunen „im Namen der Demokratie und des Pluralismus“ erfüllen. Dies bedeutet, dass eine Unterschrift für eine solche „Wahlpatenschaft“ im Prinzip keinerlei inhaltliche Übereinstimmung zwischen Mandatsträger/in und Kandidat/in voraussetzt. Auch ohne jegliche programmatische Übereinstimmung mit „ihrem“ Kandidaten kann etwa die Bürgermeisterin einer kleinen Gemeinde dafür sorgen wollen, dass alle relevanten politischen Strömungen bei der Präsidentschaftswahl vertreten sind. Aufgrund der Veröffentlichung der Namen aller „Wahlpaten“ wurde es dennoch in den letzten Jahren für die extreme Rechte mitunter delikat, diese Voraussetzung zu erfüllen: Aus inhaltlichen Gründen wird es den Mandatsträgern oft unangenehm, als Unterzeichner/in für Le Pen in Erscheinung zu treten.

Abgeordneter der Auslandsfranzosen in Israel lässt Marine Le Pen die Hürde passieren

Marine Le Pen konnte die Hürde aber nun nehmen, und – wie sie bereits am Dienstag, den 13. März öffentlich verkündete – ihre 500 Unterschriften sammeln. Und dabei verfügt sie dank des Zufalls auch noch über ein Symbol, das Teile ihrer Partei bereits eifrig herausstreichen, um sich einmal mehr durch ein Alibi gegen Faschismus- oder Antisemitismus-Vorwürfe zu wappnen: Der 500. Unterzeichner für Marine Le Pen ist ausgerechnet ein Abgeordneter der Auslandsfranzosen in – Israel, der im französischen Parlament sitzt. ((Vgl. http://www.lepoint.fr/chroniqueurs-du-point/said-mahrane/exclusif-le-500e-parrain-de-marine-le-pen-est-un-elu-franco-israelien-14-03-2012-1441114_481.php))

Es handelt sich um den rechten Franko-Israeli, Sylvain Semhoun; einen Parlamentarier der Regierungspartei UMP, welcher dem Vernehmen nach über die „zu araberfreundliche Politik von Nicolas Sarkozy“ enttäuscht sein soll (obwohl Sarkozy etwa anlässlich des Libanonkriegs im Juli/August 2006 als beinharter Unterstützer des israelischen Regierungskurses auftrat), nachdem er Sarkozys Aufstieg ursprünglich unterstützt hatte.

Innerhalb der extremen Rechten nutzten die offen antisemitischen „Dissidenten“ gegen den „Modernisierungs“kurs Marine Le Pens die Episode, um einmal mehr der aktuellen Parteiführung des FN ideologischen Ausverkauf und Anpassung ans System zu unterstellen, insbesondere im Blog der altfaschistischen Wochenzeitung Rivarol.

Vier Kandidaten auf der Rechten, von konservativ über rechtsextrem bis Spinnertum

Voraussichtlich zehn Personen können im ersten Wahlgang am 22. April dieses Jahres antreten; in die Stichwahl am 06. Mai 12 werden dann die beiden bestplatzierten Bewerber einziehen können. Auf der Linken sind insgesamt fünf der voraussichtlichen Kandidaten angesiedelt: Sozialdemokrat François Hollande; die Kandidatin eines Bündnisses aus Grünen und Linksliberalen, die norwegischstämmige Französin Eva Joly; der gemeinsame Bewerber von französischer KP und von ihrer Partei abgespaltenen linken Sozialdemokraten, Jean-Luc Mélenchon; und zwei Bewerber aus dem trotzkistischen Spektrum der radikalen Linken: Philippe Poutou und Nathalie Arthaud. Ein sechster Bewerber steht in der rechten Mitte: der christlich-liberale Mitte-Rechts-Politiker François Bayrou.

Die übrigen vier Kandidaten stehen, mit Abstufungen, auf der politischen Rechten. Es handelt sich um Amtsinhaber  Nicolas Sarkozy, die Kandidatin des Front National – Marine Le Pen -, den rechtsbürgerlichen EU-Kritiker Nicolas Dupont-Aignan und den Sektenkandidaten Jacques Cheminade. Letzter, der bereits zur Präsidentschaftswahl 1995 antreten konnte (und damals 0,28 % der Stimmen erhielt), ist der französische Repräsentant des US-amerikanischen Milliardärs und Verschwörungstheoretikers Lyndon LaRouche, dessen Komplott-Thesen immer auch stark antisemitisch aufgeladen sind. Neben einigen inzwischen leider klassischen Verschwörungstheorien – die Attentate vom 11. September 01 seien ein „Inside Job“ des US-Establishments gewesen, und ähnlicher relativ verbreiteter Unfug – finden sich auch kuriose Besonderheiten bei ihm. So vertrat LaRouche lange Zeit die Idee einer speziellen Weltverschwörung, für welche nicht so sehr Juden oder Freimaurer verantwortlich seien, sondern an deren Ausgang der britische Adel stehe. Antisemitismus ist ihm jedoch auf keinen Fall fremd.

Der „soziale Gaullist“ und EU-Skeptiker Nicolas Dupont-Aignan seinerseits setzt zwar zum Teil auf nationalistische Rhetorik gegen die EU, ist jedoch anders als die rechtsextremen Unions-Gegner im Prinzip ein bürgerlicher Demokrat (und kritisierte im Juli/August 2010 die damalige heftige rassistische Kampagne der Sarkozy-Regierung). Allerdings antwortete er vor anderthalb Wochen in der Zeitschrift ,Figaro-Magazine‘ auf die Frage, wen er als Premierminister nehmen würde, falls er zum Präsidenten gewählt wurde: „Marine Le Pen“. Zwar hatte er laut eigenen Angaben noch die Namen „Arnaud Montebourg“ (sozialdemokratischer Globalisierungskritiker) und „Jean-Pierre Chevènement“ (Linksnationalist, EU-Skeptiker und Innenminister zwischen 1997 und 2000) hinzugefügt, diese wurden jedoch durch die Zeitschrift nicht mit veröffentlicht.

5 Kommentare

  1. „Neben einigen inzwischen leider klassischen Verschwörungstheorien – die Attentate vom 11. September 01 seien ein „Inside Job“ des US-Establishments gewesen“
    Diese Meinung kann man durchaus vertreten. Problematisch wird es aber dann, wenn man den „MitarbeiterInnen“ a) rät, das Studium abzubrechen, weil der Weltuntergang direkt bevorsteht und
    b) die „MitarbeiterInnen“ ihre Freizeit statt in die Förderung ihrer Allgemeinbildung in Musiktherapie – d.h. in Chorproben stecken.
    das sind schlechte Vorraussetzungen, umstrittene Dinge wie den 11.September oder den „vom Menschen gemachten Klimawandel“ zu diskutieren.
    Die Leute, die solche Dinge zu präsentieren verstehen, wurden spätestens 2006 herausgeekelt aus dem Laden.
     
     

  2. Allerdings sekentypisch ist schon die Geduld Cheminads. Die einen stehen mit ihren aufgeschlagenen Heften in der Fußgängerzone und stoßen auf geringes Interesse, die anderen erzählen auch (auf ihre Art allerdings) seit 35 Jahren das gleiche (nämlich das die Engländer an allem Schuld sind) und erreichen seit 35 Jahren ihre 0.1%.

  3. Ulkig ist natürlich, dß man im Werbeblock links auf der Seite eine Anzeige der EAP-Mitarbeiterberatung sieht. Diese Firma wäre gut beraten, sich ein anderes Kürzel zu suchen …
     

  4. Leider übertreibt dieser Artikel ein wenig. Die Bezeichnung Milliardär paßt auf LaRouche nicht – im Gegenteil der Laden hat immer Geldprobleme. Auch der „Sektenkandidat Jacques Cheminade“ ist übertrieben. Cheminade ist auf Lyndons blaue Augen hereingefallen, wie im Lied von Georg Kreisler.
    Link: http://www.youtube.com/watch?v=6VTbFTOaB9o „Herberts blaue Augen
     
     

  5. Hallo herr Schmid,

    mag ja sein, dass es den einen oder anderen spinnerten „Bürgermeister kleinerer Kommunen“ gibt, der „im Namen der Demokratie und des Pluralismus“ seine Stimme für die NF-Vertreterin gibt. Die Regel ist dies nicht.

    Ich bin häufiger in Frankreich und habe schon mit manchen Franzosen die eine oder andere Stunde geschwätzt (leider nur mit Franzosen, die leidlich gut deutsch oder englisch schwätzen können) .. und ja – es gibt durchaus kulturelle Basisunterschiede .. aber nicht hier.

    Denn auch in Bayern – und da wired mir Schlicke sicher zustimmen .. gibt es sicher viele CSU-Bürgermeister, die  „im Namen der Demokratie und des Pluralismus“ einem NPD-Vertreter auf den Stimmzeteel helfen würden – aber nie einem Vertreter der Linkspartei.

    Sie selber geben das „beste“ Beispiel ..  

    „Es handelt sich um den rechten Franko-Israeli, Sylvain Semhoun; einen Parlamentarier der Regierungspartei UMP, welcher dem Vernehmen nach über die „zu araberfreundliche Politik von Nicolas Sarkozy“ enttäuscht sein soll (obwohl Sarkozy etwa anlässlich des Libanonkriegs im Juli/August 2006 als beinharter Unterstützer des israelischen Regierungskurses auftrat), nachdem er Sarkozys Aufstieg ursprünglich unterstützt hatte.“

    Ich denke mal, wir sind uns einig, dass dieser „Herr“ ganz sicher nicht .. sagen wir mal .. einem ausgewiesenen linken palästinenserfeundlichem Israelkritiker seine Unterschrift geben würde, um „im Namen der Demokratie und des Pluralismus“ tätig zu sein.

    VG nach Paris, die Stadt die meine Frau und ich im Juni mal wieder ‚heimsuchen‘ werden .. *freu* 

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