Ultraorthodoxe, wehrt euch!

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Die Ultraorthodoxen tun mir wirklich leid. Ich spreche natürlich nicht von den Verrückten, die am Freitag Tanya Rosenblit angegriffen haben oder von denen, die letzte Woche in Jerusalem ultraorthodoxe Frauen geschlagen haben, weil sie ihr Nachbarschaftskomitee wählen wollten…

Von Yair Lapid

Ich spreche von den vielen Ultraorthodoxen, die zwischen den Säkularen und den Radikalen stehen und hilflos zusehen müssen, wie beide Seiten einen Kampf auf ihrem Rücken austragen und nicht wissen, aus welcher Richtung die Erlösung kommen wird.

Damit kein Zweifel aufkommt: Was den Ausschluss von Frauen betrifft, wird es keine Kompromisse und keine Verhandlungen geben. Frauen werden überall hin reisen, sie werden überall singen, wählen, gehen, fotografiert werden und überall arbeiten. Jede andere Möglichkeit ist zu abscheulich, um überhaupt auch nur diskutiert zu werden.

Die meisten Ultraorthodoxen verstehen das. Sie verstehen auch, dass die Radikalen unter ihnen eine Grenze überschritten haben, dass sie der ganzen Community schweren Schaden zufügen und letztendlich genau die Feindseligkeit ihnen gegenüber auslösen, von der sie sich gerne befreien würden. Doch sie können uns säkularen und traditionellen Juden gegenüber nicht eingestehen, dass der Grund für die Aktionen ihrer Radikalen darin besteht, dass die Ultraorthodoxen sich gerade in einem Mäßigungsprozess befinden.

Die Radikalen sehen, wie ultraorthodoxe Frauen arbeiten gehen, ultraorthodoxe Männer an Colleges studieren, das ultraorthodoxe Nahal-Bataillon der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte immer größer wird. Sie sehen, wie hunderte Ultraorthodoxe in die Luftwaffe eintreten, und es macht sie verrückt. Ihre Lösung wird immer sein, noch radikaler zu werden, zu drohen und Gewalt anzuwenden, um die Tore wieder zu schließen, die sich da geöffnet haben.

Jeder Ultraorthodoxe, mit dem ich in den letzten Tagen gesprochen habe, sagte das gleiche: „Wir sind dagegen, aber wir fürchten uns, das zu sagen“. Diese Angst treibt sie – aus Bequemlichkeit und Gewohnheit – dazu, zunächst einmal zu versuchen, die Säkularen zum Schweigen zu bringen. Doch müssen sie feststellen, dass das diesmal nicht funktionieren wird. Denn diesmal haben sie es wirklich übertrieben. Auch der alte Spruch „Das Judentum respektiert Frauen wirklich“ wird angesichts der hässlichen Vorkommnisse der letzten Wochen nicht mehr helfen.

Es sieht so aus, als ob die Säkularen dies Mal nicht aufgeben werden. Sollten die nicht verrückten Ultraorthodoxen (und davon gibt es weit mehr als gemeinhin angenommen) wirklich in diesen Kulturkampf eintreten wollen, dann können sie nur verlieren. Und sie werden das tun müssen, was sie so lange tunlichst vermieden haben: Sie müssen sich an die Radikalen in den eigenen Reihen wenden und ihnen sagen: „Bis hierhin und nicht weiter. Wir werden nicht länger zulassen, dass ihr unser Leben ruiniert“.

Sie werden dies mit zusammengebissenen Zähnen tun und mit dem Rücken zur Wand. Und sie werden es nicht tun, weil sie das Wort der Thora in Frage stellen, sondern weil sie es schützen möchten und weil sie unter den Radikalen mehr zu leiden haben als alle anderen. Es wird nicht einfach sein, doch sie haben keine andere Wahl.

Ich beneide sie nicht.

Der Autor ist Journalist und Schriftsteller.

Ynet, 19.12.11, Newsletter der Botschaft des Staates Israel

2 Kommentare

  1. Was ist denn jüdisch, was ist denn links?
    Israel ist längst gespalten, wie das gesamte Judentum. Wer Kritiker als links diffamiert, der begeht doch schon selbst Spaltung! Einheit und Treue kann nur heissen, sowohl Orthodoxe (im Artikel ist von Ultraorthodoxen die Rede?) als auch linke Juden nicht ausgrenzen, sie als Teil des Ganzen erkennen, doch das passiert immer weniger.

    Es schafft sich immer weiter Raum: „Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlage ich dir den Schädel ein!“

    Kain! wo ist dein Bruder?

  2. Ich finde solche Kommentare sollten besser unterbleiben, auch wenn gerade Orthodoxen-Bashing sehr in ist, in Kreisen linker Boheme. Sie sind sehr gefährlich, denn es besteht die Gefahr der Spaltung des Volkes. Israels Stärke gründet aber auf Einheit und Treue zur Tradition.

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