Die Erinnerungsweltmeister

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Pflichtbewusst wird mittlerweile in den Nachfolgestaaten des „Dritten Reiches“ an die nationalsozialistische Judenverfolgung erinnert. Aber Erinnern hieß in Österreich und Deutschland schon immer Solidarität mit den toten Juden. Mit den lebenden hat man hingegen bis heute seine Probleme – insbesondere, wenn sie sich anschicken, Vernichtungsdrohungen gegen den jüdischen Staat, wie sie immer wieder in Teheran geäußert werden, nicht tatenlos hinzunehmen…

Von Stephan Grigat
Die Presse v. 9.11.2011

In der Bundesrepublik geriert man sich schon länger als Erinnerungsweltmeister: „Vergangenheitsbewältigung ist ein Meister aus Deutschland“ würde die postnazistische Zivilgesellschaft am liebsten als neuestes Motto der Nation ausgeben, um Paul Celans Diktum „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ ein für alle Mal vergessen zu machen.

Bei den Jubiläumsfeierlichkeiten zu jenem Holocaust-Mahnmal in Berlin, von dem der frühere SPD-Kanzler Gerhard Schröder sich gewünscht hatte, es solle ein Denkmal sein, „zu dem man gerne hingeht“, verkündete ein renommierter deutscher Historiker: „Im Ausland beneidet man uns um dieses Denkmal.“ Man weiß heute offenbar, was man am Massenmord an den europäischen Juden hat und wie politischer Mehrwert aus seiner vergangenheitspolitischen Bewirtschaftung gezogen werden kann: Je mehr öffentliche Beschäftigung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, desto besser kann man den ehemaligen Opfern der Deutschen Vorschriften machen und den Israelis erklären, wie sie sich zu verhalten hätten. Je mehr Gedenken an ermordete Juden, umso hemmungsloser kann man sich den Antisemiten von heute an den Hals schmeißen.

Juden als Opfer für alle Zeiten

Ein Resultat der modernisierten Vergangenheitspolitik in Österreich und Deutschland ist die Transformation jenes Diktums „Nie wieder Auschwitz, nie wieder Krieg“ in das Dogma „Nie wieder Krieg gegen Antisemitismus“, das Juden für alle Zeiten auf ihre Opferrolle festlegen möchte.

Vielleicht wird man in Österreich und Deutschland eines Tages ja erschrecken, wenn man eingestehen muss, einen erneuten Massenmord an Juden nicht nur nicht verhindert, sondern durch den fortgesetzten Handel mit dem Holocaust-Leugner-Regime in Teheran mit befördert zu haben. Aber was soll’s. Man kann ja wieder Denkmäler bauen und end- wie folgenlose Symposien über das Erinnern, Warnen und Mahnen abhalten.

Das iranische Regime arbeitet unbeirrt an seinem Nuklearwaffen- und Raketenprogramm. Die letzten Zweifel daran sollten durch den neuen IAEO-Bericht endgültig beseitigt sein. Gleichzeitig verkünden Chefideologen des Regimes: „Die Front unseres Krieges befindet sich nun überall auf der Welt.“

Es wird sich zeigen, ob sich die europäischen Regierungen nun endlich zu Sanktionen gegen das iranische Regime durchringen, die diesem die Fortsetzung seiner Projekte verunmöglichen – also Sanktionen gegen die Zentralbank und Boykott des Öl- und Gasexports.

Falls das nicht passiert oder nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt, sollte niemand überrascht sein, dass Israel sich genötigt sieht, eigenständige Vorbereitungen zur Beendigung des iranischen Atomprogramms zu treffen.

Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter an der Universität Wien und Mitherausgeber des Bandes „Iran im Weltsystem. Bündnisse des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung“ (Studienverlag 2010).

4 Kommentare

  1. Unfair.
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    Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, 
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    die vielen Gruppierungen angehörten, die Mehrzahl – außer Hunderttausenden (heute würde man sagen „Kollateralschäden“) von nicht vom Naziregime  speziell verfolgten ZivilistInnen im braunen Machtbereich überhaupt –
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    besonders etwa 20 Millionen BürgerInnen der SU, und dann fast europaweit zusammengetrieben ca. 6 Millionen Jüdinnen und Juden, um eine halbe oder mehr Million Roma und Sinti, Zig-Tausende „politisch Unerwünschte“, sog. „Asoziale“, Homophile, nicht wenige katholische und protestantische Würdenträger u.a., Tausende konsequent den Wehrdienst verweigernde „Bibelforscher“, 
    dann aber in Folge die Soldaten, die sich der Wehrmacht entgegenstellten und sie schließlich unter Millionenopfern zum Aufgeben zwangen, gesamte Opferzahl mit ihnen um die schätzungsweise 55 Millionen Tote, kann für alle Zeiten keiner Zäsur unterliegen, bloß weil die Welt sich weiter dreht.
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    Unfair
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    ist, diese Toten oder einen definierten Teil davon zu instrumentalisieren, um zögerliche Regierungen, so die deutsche und die österreichische, dazu zu bewegen, zu versuchen, dem Irren in Persien seine Atombombenbestrebungen und Raketentträume durch wirtschaftliche Maßnahmen auszutreiben oder unmöglich zu machen. Dabei steht China schon händereibend bereit, um die freiwerdenden Plätze einzunehmen.
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    Unfair
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    ist es, das endlich, endlich quälend langsam auch in der Mehrzahl der EinwohnerInnen  zunehmende Bewusstsein in der BRD und auch anderen ehemals zu den „Achsenmächten“ (Japan ausgenommen) gehörenden Staaten für das durch sie dem jüdischen Volk speziell im „III.Reich“ und seinem  Machtbereich unfassbar Widerfahrene mit verächtlich-polemischer Konnotation zu versehen.
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    Wie wäre es denn, wäre es anders? Walser, Nolte und Konsorten mit ihrer revisionistischen Weltbetrachtung hätten sich durchgesetzt? Wie wäre das?
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    Selbstverständlich muss es sein für alle Staaten, auf jeden Fall aber die demokratischen, nicht tatenlos – und das sollte alles Legale und notfalls auch Illegale einschließen – zuzusehen, wie ein kleines (zudem demokratisches) Land mit, ebenfalls, rel. kleiner Bevölkerung von einem großen, bevölkerungsreichen und bequem und wohlfeil von Bodenschätzen lebenden, rel. weit entfernten anderen durch dessen Machthaber  und von ihnen Aufgehetzten permanent bedroht und ihm sogar seine Auslöschung prophezeit wird, und das auch noch im Namen einer dafür missbrauchten Religion. Da geschieht bisher tatsächlich viel zu wenig.
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    Das aber ist der Hebel, und nicht eine Verhöhnung sogenannter „Gedenkkultur“. In anderen Ländern spottet auch niemand über die feierliche, kontinuierliche Ehrung der Gefallenen (die in der BRD und Österreich aus gutem Grund keine bzw. wenigstens keine große Rolle spielen kann und darf).
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    Hätte der Iran sich ein anderes Land zur Zielscheibe gewählt, zum Beispiel Armenien, wäre er ganz genauso zu behandeln. 
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    Aber. Wann überhaupt in der Geschichte ist es je gelungen, mit wirtschaftlichen Sanktionen, und seien sie noch so total, eine Quasi-Diktatur oder überhaupt einen Staat zum Aufgeben zu bewegen? Mir ist kein Beispiel bekannt.
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    Das Deutsche Reich spürte es im I.Weltkrieg zwar sehr schmerzhaft, aber aufgeben musste es wegen der Meuterei besonders seiner Marinesoldaten. Japan griff die USA genau wegen dieses Versuchs an. Nazideutschland begründete u.a. das ihm misslungene „battle of Britain“ und sogar – scheinheilig – die Judenverfolgung (auch) damit. Nordkorea baute trotzdem Atiombomben. Hamas gar ist es ein willkommenes Instrument zum Machterhalt. Saddam Hussein*) grinste sich was. Und so weiter. Selbst Südafrika brach nicht deshalb mit der Apartheid. 
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    btw,: Undank ist der Welt Lohn? Schlechtes Gedächtnis? Offensichtlich. Iran sollte Israel eigentlich dankbar sein, dass es den irakischen Reaktor zerstörte, der im 1.Golfkrieg, wenn auch nicht unbedingt für eine „richtige“ Atombombe, so doch für eine sog. „schmutzige“ Material hätte liefern können, zumal der Irak dafür bestimmt skrupellos genug war, da er nicht zögerte, auch Giftgas einzusetzen. Und außerdem half Israel dem Iran mit Waffen, der Irak bekam von Israel nix..   

  2. Es ist der offizielle Kotau vor der Geschichte. Dazu mehrmals die Woche sog. History mit dem III.Reich. Adolf Nazi in allen Variationen. Es kommt einem aus den Ohren heraus. Kann garnicht soviel essen wie ich kotzen möchte.

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