„Arizona Zedern“ statt Weihnachtsbaum

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An der Landstraße südlich von Beth Schemesch zwischen Jerusalem und Tel Aviv hing in diesem Jahr nur ein kleines Schild „Zur Verteilerstelle von Weihnachtsbäumen“ an einem Baum…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 20. Dezember 2011

Ein weißer Lieferwagen mit CD Nummer raste prompt vorbei. In früheren Jahren war die Stelle unübersehbar mit Flaggen des Jüdischen Nationalfonds/Keren Kayemet LeIsrael gekennzeichnet, gleich hinter dem Tal, wo der David den Goliath mit einem gezielten Stein in die Stirn getötet hat. „Wusstest Du nichts von den Kürzungen“, lacht ein arabischer Mitarbeiter des Nationalfonds, wo von Journalisten erst einmal umgerechnet 14,- Euro gegen eine „Spendenquittung“ für einen Baum eingezogen werden.

Diplomaten aus Tel Aviv und Ramallah erhalten ihre Bäume kostenlos, aber nur unter der Bedingung, dass die Botschaften in Tel Aviv rechtzeitig und möglichst gebündelt die Anzahl der gewünschten Bäume über das israelische Außenministerium offiziell bestellt haben.

Mit einem abgestempelten Zettel in der Hand für einen Baum machen wir uns auf den Weg zu Suleiman, einem Beduinen des Tarabin-Stammes aus der Negewwüste. Bewaffnet mit einer Motorsäge bietet er uns an, aus Hunderten struppigen Zypressen zwischen 30 cm und 4 Metern Höhe einen Traumbaum auszuwählen. Es sind die gleichen formlosen Bäume, wie im letzten Jahr. An ihnen hat sich nichts geändert, obgleich der Jüdische Nationalfonds in diesem Jahr in seiner Email-Einladung das Gestrüpp vornehm in eine „Arizona-Zedern“ umbenannt hat.

Derweil gesellte sich Jehuda dazu, ein urtypischer Israeli aus Kfar Vitkin. „Meine Schwiegertochter ist aus Vancover und ihr zuliebe feiern wir auch Weihnachten, obgleich es wirklich nicht unser Fest ist.“ Innerhalb von wenigen Sekunden liegt eine frische und einigermaßen gerade gewachsene Zypresse von 2,50 Metern Länge am Boden. Für Suleiman reine Routine.

Zurück beim Auto, wo eine Decke die Sitzbezüge vor Harz und Nadeln schützen soll, steht der verzweifelte Jusuf neben einem weißen Lieferwagen mit Diplomatennummer. Der palästinensische Katholik ist Fahrer der diplomatischen Vertretung der Tschechei in Ramallah. Mit seinem Diplomatenwagen kann er unkontrolliert die israelischen Checkpoints passieren. „Ich bin da in fünf Sekunden durch“, lacht er verschmitzt. „Die Soldaten dürfen nicht einmal die Türen unserer Wagen öffnen, gleichgültig wer drinsitzt.“ Jusuf soll fünf Bäume nach Ramallah bringen. Aber: „Die haben vergessen, unserer Botschaft in Tel Aviv die Bestellung mitzuteilen.“ Die „Botschaften“ im palästinensischen Ramallah sind laut Osloer Verträge nur „Vertretungsbüros“, also untergeordnete Filialen der bei Israel akkreditierten Botschaften.

Jusuf setzt per Handy eine „diplomatische Demarche“ von Ramallah über Tel Aviv zum israelischen Außenministerium und von dort zum Jüdischen Nationalfond in Gang.

„Ihre Frau heißt doch sicherlich Miriam (Maria). Und woher haben Sie Ihren Baum?“ Jusuf lacht und greift den Witz auf. „Als mein Sohn Issa (Jesus) geboren wurde, hatten die auch vergessen, uns rechtzeitig ein Hotelzimmer in Bethlehem zu bestellen. Alles hier in Nahost ist reine Schikane.“ Ganz ernsthaft erklärte er, dass er vor Jahren einen großen Weihnachtsbaum aus Plastik gekauft habe. „Ob der aus Russland stammt, weiß ich nicht. Vielleicht eher ein Made in China“. Nach einer halben Stunde verschwindet Jusuf schon mit fünf Bäumen auf den runtergeklappten Rücksitzen seines Van in Richtung Ramallah. Offenbar haben die diplomatischen Kanäle schneller funktioniert als sonst.

In der Zwischenzeit haben Philippinos und Südkoreaner, ein Afrikaner mit türkischer Flagge am Kotflügel und andere Diplomaten den Beduinen Suleiman mit seiner Motorsäge im Dienste des Jüdischen Nationalfond auf Trab gehalten. Eine jüdische Zypresse nach der anderen wird für das christliche Weihnachtsfest von einem Moslem erlegt.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com